Wie stark sich Mitarbeitende für Changevorhaben engagieren, hängt auch davon ab, wie die Führungskräfte auf ihre Ideen, Einwände und Vorschläge reagieren. Das gilt auch für das Bestreben, eine neue Kultur der (Zusammen-)Arbeit in Unternehmen zu etablieren. Was müssen Führungskräfte beachten?
„Mitarbeiter zu Mitstreitern machen“ – so lautet eine bekannte Change-Management-Maxime. Doch damit Mitarbeitende sich für das Erreichen der Ziele von Veränderungsvorhaben engagieren, müssen sie sich mit ihnen identifizieren und das Gefühl haben: Meine Stimme wird gehört, und ich kann den Umsetzungsprozess mitbeeinflussen. Das gilt auch für den aktuellen Versuch vieler Unternehmen, eine neue Kultur der (Zusammen-)Arbeit in ihrer Organisation zu etablieren.
Auf das „Employee Voice“ hören
In der wissenschaftlichen Literatur wird das Äußern von Ideen und Meinungen sowie Bedenken und Problemen von Mitarbeitenden in Bezug auf arbeitsbezogene Themen gegenüber Führungskräften und Kollegen als „Employee Voice“ bezeichnet. Dabei bezieht sich der Begriff „Voice“ insbesondere auf die informelle Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden und ihren Führungskräften, denn: Bei Veränderungsvorhaben findet auch außerhalb der offiziellen Meetings in den Unternehmen ein wichtiger Diskurs über die Arbeit in den Bereichen und Teams sowie mögliche Verbesserungen und Probleme dort statt – sei es am Arbeitsplatz oder in der Kantine. Speziell Veränderungen auf der operativen Ebene werden oft primär in dieser Alltagskommunikation thematisiert.
In der Regel tragen die Führungskräfte die Verantwortung für das Planen und Umsetzen von Veränderungen auf der operativen Ebene. Ihre wichtigsten Unterstützer beim Erfüllen dieser Aufgabe sind ihre Mitarbeitenden, denn sie kennen zumeist die operativen Prozesse und Abläufe am Besten und können aufgrund ihrer Erfahrung gut einschätzen,
Reaktion auf das „Voice“ der Mitarbeitenden divergiert
Ein Forschungsprojekt an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zeigt jedoch, dass die Resonanz der Führungskräfte auf das „Employee Voice“ stark davon abhängt, wie die Mitarbeitenden ihre Ideen, Vorschläge und Bedenken ihnen gegenüber äußern. Für die Studie wurden Führungskräfte der unteren und mittleren Ebene befragt, in deren Bereichen gerade ein Changeprozess (technisch, prozessual, strukturell und/oder kulturell) lief.
Dabei wurden zwei „Voice“-Formen unterschieden:
Führungskräfte wünschen lösungsorientiertes „Voice“
Die Auswertung der Befragung zeigte: Äußern Teammitglieder Ideen, Meinungen und Vorschläge, wie Veränderungen (noch) besser umgesetzt werden können, verknüpft mit konkreten Umsetzungsvorschlägen (lösungsorientiertes „Voice“), fühlen sich die Führungskräfte in ihrem Vorhaben unterstützt. Sie lassen sich zudem durch die geäußerten Ideen inspirieren und engagieren sich selbst stärker für die Umsetzung der Veränderungen.
Eher „belästigt“ fühlen sich die Führungskräfte hingegen, wenn Teammitglieder lediglich auf Probleme hinweisen, ohne konkrete Lösungsvorschläge zu nennen (vorbeugendes „Voice“). Die Führungskräfte nehmen solche Äußerungen eher als ein weiteres Problem wahr, das nun zusätzlich auf ihren Schultern lastet – teilweise gar als Kritik. Entsprechend häufig missachten sie ein solches „Voice“.
New Work erfordert eine „offene“ Change-Kommunikationskultur
Wird eine solche Reaktion zur Regel, besteht die Gefahr, dass die Mitarbeitenden ihre Bedenken irgendwann nicht mehr äußern. Folglich unterbleiben auch im Bedarfsfall nötige Kurskorrekturen und Projekte drohen zu scheitern. Eine solche Entwicklung ist weder im Interesse der Führungskräfte, noch des Unternehmens. Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg von Changevorhaben ist deshalb eine Kommunikationskultur, in der die Mitarbeitenden ihre Bedenken, Wünsche, Bedürfnisse, Anregungen usw. frei äußern. Außerdem sollten ihre Innovationsbereitschaft und Kreativität gezielt gefördert und ein organisationales Lernen stimuliert werden, denn letztlich sind ohne diese Faktoren nachhaltige Kulturveränderungen nicht möglich.
Dies gilt insbesondere für solche Changevorhaben, wie in den Unternehmen eine neue Kultur der (Zusammen-)Arbeit zu etablieren, die zur Zeit unter dem Stichwort „New Work“ auf der Agenda vieler Unternehmen stehen, denn bei ihnen betreten die Unternehmen oft Neuland. Das heißt, im Prozessverlauf muss zunächst unter anderem ein Commitment darüber erzielt werden:
Ohne eine offene Change-Kommunikationskultur, in der auch getroffene Entscheidungen regelmäßig hinterfragt werden, ist ein solches Commitment nicht erzielbar bzw. es wird, sofern im Projektverlauf nicht auf die Stimme der Mitarbeitenden gehört wird, schnell brüchig.
Der angestrebte Kulturwandel ist keine Einbahnstraße
Eine solche Kommunikationskultur erfordert auch Rückgrat seitens der Führungskräfte, denn sie müssen sich im Betriebsalltag immer wieder den oft kontroversen Auseinandersetzungen mit ihren Mitarbeitenden stellen. Hinzu kommt: Im Prozess- bzw. Projektverlauf müssen oft auch, um von den Mitarbeitenden aufgezeigte Probleme zu lösen, Entscheidungen überdacht werden, bei denen die Entscheidungsbefugnis auf höheren Führungsebenen liegt.
Das heißt, die Führungskräfte müssen im Bedarfsfall den „Mumm“ haben, die im Dialog mit ihren Mitarbeitenden angesprochenen Themen bzw. Probleme ihrerseits mit ihren Führungskräften zu besprechen und gegebenenfalls auf Kurskorrekturen drängen. Geschieht dies nicht, stellt sich der Versuch, in der Organisation eine neue Kultur der (Zusammen-)Arbeit zu etablieren aus der Sicht der Mitarbeitenden schnell als Lippenbekenntnis seitens der Unternehmensführung dar. Das heißt, ihr Engagement erlahmt und der Kulturwandel ist letztendlich gescheitert.