Tech-Boom und Immobilienpreise

Standortnachteil teure Mieten

17. Januar 2019, 11:36 Uhr | dpa/Corinne Schindlbeck
Brad Smith, Präsident und Chief Legal Officer von Microsoft. Der Konzern nimmt 500 Millionen Dollar in die Hand, um für günstigeren Wohnraum in der Nähe seines Hauptquartiers bei Seattle zu Sorgen.
© Elaine Thompson/AP/dpa

Microsoft nimmt 500 Millionen Dollar in die Hand, um für günstigeren Wohnraum in der Nähe seines Hauptquartiers bei Seattle zu sorgen. Auch in Deutschland schrecken die hohen Mieten in Ballungsräumen wie München inzwischen Fachkräfte ab. Manche Arbeitgeber halten immer noch Werkswohnungen vor.

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Microsoft engagiert sich für bezahlbaren Wohnraum. Der aktuelle Plan sieht Kredite von 475 Millionen Dollar vor sowie eine Spende von 25 Millionen Dollar für Hilfen an Obdachlose, wie der Software-Konzern soeben ankündigte. Die Mieten in Seattle und Umgebung seien in den vergangenen acht Jahren um 96 Prozent gestiegen - und das mache es für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden, erklärte Microsoft-Manager Brad Smith in einem Blogeintrag.

Der Aufstieg von Amazon mit Hauptquartier in Seattle und zuvor schon von Microsoft aus dem benachbarten Redmond hatten die Region zu einem Technologie-Zentrum gemacht. Auch andere Tech-Unternehmen wie Apple haben hier Standorte, zudem siedeln sich Start-ups an. Mit Zehntausenden gut bezahlter IT-Experten stiegen die Mieten, zugleich gab es immer mehr Obdachlose. Der Stadtrat von Seattle versuchte im vergangenen Jahr, mit einer neuen Steuer Geld zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit zu heben. Größere Unternehmen sollten jährlich 275 Dollar pro Mitarbeiter zahlen. Nach massivem Widerstand aus der Wirtschaft wurde die Entscheidung aber wenige Wochen später wieder zurückgenommen.

Microsoft will jetzt 225 Millionen Dollar zu Zinsen unter dem Marktniveau an Immobilien-Entwickler verleihen, damit sie günstigeren Wohnraum bauen können. Weitere 250 Millionen Dollar sollen als Kredite zu marktüblichen Konditionen Wohnungen für Menschen mit niedrigen Einkommen unterstützen. Sie sollten denjenigen helfen, die weniger als 60 Prozent des lokalen Durchschnittseinkommens verdienten, schrieb die «Seattle Times»

Das Problem lässt sich eins zu eins nach Deutschland übertragen, Beispiel München: BMW, Google, Siemens, Microsoft – die Stadt beheimatet immer mehr Tech-Riesen und teure Fachkräfte. Die Folge: die Mieten steigen und steigen, »Normalverdiener« müssen aufs Umland ausweichen. Die Pendlerzahlen liegen auf Rekord-Niveau, Stau inklusive. 

Bezahlbaren Wohnraum für Bedürftige zu schaffen und die Wohnungsnot zu lindern, diese Idee hatte der Augsburger Jakob Fugger bereits im 16. Jahrhundert. Seit 1523 gibt es die Wohnsiedlung für bedürftige Augsburger, ursprünglich bestehend aus frommen – und damit für Fugger »würdigen« - Armen, Tagelöhnern, Handwerkern und ihren Familien. Sie konnten innerhalb und außerhalb der Fuggerei ihrem Broterwerb nachgehen und sollten im Fall der wirtschaftlichen Erholung wieder ausziehen.

Noch in den Siebzigerjahren gab es in Deutschland laut Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) etwa 450.000 Werkswohnungen, allen voran bei den früheren Staatsunternehmen wie Deutsche Post und Deutsche Bahn, aber auch bei ehemaligen Chemiefirmen wie Degussa.

Die meisten wurden nach und nach privatisiert. Aber immer noch halten vor allem Konzerne Wohnraum für Beschäftigte vor, etwa BASF (bereits seit 1872), Bosch,  VW, Audi oder die Stadtwerke München.  Letztere halten derzeit rund 550 Wohnungen im Bestand, die ausschließlich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vermietet werden. In den nächsten Jahren sollen 500  zusätzliche fertiggestellt werden. Wermutstropfen: Vergünstigter Wohnraum ist als geldwerter Vorteil zu versteuern.  

 


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