Chancengleichheit, nachhaltige Produkte entwickeln, mit innovativen Arbeitsmethoden – wer solch ein Arbeitsumfeld sucht, muss nicht erst zu einem Startup wechseln. »Unser Antrieb bei Würth Elektronik ist es, Dinge positiv zu verändern«, sagt Chief Technology Officer Alexander Gerfer.
Herr Gerfer, 2020 ist ein schwieriges Jahr. Wie geht es Würth Elektronik?
Den Umständen entsprechend gut, bisher sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen. Unsere Kollegen in Asien sind schon wieder sehr viel kräftiger im Geschäft, vor allem in China. Es war klar, dass das Virus nicht von heute auf morgen verschwinden würde, die Situation wird uns noch bis Ende nächsten Jahres verfolgen und wir müssen damit umgehen. Aber wir dürfen uns jetzt auch nicht lähmen lassen: Der Elektronikanteil in Produkten wächst beständig, deren Entwicklung wird normal weitergehen. Schon um nicht den Anschluss an Asien zu verlieren.
Wo sehen Sie die Herausforderung für die gesamte Branche und auch für Würth?
Wer jetzt noch nicht gut digitalisiert ist, damit Mitarbeiter auch im Homeoffice gut arbeiten können, muss jetzt schnellstens aufholen, um widerstandsfähiger zu sein. Damit wir alle weiter an unseren Themen arbeiten können, egal wie es uns noch erwischt. Unsere IT war da immer schon weltweit gut aufgestellt. Die Mitarbeiter konnten sich sehr schnell ins Homeoffice zurückziehen, ohne Auswirkungen auf den Betrieb und seine Kernprozesse.
Wird Remote-Arbeit nun zum „New Normal“ bei Würth Elektronik?
Auch wenn wir es rein technisch weltweit gut gemeistert haben: Es ist noch mal eine ganz andere Herausforderung, das Team, die Kollegen, den direkten Austausch, das Zwischenmenschliche virtuell abzubilden. „Face to Face“ ist uns bei Würth Elektronik sehr wichtig. Wir wollen uns treffen, beieinander stehen. Das zieht sich durch unser Unternehmen wie ein roter Faden. Deswegen glaube ich nicht an eine neue, rein virtuelle Normalität, auch wenn der Anteil der Kommunikation über digitale Kanäle zugenommen hat. Was nicht heißt, dass wir gegenüber neuen Arbeitsmethoden wie Design Thinking nicht aufgeschlossen sind und nicht gerne mal was ausprobieren. Wir arbeiten sehr projektbezogen und zielorientiert, auch mit neuen, zum Teil virtuellen Arbeitssystemen. So arbeiten wir beispielsweise im Produktmanagement agil. Bei den Software-Kollegen heißt das Scrum, bei uns „Hardware-agil designen“.
Wie funktioniert das und was ist anders als früher?
Design Thinking und agile Hardwareentwicklung sind schon gute Beschleuniger. Auch der Mut, sich mitzuteilen, wenn man irgendwo hängt und nicht weiterkommt, ist gewachsen. Man kann sich ohne Gesichtsverlust einen Supporter suchen, jeder kann seine Stärken voll ausspielen, Teamarbeit steht im Fokus. Gleichzeitig lernen wir dabei voneinander.
Anfang des Jahres waren Sie Redner auf der Veranstaltung „Digital Life Design“ in München, bei der Start-ups mit Investoren und Wissenschaftlern über die digitale Zukunft diskutieren. Ist man dort als mittelständisches B2B-Hardware-Unternehmen die Ausnahme?
Wir sind ein Hidden Champion, das ist auf solchen Veranstaltungen wie der „Digital Life Design„ leider nicht unbedingt ein Kompliment, da liegen wir in Sachen Aufmerksamkeit noch etwas zurück. Dabei arbeiten wir intensiv mit Startups zusammen, suchen entsprechende Talente. Software-Themen wie Banking oder Fintech erscheinen oft attraktiver als Hardware. Dabei braucht die innovativste Software auch eine Anbindung an die Umwelt. Und die ist nicht trivial, man kann Hardware nicht mal eben miteinander verschalten und es funktioniert. Sondern da braucht es Kompetenz. Hier möchten wir bei Hardware-Start-ups bekannter werden, denn sie bleiben mit ihren innovativen Projekten oft auf der Strecke, werden von Lieferanten hängen gelassen. Denn ihre Bestellungen sind oft klein, ihre Belieferung und Beratung ist aufwändig. Wir hingegen sehen uns als Enabler, wollen selbst Innovationen vorantreiben und unterstützen mit Hardware, unserer Kompetenz, Fachwissen und unserem Netzwerk im Hintergrund, um sie schnell zum Markterfolg zu bringen. Als Bauelemente-Hersteller wissen wir, worauf es bei der Realisierung einer Hardware-Idee ankommt und wo Fehler lauern. Wir spielen dabei gerne eine Vorreiterrolle, nehmen uns einer Idee gezielt an und treiben sie voran. Das habe ich auf der DLD-Konferenz versucht zu vermitteln.
