Wie wird KI den Arbeitsmarkt und die Arbeit von Elektroingenieuren beeinflussen? Lindert KI den Fachkräftemangel, kann sie gar zu Stellenabbau führen? Und wer kontrolliert die Entwicklung? Antworten gibt Dr.-Ing. Damian Dudek von der RWTH Aachen, Experte für neuromorphe Halbleiterbauelemente für KI-basierte Systeme.
Herr Dr. Dudek, laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft Köln hat KI das Potenzial, den Fachkräftemangel zu lindern. Und zwar besonders gut in Branchen, die ihre Daten gut bewirtschaften; dazu zählt die Elektronik. Könnte die Entwicklung von KI sogar zu Stelleneinsparungen durch Reorganisation der Arbeit führen?
Dr.-Ing. Damian Dudek: Ja, KI entlastet Ingenieure heute schon in vielen Bereichen der Elektrotechnik und Informationstechnik. So sehe ich beispielsweise durch den Einsatz und die Perfektionierung von Softwarewerkzeugen der KI eine große Chance, um den Entwurf von gedruckten und integrierten Schaltungen vor allem in der Digitaltechnik zu optimieren. Dies wird zwar heutzutage bereits in den Schaltungspaketen angeboten, wird aber von den erfahrenen Schaltungsentwicklerinnen und Entwicklern selten genutzt. Ich sehe zukünftig in dem Einsatz dieser Werkzeuge eine Entlastung, jedoch keinen Wegfall von Arbeitsplätzen.
Der Bedarf an geschultem und erfahrenem Personal zur Steigerung der Effizienz dieser KI-Optimierungswerkzeuge wir stattdessen eher noch zunehmen. Was sicherlich zunehmend wegfallen wird, sind Aufgaben in den großen Verwaltungsapparaten in der Industrie und vor allem auch im Hochschulwesen. Elektroingenieurinnen und Elektroingenieure von morgen werden vielmehr Entscheider sein müssen, um aus den optionalen Vorschlägen der KI-Software eine vernünftige Auswahl zu treffen. Dies bedeutet eine strategische und sachkundige Herangehensweise an die Tätigkeiten, aber eben auch Offenheit für diese neuen KI-basierten Systeme.
Wie wird KI das Electronic-Design-Engineering verändern?
Die zur Verfügung stehenden Werkzeugen für den Entwurf von elektronischen, photonischen und elektromechanischen Systemen sind schon sehr weit optimiert und beinhalten eine Vielzahl an unterschiedlichen Simulations-, Verifikations-, Entwurfs- und Optimierungsmethoden. Mit dem Einsatz von kontextbasierten und lernenden Systemen bereichert man diese Systeme und schafft Entlastung für die Entwicklungsingenieurin oder den Entwicklungsingenieur durch Vorschläge, die der Bearbeiter oder ganze Teams weiterbearbeiten und optimieren können. Der Vorteil sind zum einen schnellere Entwicklungszyklen, aber auch eine Optimierung des Entwurfes vor der Herstellung, außerdem Ressourcenschonung und mehr Energieeffizienz, weil weniger Prototypen hergestellt werden müssen.
Wie wirkt sich KI auf den künftigen Bedarf an Elektroingenieuren aus, müssen die sich Sorgen machen?
Kein Grund zur Sorge, ich denke nicht, dass es zu weniger Arbeitsplätzen in der E-Technik-Branche kommen wird. Aber es wird eine natürliche Weiterentwicklung des Berufsbildes stattfinden. Schließlich werden KI-basierte Systeme in der Elektrotechnik in Zusammenarbeit mit der Informatik entwickelt. D. h. die Personen, die sich für den Beruf der Elektrotechnik entscheiden, arbeiten maßgeblich mit an der Entwicklung der zukünftigen KI.
An den Hochschulen reagiert man jetzt schon darauf und passt das Curriculum für die akademische Ausbildung entsprechend an. Dieser Trend wird sich dann schnell auch in der dualen Ausbildung sowie weiteren Ausbildungszweigen fortsetzen, und man wird die Anforderungen entsprechend adaptieren.
Können Sie konkrete Beispiele nennen, wo künstliche Intelligenz Ingenieure heute schon entlastet und künftig wahrscheinlich entlasten wird?
Zu einer Entlastung wird es sicherlich kommen, das ist auch jetzt schon der Fall. Denn KI-basierte Werkzeuge helfen uns in der Entwicklung, Optimierung und Planung in allen Bereichen der Elektrotechnik. Der Trend »weg vom Löten und Basteln zu mehr intellektuellem Planen, Verifizieren, Optimierung und Innovationen Schaffen« ist nicht über Nacht gekommen, sondern gelebter Alltag in der Elektrotechnik und täglich Brot für jeden Ingenieur, jede Ingenieurin.
Elon Musk und andere haben kürzlich eine Entwicklungspause bei moderner KI gefordert, weil Sicherheitssysteme fehlen. Inzwischen hat Musk selbst ein KI-Startup gegründet. Wie realistisch ist ein solches Moratorium und wäre es überhaupt kontrollierbar?
Vorweg muss man klarstellen, dass Herr Musk kein Ingenieur ist, und um solche Aussagen zu machen, benötigt man einen entsprechenden Hintergrund. Die Meinung vieler auf Aussagen von einer Person oder einer kleinen Personengruppe zu beschränken oder sich nach dieser zu richten finde ich hochgefährlich.
