Kapazität steigt um 50 Prozent

Wacker will Silizium-Umsatz verdoppeln

18. Juli 2025, 11:03 Uhr | Heinz Arnold
Nahmen die »Etching Line Next« von Wacker in Burghausen feierlich in Betrieb (v.l.n.r.): Werkleiter Peter von Zumbusch, Parlamentarische Staatssekretärin Bärbel Kofler (BMZ), Aufsichtsratsvorsitzender Peter-Alexander Wacker, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Christian Hartel, Vorstandsvorsitzender von Wacker, Parlamentarische Staatssekretärin Gitta Connemann (BMWE) und Polysilicon-Leiter Tobias Brandis.
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Wacker hat in Burghausen die Polysilizium-Produktion in höchster Halbleiterqualität aufgenommen – bis 2030 soll der Umsatz verdoppelt werden. Auch die Qualität und die Energieeffizienz steigen deutlich.

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Insgesamt sind 300 Mio. Euro in die »Etching Line Next« geflossen. Davon hat Wacker rund 200 Mio. Euro investiert, 100 Mio. Euro wurden über Förderungen finanziert. 50 Mio. Euro davon aus Bayern. 

Die neue Fertigungslinie am Produktionsstandort Burghausen liefert hochreines Halbleiter-Polysilicium für die Mikroelektronik.
Die neue Fertigungslinie am Produktionsstandort Burghausen liefert hochreines Halbleiter-Polysilizium für die Mikroelektronik.
© Wacker Chemie AG

Dass die neue Linie nach einer Rekordbauzeit von nur zwei Jahren jetzt bereits die Musterfertigung erfolgreich abschließen konnte, liegt an dem besonderen Know-how, das sich Wacker in Burghausen aufbauen konnte: Seit 70 Jahren wird hier Polysilizium für die Halbleiterindustrie gefertigt. Die Wafer-Hersteller, an die Wacker das Polysilizium liefert, akzeptieren auf 1000 Milliarden Siliziumatome nur ein einziges Fremdatom – Wacker spricht von »Parts per Trillion«. »Das entspricht einem Stück Würfelzucker im Walchensee. Etwas Reineres bekommen Sie auf der Welt nicht«, sagte Christian Hartel, CEO von Wacker, anlässlich der feierlichen Eröffnung der »Etching Line Next«. 

Blick in die Produktionsanlage der Etching Line Next. Mit Hilfe von Säuren werden die Polysiliziumstücke gereinigt, bevor sie an Halbleiterkunden in aller Welt ausgeliefert werden
Blick in die Produktionsanlage der Etching Line Next. Mit Hilfe von Säuren werden die Polysiliziumstücke gereinigt, bevor sie an Halbleiterkunden in aller Welt ausgeliefert werden.
© Wacker Chemie AG

Die Erfahrung die Wacker seit 1955 in Burghausen sammeln konnte, ist auch ein Grund dafür, dass das Unternehmen heute mit einem Marktanteil von 50 Prozent klarer Weltmarktführer ist: Jeder zweite weltweit produzierte Chip ist aus Silizium gemacht, das Wacker in Burghausen produziert. Deshalb ist sich Hartel sicher, dass er mit der Kapazitätssteigerung bei den Anwendern offene Türen einrennt – sie seien dringend auf diesen Rohstoff angewiesen, es gäbe nur eine Handvoll Hersteller weltweit – und keiner könnte so reines Polysilizium liefern wie Wacker. Der Bedarf sei groß, schon weil der Halbleitermarkt kräftig wächst, bis 2030 soll er die 1000-Mrd.-Dollar-Schwelle überspringen: »Mit der „Etching Line Next“ bauen wir unsere Position als globaler Qualitäts- und Technologieführer weiter aus. Bis 2030 wollen wir unseren Umsatz mit Halbleiterkunden gemessen am vergangenem Jahr verdoppeln.«

Eine Allianz-Arena vollgestopft mit komlexer Technik

Doch die Fertigung des begehrten Materials ist komplex: Um einen derartigen Reinheitsgrad zu erreichen, sind zahlreiche Prozessabschnitte erforderlich, einer der wichtigsten ist die Reinigung des Polysiliziums, das in der neuen »Etching Line Next« stattfindet. Untergebracht ist sie in einem neuen Gebäude, das die Grundfläche eines Fußballfeldes einnimmt und das Volumen der Allianz-Arena in München – allerdings angefüllt mit hochkomplexer Technik. 

