Künstliche Intelligenz im Studium

Chatbot als Prüfungs-Trainer? Uni Hohenheim startet Pilotprojekt 

4. April 2023, 13:35 Uhr | Corinne Schindlbeck
Eine ChatGPT-ähnliche Technik und Handhabung sollen den digitalen Tutor zum passgenauen Trainer für Prüfungen machen.
© Universität Hohenheim

Die Universität Hohenheim will Künstliche Intelligenz in der Lehre erforschen. Etwa als ChatGPT-ähnliche Sparringspartner für Prüfungen, mit Zugriff auf verifizierte Quellen. Die Uni startet das Projekt zu einem frühen Zeitpunkt, an dem nicht nur bildungspolitisch noch viele Fragen offen sind.  

Ein digitaler Lern-Buddy, der nie die Nerven verliert. Ein motivierender Tutor, der rund um die Uhr zur Verfügung steht. Ein wortgewandter Sparringspartner, der die Prüfungsinhalte sattelfest beherrscht. So beschreibt die Uni Hohenheim den »Pedagogical Educational Tutor« – kurz: PET –, der Studierenden hilft, wenn sie nicht mehr weiterwissen.

Der digitale Tutor ähnelt dem Textgenerator ChatGPT. Kommuniziert wird über Fragen und Antworten, genutzt wird Künstliche Intelligenz. Der Unterschied: »Bei unserem PET können Studierende sicher sein, dass die Antwort stimmt. Und sie bekommen gleich noch die Quelle der Aussage angegeben«, erklärt Medieninformatiker Andreas Reich, der den Tutor entwickelt hat.

Damit die Künstliche Intelligenz des Tutors wirklich weiß, wovon sie spricht, hat Reich sie bereits mit Vortragsfolien und Vorlesungsskripten der Universität Hohenheim trainiert. Als nächstes soll der Tutor auch noch Video-Aufzeichnungen und ausgewählte Fachliteratur auswerten.

Mittels Spracherkennung können Studierende bereits mündlich mit dem Chatbot kommunizieren: Fragen stellen, sich abfragen lassen und den Lernstand bewerten. So sollen sich Lücken identifizieren und dank Quellenhinweis gezielt schließen lassen, so die Uni. Das Ganze sei ein System zur Unterstützung der Lehre, wie Reich erklärt. Dozenten sollen damit nicht ersetzt, vielmehr ergänzt werden. 

Die Beta-Version seines Tutors will Reich bereits im Sommersemester testen. Parallel dazu experimentieren Professorinnen und Professoren der Universität Hohenheim, wie sich ChatGPT als bereits weit verbreitete Standardsoftware im Studium einsetzen lässt.

So zum Beispiel Prof. Dr. Henner Gimpel, Wirtschaftsinformatiker und Leiter des Fachgebietes Digitales Management. Er setzt demnächst ChatGPT in vier seiner Lehrveranstaltungen ein. »In allen Veranstaltungen geht es darum, die so genannte generative Künstliche Intelligenz (KI) kennenzulernen. ChatGPT ist ein prominentes Beispiel einer generativen KI, das erstaunlich gut darin ist, Texte zu verstehen und neue Texte zu generieren«, so Gimpel. Studierende werden beispielsweise darin angeleitet, ChatGPT – auf freiwilliger Basis – dafür einzusetzen, ein Thema einzugrenzen, einen Text zu strukturieren, zu entwerfen, zu redigieren und kurz zusammenzufassen.

Im Anschluss wird diese Erfahrung im Umgang mit ChatGPT dann gemeinsam im Hörsaal diskutiert. Vor allem auch mit Blick auf Risiken und Nebenwirkungen wie erfundene Quellen oder Plagiate, die dann in Hausarbeiten verwendet werden könnten. ChatGPT wird aber noch in weiteren Lehrveranstaltungen erprobt. Etwa um Software-Code zu schreiben und zu kommentieren. In Seminar- und Abschlussarbeiten entwickeln Studierende Anwendungen, die auf ChatGPT aufbauen und es in den betrieblichen oder universitären Einsatz bringen. In einem weiteren Seminar werden die ethischen und sozialen Rahmenbedingungen und Auswirkungen generativer KI untersucht.

Die Universität startet ihr Pilotprojekt zu einem frühen Zeitpunkt. Denn vieles ist noch ungeregelt. Die neuen KI-Systeme bescheren der Universität neben neuen Möglichkeiten auch enorme Herausforderungen, insbesondere was die künftige Prüfung und Bewertung von unbeaufsichtigten Haus- und Abschlussarbeiten betrifft. Dazu Prof. Dr. Korinna Huber, Prorektorin für Studium und Lehre der Universität Hohenheim: »Aktuell gibt es in Hohenheim eine sehr intensive Diskussion und auch mehrere Positionspapiere. Vor uns liegt nun die Notwendigkeit, einen offiziellen Standpunkt für die gesamte Universität zu formulieren. Lehrende und Studierende brauchen eine klare Antwort auf die Frage: Darf ich künftig noch eine Hausarbeit machen? Wenn ja, welche Regeln gelten und wie muss die Arbeit dann aufgebaut sein?«

Neue Technik erfordert Schulungen – und besseres Betreuungsverhältnis

Von einem Generalverbot hält Huber dabei wenig. „ChatGPT ist eigentlich nur ein weiterer aktueller Aufhänger für die Frage, wie wir mit neuen digitalen Hilfswerkzeugen umgehen. Datenschutzrechtliche Fragen müssen ebenso geklärt werden wie auch die Frage der Chancengleichheit für die Studierenden«. Bislang fehle auch eine bildungswissenschaftliche Begleitforschung. 

In Hohenheim sieht man derzeit vor allem zwei Tendenzen: mehr mündliche Prüfungen abzuhalten und noch mehr Aufwand in die wissenschaftliche Konzeption von schriftlichen Prüfungsarbeiten zu stecken. KI werfe dabei ethische und bildungspolitische Fragen auf. Dabei sieht Prof. Dr. Huber den Regelungsbedarf bei Prüfungen als die drängendste, aber nicht die einzige: »Das Thema ChatGPT hat vor allem auch eine ethische Komponente. Die Künstliche Intelligenz weiß nicht, was wahr und was falsch ist. Unsere Aufgabe als Universität ist eigentlich, den Studierenden genau das beizubringen – und die Fähigkeit, das Wahre auch zu beweisen.« 

Auch bildungspolitisch sei vieles ungeklärt: »Noch wissen wir gar nicht, was dieses neue Tool mit unseren Studierenden macht. Schon jetzt lesen viele keine Bücher mehr – bald schreiben sie immer weniger. An sich wäre mir lieber, wir würden erst einmal mehr über die Auswirkungen von Tools wie ChatGPT wissen, bevor wir über den Einsatz reden.« 

 


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