Es heißt immer, die Gründer-Hochburg sei Berlin?
Ist das so? Keine Ahnung. Und ist das wichtig? Man muss sich jede Geschäftsidee einzeln ansehen. Gerade hier in München gibt es rund um die vier Münchener Universitäten ein Umfeld für Gründer, das deutlich über dem Durchschnitt liegt. Hier gibt es mit dem Strascheg Center für Entrepreneurship, der UnternehmerTUM, dem LMU Entrepreneurship Center und anderen Einrichtungen die Netzwerke, die man braucht. Und Ähnliches gibt es auch in Aachen, Dresden oder Berlin.
Wo bekommt man heute Start-Kapital?
Business Angels spielen hier mittlerweile eine große Rolle, aber auch semi-öffentliche Mittel wie aus dem High-Tech-Gründerfonds und diversen Förderprogrammen. Bis zu 5 Mio. Startkapital für eine gute Idee zu bekommen ist noch relativ unproblematisch, schwieriger wird aber die Weiterfinanzierung. Hier kommt man an den Corporates VC kaum noch vorbei.
Unter welchen Umständen investieren Sie persönlich als Angel bzw. mit Wellington Partners?
Mein Ratschlag an Gründer? Der erste und wichtigste Punkt ist die Geschäftsidee, gebaut rund um originelle Intellectual Property. Sie sollte schwer zu kopieren sein, das gibt einen zeitlichen Vorsprung vor Nachahmern. Und es ist gut, wenn es schon formale Schutzrechte dazu gibt.
Der Finanzierungsbedarf sollte insgesamt nicht zu hoch sein, bis 5 Millionen klappt aber in der Regel im ersten Schritt. 5 bis 10 Millionen gibt es in einer zweiten Runde, damit sollte man es bis zum fertigen Produkt schaffen. Faustregel: Mit weniger als 15 bis 20 Mio. Euro zu echten Umsätzen mit echten Produkten. Diese zweite Tranche ist schon deutlich schwieriger zu bekommen, danach wird es fast unmöglich, falls es noch fundamentale Weiterentwicklungen braucht. 100 Mio. sollte bitte niemand bis zum ersten Produkt brauchen, der nicht sehr gute Beziehungen zu reichen Silicon Valley IT Konzernen hat!
Als Rohmarge sollten – Faustregel - über 50 Prozent angestrebt werden, das gelingt umso eher, je größer der Kundennutzen ist und je geringer die Austauschbarkeit. Das schaffen Sie in der Regel selten mit Oligopol-Kunden wie Samsung oder Apple.
Worauf legen Sie bei der Gründerpersönlichkeit Wert?
Eine gewisse “Leidensfähigkeit” ist unabdingbar. Es ist die meiste Zeit kein reiner Spaß, ein Startup zu führen.
Das gesamte Anforderungsprofil ist so komplex, dass viele durch das Raster fallen würden, ich übrigens auch: immer optimistisch sein, sich durchbeißen können, nicht verunsichern lassen und wieder aufstehen, zupacken können und selbstkritisch sein, bereit sein, sich Hilfe zu holen, mit maximal 20 Tagen Urlaub zufrieden sein.
Ich-bezogene Egomanen braucht es hingegen nicht. Daneben weiterhin nachts gut schlafen können, auch wenn es eng wird. Wer kann das schon von sich behaupten? Durch dieses enge Raster fallen viele. Ich selbst schlafe auch manchmal schlecht wegen meiner Investments!
Wellington Partners beschäftigt sogar eine eigene HR-Abteilung, die sich um die Gründerteams kümmert.
Stimmt, das Thema “Team” ist eines der wichtigsten. Es kann sein, dass es in unterschiedlichen Gründungsphasen unterschiedliche Teammitglieder braucht. Das kommt sogar häufiger vor.
Beispielsweise einen starken Vertriebsfokus, wenn der Prototyp fertig ist. Manchmal müssen dann ursprüngliche Gründer in die zweite Reihe treten. Das klappt meist ohne Drama, manchmal aber ist es eines. Solche schmerzhaften Prozesse macht keiner gerne durch, sie müssen aber zum Wohle des Unternehmens getan werden.
Wie beurteilen Sie den Investment-Fokus Industrie 4.0?
Im Bereich “Konnetivität in der Fabrik” gibt es etwa 20 Start-ups, die um die Pole Position kämpfen. Dabei geht es im Wesentlichen um lokale Daten, die zentral zur Verfügung gestellt werden sollen. In diesem Bereich sind zB. Corporate VCs von Bosch, Siemens und Festo aktiv.
Auf der nächsthöheren Ebene beginnt das, was ich “Industrielle AI” nenne und wo ich als Angel und auch mit Wellington Partners aktiv bin. Es geht darum, riesige Datenberge automatisiert auszuwerten. Wer in diesem Bereich unterwegs ist, dem öffnen sich viele Türen, Blanko-Schecks gibt es freilich auch nicht. Noch sind wir da im Experimentier-Stadium.
Das Interview führte Corinne Schindlbeck