Arbeitsrecht und Arbeit 4.0

»Mitarbeiter wünschen, wir dürfen nicht. Ist illegal!«

26. Oktober 2016, 7:49 Uhr | Corinne Schindlbeck
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Dienstliche E-Mails am Sonntag und die Gefahr der Selbstausbeutung

Wie steht es um gesetzliche Regelung dienstlicher E-Mails nach Feierabend oder am Sonntag? 
10 bis 20 Minuten E-Mails bearbeiten - das ist Arbeitszeit. Innerhalb der Ruhezeit darf der Mitarbeiter die Mail nicht beantworten. Erst wieder im Büro.

In einer globalisierten Arbeitswelt ist das aber häufig weltfremd. Außerdem ist auch hier die Flexibilität keine Einbahnstraße: Wenn Mitarbeiter das am Wochenende gerne erledigen wollen, sollten sie das auch am Sonntag dürfen.

Dürfen: der Arbeitsgeber sollte es nicht anordnen. Unser Wunsch als Arbeitsrechtler wäre es, die Gesetzesnovelle nicht komplizierter, sondern einfacher zu regeln. Mehr Subsidiarität, die Mitarbeiter, der Betriebsrat sollte hier mit dem Arbeitgeber vereinbaren können, was für welche Berufsgruppe im Betrieb ok ist – aber auch, was nicht. Patentrezepte, wie einstmals das Arbeitszeitgesetz, gibt es eben nicht – nicht mehr!

Aber müssen Mitarbeiter nicht auch vor Selbstausbeutung geschützt werden? 
Wie wäre es, wenn wir es positiver formulieren würden? Natürlich, mit Beginn der Industrialisierung waren Regelungen notwendig, um Arbeitnehmer zu schützen: Sozialversicherung, soziale Marktwirtschaft enstanden.  

In der Arbeitswelt von morgen werden wir aber  - mindestens bei den Hochqualifizierten - einen Angebotsmarkt haben, in der die  Generation Z selbstbewusst einfordern wird was sie, wann sie und wie viel sie arbeiten möchte.

Industrie 4.0 ist das Vehikel, das ihnen dies ermöglicht. Dass Arbeit und Freizeit ineinander verschmelzen kann man negativ oder auch positiv »Entgrenzung« nennen. Auf jeden Fall wird sie durch neue Techniken möglich gemacht.

Der neuen Generation wird »Work Life Balance« so wichtig sein, dass sie Dauer und Lage der Arbeitszeit selbst bestimmen wollen wird. Und wir haben heute schon Bewerber und Mitarbeiter, die konkret nach solchen – gesetzlich nicht zulässigen – Arbeitsmodellen fragen.

Was ist mit neuen technischen Möglichkeiten, die Arbeitsleistung zu messen? Das ist heute mitbestimmungspflichtig. Gott sei Dank? 
Sie sprechen § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz an. Demnach hat der Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen mitzubestimmen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts reicht dabei die »Geeignetheit« bereits aus, auf die Bestimmung kommt es gar nicht an. Nicht, dass ich mich falsch ausdrücke: Ich bin für die informationelle Selbstbestimmung und gegen ziellose und vor allem nicht erforderliche Überwachung.

Wenn dieser Mitbestimmungstatbestand jedoch ernst genommen wird, dann ist das ganze Leben und jedes elektronische Helferlein mitbestimmungspflichtig:  elektronischer Schlüssel, PC, das Klimagerät im Büro, Smartphone, elektronische Uhren, Lichtschalter am Bus, Auto, Navigationsgerät etc. Tools, die uns das Leben und Arbeiten auch leichter machen werden. Dann wäre doch ein klares datenschutzrechtliches Verbot der Auswertung mit Erlaubnisvorbehalt durch eine Betriebsvereinbarung oder ein Einverständnis besser.

Also: Einführung dieser elektronischen Helfer grundsätzlich ja, aber die Auswertung ist verboten, es sei denn Mitarbeiter oder Betriebsrat stimmen zu. Das würde Unternehmen in Deutschland nicht von der Einführung wichtiger elektronischer Hilfsmittel abhalten und sie lediglich bei der Absicht der Leistungs- oder Verhaltenskontrolle weiterhin deutlich einschränken.

Die Transaktionsaufwände und -kosten würden sinken, was auch einen Wettbewerbsvorteil bedeuten kann. Damit könnten Betriebsräte wie auch Arbeitgeber und Beschäftigte gut leben. Die letzte grössere Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes war 2001, da kannte man noch Floppy-Disc und Daten-Modems mit 9.600 baud – heute kennt keiner mehr die Discs und Programme werden bei 50 Mbit/sek täglich upgedatet …

Das Interview führte Corinne Schindlbeck


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