Gordon Moore ist tot

Moore´s Law lebt weiter

27. März 2023, 6:27 Uhr | Heinz Arnold
Der Halbleiterpionier und Intel-Mitgründer Gordon Moore ist am vergangenen Freitag im Alter von 94 Jahren verstorben.
© Intel

Bekannt geworden ist Gordon Moore durch sein berühmtes Gesetz: »Moore´s Law«. Kein Naturgesetz, aber eine sehr gute und griffige Vorhersage zum Weg der Halbleiterindustrie bis heute.

Griffig sollte auch ausfallen, was Gordon Moore im Jahr 1965, damals Director der R&D-Abteilung von Fairchild Semiconductor, in seinem berühmten Aufsatz in der »Electronics«-Ausgabe zu derem 35-jährigen Jubiläum schrieb: Denn damals war die Halbleitertechnik nur einem engen Zirkel von Fachleuten vertraut, die tief in der Technik steckten. Doch wie sollten Investoren überzeugt werden, Geld in hoffnungsfrohe Start-ups zu stecken? Zu einer Zeit, als nur wenige Transistoren auf einen »Integrierten Schaltkreis« gefertigt werden konnten, machte er die Beobachtung, dass sich ihre Zahl ungefähr alle 18 Monate verdoppelte: Reduziert sich die Strukturgröße, so bekommt der Hersteller den Rest praktisch geschenkt: schnellere Transistorschaltzeiten, geringere Stromaufnahme, kleinere ICs, von denen immer mehr auf einen Wafer passen und damit geringere Kosten. »All I was trying to do was get that message across, that by putting more and more stuff on a chip we were going to make all electronics cheaper«, sagte Moore in einem Interview im Jahr 2008.

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Moore´s Law – so hatte es Gordon Moore ursprünglich aufgezeichnet.
Moore´s Law – so hatte es Gordon Moore ursprünglich aufgezeichnet.
© Intel

Der Aufsatz schlug ein, seine Beobachtung wurde unter dem Namen »Moore´s Law« berühmt. Zur Popularität dürfte beigetragen haben, dass er weitere Visionen in den Artikel packte, etwa, dass die künftigen IC-Generationen den Computer zu einem persönlichen Gegenstand machen würden und autonomes Fahren möglich sein werde. Jetzt wusste die Investorengemeinschaft also worum es ging. In Halbleiter-Start-ups zu investieren, schien gut angelegtes Geld zu sein. Das kam nicht zuletzt Gordon Moore zupass, als er 1968 Intel mitgründete.

Selbst hatte er allerdings eher wenig Vertrauen, dass seiner Vorhersage eine lange Lebensdauer beschieden sein könne. Denn das würde bedeuten, dass in 50 Jahren Milliarden von Transistoren auf einem einzigen Chip integriert sein würden – Mitte der 60er Jahre, als Halbleiter noch auf 1- und 2-Zoll-Wafern in Werken gefertigt wurden, die angesichts der heutigen zweistelligen Milliarden-Dollar-Beträge kaum etwas kosteten, war das auch eine kühne Behauptung, zumal Moore´s Law nichts darüber aussagte, wie ein solcher Integrationsgrad jemals technisch möglich sein könnte.

Ganz nebenbei bemerkt, war Gordon Moore auch nicht der erste, dem ein solcher Zusammenhang aufgefallen war.  John von Neumann, dessen geniale Computer-Architektur noch heute den meisten Prozessoren und Controller – übrigens eine Erfindung von Intel (Ted Hoff) – zugrunde liegt, notierte schon 1955, dass sich die Kapazität der Computer seit 1945 jährlich fast verdoppelt habe – und er rechnete damit, dass dies auch so weiter ginge.

Die Halbleitertechnik löste dann die Welle aus, die unser aller Leben verändern sollte, wie zuvor nichts in der Geschichte der Menschheit: Eine Revolution.

Dass er zu den Revolutionären gehörte, die der neuen Technologie den Weg bereiteten, davon war Gordon Moore schon früh überzeugt: 1968 erklärte er angesichts der damaligen Protestbewegung auf den Straßen: »We do the real revolution, not the crowd in the street.« Damit lag er genauso richtig wie mit seinem Gesetz, von dem er einmal behauptet hatte, dass es sich um eine richtige Prognose gehandelt habe und er deshalb keine weiteren Prognosen wagen werde.  

Gordon Moore, der – wie viele Pioniere der Halbleitertechnik nicht Elektrotechnik, sondern Chemie in Berkeley studiert und 1954 in Chemie promoviert hatte, war von Anfang an dabei: William Shockley holte ihn 1956 in sein Unternehmen Shockley Semiconductor Laboratory, dem ersten Halbleiterunternehmen im Silicon Valley. Shockley war ein genialer Ingenieur, leider aber als Vorgesetzter nur schwer zu ertragen. Deshalb verließ Moore – damals Chef der Entwicklungsabteilung – zusammen mit sieben weiteren führenden Wissenschaftlern das Unternehmen, um 1957 die Halbleiterabteilung von Fairchild – Fairchild Semiconductor – zusammen mit sieben weiteren ehemaligen Shockley-Mitarbeitern – den legendären »verräterischen Acht« – zu gründen. Auch Robert Noyce war damals dabei, mit dem zusammen er Intel rund zehn Jahre später gründen sollte, zu einem Zeitpunkt, als Fairchild Semiconductor im Niedergang begriffen war. Ein Grund dafür: Fairchild – und auch Gordon Moore – unterschätzten das Potenzial der MOS-Technik und hielten zu lange an der Bipolartechnik fest.

Bei Intel war Gordon Moore nicht nur als Wissenschaftler und Ingenieur erfolgreich, sondern auch als Manager. Ab 1979 führte er Intel als CEO bis 1987, als Andy Grove sein Nachfolger wurde. Bis 1997 wirkte er als Chairman des Boards. Bis 2006 bekleidete er die Stellung des »Chairman emeritus« von Intel.

Während seiner Manager-Karriere verdiente er Geld, sogar viel Geld, blieb aber persönlich bescheiden und spendete einen großen Teil seines Vermögens. Dazu gründete er mit seiner Frau die Gordon und Betty More Foundation.

Am vergangenen Freitag ist Gordon Moore im Alter von 94 Jahren im Kreise seiner Familie auf Hawaii verstorben. Freunde, Weggefährten und Geschäftspartner erinnern aus diesem traurigen Anlass, an die vielen Verdienste Gordon Moore´s als Wissenschaftler, Manager und Philanthrop. »He was instrumental in revealing the power of transistors, and inspired technologists and entrepreneurs across the decades. We at Intel remain inspired by Moore’s Law and intend to pursue it until the periodic table is exhausted«, sagte Pat Gelsinger, heutiger CEO von Intel, anlässlich des Todes von Gordon Moore, ohne den Intel kaum denkbar gewesen wäre.  

Auch wenn Gordon Moore nun verstorben ist, sein Gesetz lebt weiter. Vielleicht nicht mehr ganz in der ursprünglichen Form, vielleicht werden sich nicht immer mehr Transistoren auf ein einziges Stück Silizium quetschen lassen, wie Gordon Moore es 1965 formuliert hatte, aber es gibt Advanced-Packaging-Techniken, Chiplets, optische ICs und vieles mehr: Höherer Integrationsgrad pro Volumen und niedrigere Kosten – das Rennen geht weiter, wie Gordon Moore es prophezeit hatte.


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