Hochautomatisiert und klimafreundlich

Im Reinraum »Etching Line Next« werden die Ausgangsprodukte, Polysilizium-Bruchstücke, durch verschiedene Reinigungsbäder geführt, in denen Säuren die Verunreinigungen von ihren Oberflächen wegätzen. Hinter diesem einfachen Grundkonzept verbergen sich hochkomplexe Prozessschritte. Die neue Linie zeichnet sich dadurch aus, dass sie hochautomatisiert ist, was entscheidend zur hohen Qualität in der Fertigung beiträgt, aber auch zur Verdoppelung der Produktionskapazität – und das bei weit geringerem CO2-Ausstoß und Energieverbrauch im Vergleich zu den weltweiten Wettbewerbern. »Die Produktion im eigenen Land zu halten, ist also auch deshalb wichtig, um dem Klima einen Dienst zu erweisen«, sagte Gitta Connemann, Parlamentarische Staatssekretärin im BMWE. 

Außerdem müssen in der »Etching Line Next« unzählige Parameter aufeinander abgestimmt werden, so dass am Ende das hochreine Silizium an die Hersteller der Wafer ausgeliefert werden kann. Auf diesen Wafern wiederum fertigen die Chip-Hersteller die ICs der neusten Generationen, wie sie in Handys, Computern und im KI-Umfeld Einsatz finden. 

Pionier und Weltmarktführer

Dank der langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet der Polysilizium-Fertigung konnte Wacker die Musterphase bereits erfolgreich abschließen. »Ohne diese Erfahrung und unseren vielen exzellenten Mitarbeitern vor Ort hätten wir die „Etching Line Next“ nicht so schnell in Betrieb nehmen können«, freut sich Hartel. Das sei ein wesentlicher Grund dafür gewesen, dass Wacker nach wie vor in den Standort Burghausen in Bayern investiert. 

Darüber freut sich der zum Festakt angereiste bayerische Ministerpräsident Söder besonders: »Heute ist Burghausen die Hauptstadt von Deutschland, das ist nicht nur ein bayerisches, sondern ein nationales Ereignis!« 

Trotz aller Freude - Stromkosten bedrohen Existenz 

Christian Hartel sprach auf dem Festakt aber auch an, was ihm gerade Kopfzerbrechen bereitet: Für die Fertigung in Burghausen ist viel Strom erforderlich, deshalb zählt Wacker zu den größten Stromabnehmern in der Bundesrepublik. »Die Stromkosten in Deutschland liegen allerdings um den Faktor 10 höher als in den USA, die hohen Stromkosten hier sind für die chemische Industrie hierzulande existenzgefährdend, so Hartel. Es müsse schnell gehandelt werden. 

Söder antwortete darauf, dass die Regierung das Problem und die Forderungen der chemischen Industrie verstanden habe und entsprechende Maßnahmen bereits ergriffen habe: »Insgesamt sorgen wir mit der neuen Bundesregierung für einen Neustart der Wirtschaft: Wir senken die Energie- und Stromkosten und setzen uns für einen Energiestrompreis für energieintensive Unternehmen ein«

Und noch etwas macht Hartel Kopfzerbrechen: die EU-Bürokratie. Aber auch darauf hat Söder eine Antwort: »Es braucht eine schnelle Lösung beim weltweiten Zollstreit. Statt EU-Bürokratie muss dabei „quick und easy“ gelten. Auch das Lieferkettengesetz hält er für absurd: »Das müssen wir anders machen, nur mit einer starken Industrie werden wir auch künftig Erfolg und Wertschöpfung im Land halten!«

 


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