Ich bin davon überzeugt, dass man die Forschung zu KI-basierten Systemen nicht stoppen kann und dies auch nicht vernünftig wäre. Woher die Angst kommt, dass technische Systeme mehr in den Alltag des Menschen Einzug halten, kann ich als Ingenieur nicht sagen. Das ist mir fremd, und ich denke, dass wir alle von dem technischen Fortschritt an vielen Stellen des alltäglichen Lebens profitieren. Wieso sollte es bei den KI-basierten Hilfsmitteln anders sein?
Eine politische Überregulierung bzw. ein Moratorium, bei dem sich Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger von Personen wie Elon Musk beraten lassen, finde ich eher angsteinflößend. Ja, und selbstverständlich, wer sollte diese Auflagen kontrollieren bzw. diese Kontrolle bezahlen? Zumal ich denke, dass der Zug dahingehend abgefahren ist, wie man in Asien bereits sehen kann.
Wir sollten nicht wieder der Entwicklung im Ausland zuschauen, sondern uns zügig unser Alleinstellungsmerkmal in Deutschland und Europa suchen. Und das könnte das energieeffiziente, neuromorphe Computing für zukünftige KI-Systeme sein.
Welche Rolle spielt die Ethik von KI im Studium von Elektroingenieuren?
Bisher keine, doch auch dies ändert sich stark. In vielen technischen Forschungsverbundprogrammen wie z. B. im vom BMBF geförderten Zukunftscluster »NeuroSys« sind Ethik und Sozialwissenschaften Bestandteile der Forschungsarbeiten. Ja, auch die Elektrotechnik ist interdisziplinär.
Der Einsatz von KI-basierten Systemen für die Entscheidungsfindung wird zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bei den heutigen Standardsystemen wächst die Besorgnis über die potenziellen Auswirkungen auf die Menschenrechte in unserem sozialen Verhalten. Eine der Hauptsorgen ist die Möglichkeit einer Voreingenommenheit bzw. Meinungspolarisation durch KI-Systeme, die zu ungerechten oder diskriminierenden Ergebnissen für bestimmte Gruppen von Menschen führen kann.
Wenn ein KI-System beispielsweise auf Grundlage von ausgewählten Datensätzen trainiert oder mit voreingenommenen Algorithmen programmiert wurde, kann es Entscheidungen treffen, die bestimmte Gruppen aufgrund ihrer Rasse, ihres Geschlechts, ihres Alters oder anderer Merkmale unverhältnismäßig benachteiligt. Es kann schwierig sein zu verstehen, wie ein KI-System eine bestimmte Entscheidung trifft. Zudem ist es nicht einfach, jemanden für diese Ergebnisse der Entscheidungen verantwortlich zu machen. Um diese Bedenken auszuräumen, besteht ein wachsender Bedarf an der Entwicklung ethischer Rahmen und Leitlinien für den Einsatz von KI-basierten Systemen bei der Entscheidungsfindung.
Mit den ethischen Aspekten von KI einher geht die Sorge vor »menschenähnlicher« künstlicher Intelligenz, die uns überflügeln könnte. Wo stehen wir heute mit dem Stand der Technik, wo geht es hin?
Lassen wir doch die Kirche im Dorf. Haben Sie schon Roboter gesehen, die alle Pflegekräfte im Altenheim ersetzen? Nun, davon wurde doch bereits vor mehr als zehn Jahren gesprochen. Wir sind auf einem gesunden und guten Weg, in unserer Demokratie die Entwicklung und Adaption von KI-Systemen ins alltägliche Leben zu überführen. Der Stand der Technik ist so gut, dass man viele dieser Systeme im privaten und professionellen Kontext sehr leicht nutzen kann. Viele dieser Anwendungen und Werkzeuge erleichtern beispielsweise das Schreiben von Texten, die Übersetzung von Sprachen, die Interpretation von Sachverhalten etc.
Ja, es werden immer mehr Werkzeuge dazukommen und wir werden sie nutzen, da sie unser Leben erleichtern. Ja, es gibt Risiken. Sie sind sicherlich jetzt schon sichtbar und nicht einfach zu minimieren. Es bleibt spannend, denn die Entwicklung schreitet unglaublich schnell voran.
Welche Rolle spielt die Normung hinsichtlich eines KI-TÜV?
Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, der unbedingt in die Hand genommen werden muss. Jeder Code, der erstellt wird, läuft auf einer Plattform. Wenn man sich in diesem Feld platzieren möchte, so muss man politisch, aber auch inhaltlich ganz früh mitreden und gestalten. Das schafft Freiraum für neue Industrie, aber vor allem hat man an dieser Stelle die Möglichkeit, Risiken zu minimieren. »KI-TÜV« klingt eher negativ, doch die Standardisierung durch Gremien wie den VDE sind wichtige Schritte, die hoffentlich bereits konkret ausgearbeitet werden.
Wenn sich die europäische Industrie an Standards ausrichten muss, an deren Ausarbeitung sie nur wenig mitgewirkt hat, dann haben wir einen großen Nachteil. Daher muss man hier schnell handeln und durch fachliche Kompetenz Normungsgremien besetzen und diese prägen.
Daher haben wir in den entsprechenden Gremien in der Grundlagenforschungsförderung der DFG in der Elektrotechnik bereits von einigen Jahren darauf reagiert und die Fächerbezeichnung entsprechend angepasst. Die Verwaltungen sind langsam, werden diese aber hoffentlich bald umsetzen.
(Interview: Corinne Schindlbeck)