Wie planen Sie Innovationen?
Unser Antrieb bei Würth Elektronik ist es, Dinge positiv zu verändern. Wir schauen genau hin, wenn sich vermehrt und wiederholt Kunden zum gleichen Thema äußern. Auf diese Weise haben wir zum Beispiel ein Projekt mit zwei anderen Firmen aus unserer Lieferkette gestartet, um Plastik-Verpackungsmüll zu reduzieren. Mit unserem Technologiezentrum „Hightech-Innovation Center„ in München und dem Innovation Center in Berlin versuchen wir, uns in der Startup-Szene aufzustellen. Wir kooperieren mit ihnen oder beteiligen uns sogar. Außerdem arbeiten wir eng mit Hochschulen zusammen. So entstand etwa gemeinsam mit der TU München eine App mit LED-„Lichtrezepten“ für Horticulture. Je nach Wellenlängen und Leuchtstärke wächst eine Pflanze schneller oder langsamer, hat die Frucht mehr oder weniger Geschmack. Der Impuls für diese Gemeinschaftsarbeit kam von uns. Auch unsere Mitarbeiter begeistern sich natürlich dafür, unsere Bauteile wie EMV-Ferrite und Spulen in Zukunftsprojekten wie „Vertical Farming“ und „Horticulture Lighting“ im Einsatz zu sehen. Die Baukasten-Lösungen, die wir zu solchen Themen entwickeln, sind gute Beispiele dafür, dass wir als mittelständischer Arbeitgeber an solchen Zukunftsthemen dran sind und sie unterstützen. Startups, die hier tiefer einsteigen wollen, brauchen dann nicht mehr bei Null anfangen, sondern können schon auf die richtigen Konzepte setzen.
Spielt Nachhaltigkeit auch eine Rolle, wenn es um das Gewinnen von neuen Mitarbeitern geht?
Ja, die Fragen in diese Richtung werden deutlicher und wir müssen uns diesen Fragen stellen. Wir wollen unsere Kunden erfolgreich machen, ob es nun ein Ernteroboter ist, der nur die reifen Früchte nimmt, oder ein hocheffizienter Wandler für Elektroautos. Hardware muss heute energieeffizient, klein und langlebig sein und nicht nach drei Jahren schon wieder ausfallen und wieder im Elektroschrott landen. Es gehört zu unserem Anspruch, die Probleme unserer Kunden mit robuster Qualität zu lösen. Wir hoffen, dass wir dazu die richtigen Mitarbeiter finden, die das auch so sehen und eine bewusste, nachhaltige und sinnstiftende Arbeit suchen.
Sie haben gerade in einer Arbeitgeberstudie des Frauen-Magazins Brigitte Spitzenbewertungen bekommen; volle Punktzahl gab es für die Karriereförderung von Frauen.
Wir sind als einer der besten Arbeitgeber für Frauen ausgezeichnet worden. Bei der Studie wurde unser Engagement in fünf Bereichen bewertet, die für die Chancengleichheit von Bedeutung sind, wie eben zum Beispiel die Karriereförderung von Frauen oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Darüber haben wir uns sehr gefreut, da uns diese Bewertung zeigt, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Oberstes Ziel ist es, allen Mitarbeitenden die besten Rahmenmöglichkeiten zu bieten.
Sie übertragen bei Würth Elektronik schon früh Verantwortung. Ist Ihnen bei neuen Mitarbeitern Motivation und Wille wichtiger als Fachkompetenz?
Ja, das muss so sein. Ich kann nicht alles wissen, wenn ich aus dem Studium komme, aus der Technikerschule oder der Ausbildung. Das können wir nachschulen. Aber er oder sie muss offen sein für Neues und sich auch mal durchwühlen können durch ein Thema, um weiter zu gehen, tiefer einzusteigen. Wenn diese Motivation da ist, dann wäre es ja Unsinn, diese Mitarbeiter ausbremsen zu wollen. Wir übertragen bei Würth Elektronik schon früh Verantwortung – dazu braucht es eine Fehlerkultur, die fest in unserer DNA verankert ist. Wir lernen aus Fehlern, wir machen den gleichen Fehler aber nicht zweimal. Wir wollen keine Befehlsempfänger, das passt nicht zu uns. Neue Mitarbeiter sollen und dürfen fragen, um weiter zu kommen.
Welche offenen Stellen gibt es bei Würth Elektronik derzeit?
Generell suchen wir im Bereich der IT-Themen wie Big Data. Aber auch im Vertrieb, auch wenn es in der aktuellen Situation schwieriger ist, den einen oder anderen Kunden zu besuchen. Daneben gibt es immer wieder Möglichkeiten für gute Mitarbeiter, die sich im Bereich Induktivitäten oder Kondensatoren tiefer schrauben möchten. Und auch im Ausbildungsbereich suchen wir weiterhin engagierte und junge Talente, die mit uns ins Berufsleben starten möchten.