Ziel einer vernetzten, stark technisierten Landwirtschaft wird es in Zukunft sein, landwirtschaftliche Produkte effizienter, kostengünstiger und zuverlässiger zu produzieren. Entscheidende Bedeutung kommt dabei auch der Automatisierung des Erntevorgangs zu.
»Unsere Mission ist es, zu einer modernen Landwirtschaft beizutragen – ökologisch, sozial und wirtschaftlich. Wir sind Teil einer Revolution, die es uns ermöglicht, ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung zu haben – ohne die Natur dabei zu zerstören«, beschreibt Hannah Brown, CCO und Mitgründerin von Organifarms, die Zielsetzung des 2020 gegründeten Startups AgriTech aus Konstanz.
Begonnen hat alles im Dezember 2019 auf einem Hackathon in Berlin. Dort trifft sich das Gründungsteam zum ersten Mal und beschließt, sich der Mission einer nachhaltigen Landwirtschaft zu widmen. Die Gründer, das sind Dominik Feiden, CEO, Hannah Brown, CCO, Marian Bolz, CTO, und Mario Schäfer, CSO. Im September 2020 kaufen sie ihren ersten Roboter und beginnen in einem Keller in Konstanz mit der Entwicklung ihres Produktes, eines Ernteroboters.
Ein Jahr später wird »Berry« zum ersten Mal in einem Gewächshaus in Baden-Württemberg getestet. Das Team von Organifarms ist inzwischen auf acht Personen gewachsen. Im Januar 2022 erhält das junge Startup in Summe 1 Million Euro an Fördergeldern durch das Bundeslandwirtschaftsministerium und die Rentenbank. Im Juni 2022 wird der Ernteroboter Berry erstmals auf der Greentech in Amsterdam der Öffentlichkeit vorgestellt. Organifarms erhält den Greentech Innovations Award.
»Die Greentech war für uns auch aus dem Grund wichtig«, so Brown, »weil wir dort erstmals in Kontakt mit Würth Elektronik eiSos kamen«. Denn damit Berry reife Früchte auch im künstlichen Licht eines Gewächshauses erkennt, ist eine LED-Platine notwendig. Würth Elektronik eiSos liefert neben jeder Menge Know-how auch die richtigen Komponenten, die es dem Startup ermöglichen, ein Beleuchtungskonzept zu realisieren, mit dem der Roboter zuverlässig reife Erdbeeren unter allen Lichtbedingungen pflücken kann. Auf diese Weise sind Ernten rund um die Uhr, auch nachts, möglich.
Landwirte sind bei der Ernte auf Helfer angewiesen. Doch Arbeitskräfte sind auch in dieser Branche rar. Das merken derzeit auch die Briten, wie Brown erläutert: »Seit dem Brexit hat die britische Landwirtschaft extreme Schwierigkeiten, Erntehelfer zu gewinnen.« Da wundert es nicht, dass Brown auf die Frage nach Wettbewerbern neben den USA, Belgien und Israel auch auf ein Startup in Großbritannien verweist. Dort ist auch einer der ersten Kunden beheimatet.
Zu den weiteren Vorteilen eines Ernteroboters wie Berry zählt auch die Qualitätskontrolle und damit auch ein möglicher Beitrag zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. Durch die LED-Panels von Würth Elektronik eiSos und eine ausgefeilte Software ist der Ernteroboter in der Lage, in Sekundenbruchteilen reife von unreifen Früchten zu unterscheiden. Ist eine Erdbeere erntereif, schneidet Berry sie am Stiel ab. Auf diese Weise wird die Frucht bei der Ernte nicht beschädigt. Damit wird der Ernteertrag erhöht und mehr Erdbeeren kommen in gutem Zustand bei den Endverbrauchern an.
Doch Berry erntet nicht nur rund um die Uhr, unterbrochen nur von einem Batteriewechsel nach zwölf Stunden, er verpackt die gepflückten Erdbeeren auch direkt nach der Ernte in Schalen, die an den Handel weitergegeben werden. Der Ernteroboter erntet auf diese Weise 20 kg Erdbeeren, dann muss seine Ernte entladen werden. Ziel des Einsatzes von Ernterobotern in einer kontrollierten Umgebung wie einem Gewächshaus oder Vertical-Farming-Einrichtungen ist es, durch lokalen Anbau für eine verlässlichere Produktion in Deutschland, nahe den Verbrauchern, zu sorgen.
In diesem Jahr nun werden die ersten fünf Berry-Ernteroboter Konstanz verlassen.
Den Preis für einen dieser Ernteroboter gibt Brown mit rund 100.000 Euro an. Die ersten Kunden dafür kommen neben Deutschland aus den Niederlanden und Großbritannien. In Zukunft könnte Berry auch in modernen Gewächshäusern in Frankreich oder Skandinavien zum Einsatz kommen. »Ernteroboter sind vor allem ein Produkt für Hochlohnländer«, erläutert Brown, »in Südeuropa dürfte sich ihr Einsatz auf absehbare Zeit nicht lohnen, weil dort die Lohnkosten niedrig sind«.
Im nächsten Entwicklungsschritt soll Berry in die Lage versetzt werden, auch andere Lebensmittel zu ernten, etwa Gurken, Paprika oder Tomaten. Die Auswertung der gesammelten Bilddaten bei der Ernte wird in Zukunft auch zur Früherkennung von Schädlingsbefall oder Krankheiten genutzt werden können. Mit Würth Elektronik eiSos finden darüber hinaus derzeit bereits Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit im Bereich der LED-UV-C-Behandlung für ein optimiertes Pestizidmanagement statt. UV-C-Lampen lassen sich in Gewächshäusern zur Desinfektion einsetzen und reduzieren so den Pestizideinsatz.
Darüber hinaus beschäftigt man sich bei Organifarms nicht nur damit, Ernteroboter für kontrollierte Umgebungen wie Gewächshäuser zu entwickeln, sondern die Technologie auch in unstrukturierten Umgebungen, etwa im Zusammenspiel mit Folientunneln, zum Einsatz zu bringen. Pläne, für die man in Konstanz inzwischen mit einem auf zehn Mitarbeiter angewachsenen Team auf der Suche nach einer Anschlussfinanzierung ist.