Der jetzt ausverhandelte Vergleich sieht einen Betrag von 800 Mio. Euro vor, den Infineon an die Qimonda-Insolvenzmasse bezahlt. Dies wird eine substantielle Quote für die Gläubiger ermöglichen.
Nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen ist es dem Qimonda Insolvenzverwalter Dr. Michael Jaffé und der Infineon Technologies AG gelungen, eine abschließende Einigung in Bezug auf die sogenannte Unterbilanz- und Differenzhaftungsklage zu finden, die seit dem Jahr 2010 beim Landgericht München I in erster Instanz anhängig war. Infineon und Qimonda haben dem Vergleich bereits zugestimmt. Jetzt fehlt nur noch die Zustimmung des Gerichts. Infineon hatte für den Rechtsstreit Rückstellungen gebildet, die nun in Anspruch genommen werden.
Qimonda war 2006 hatte Infineon die Speicher-IC-Sparte ausgegliedert. Im August 2006 folgte der Börsengang an die New York Stock Exchange. Das Unternehmen beschäftigte in Spitzenzeiten rund 13.500 Mitarbeiter weltweit und gehörte zu den umsatzstärksten Speicherchip-Herstellern der Welt. Im Januar 2009 musste die Qimonda Insolvenzantrag stellen, nachdem sie in den Vorjahren nicht profitabel am Markt bestehen konnte und auch nicht in der Lage war, staatliche Finanzierung zu erhalten.
Die Ausgliederung der Speicherchipsparte war im Jahr 2006 im Wege zweier Sacheinlagen in die Qimonda AG erfolgt. In der im Jahr 2010 vor dem Landgericht München I erhobenen Klage des Insolvenzverwalters Dr. Michael Jaffé hatte der Insolvenzverwalter geltend gemacht, dass das von Infineon ausgegliederte und eingebrachte Speichergeschäft nicht werthaltig war. Der Insolvenzverwalter hatte auf Erstattung der Differenz zu den Ausgabebeträgen der an Infineon im Zuge der Ausgliederung von Qimonda ausgegebenen Aktien geklagt (sogenannte Unterbilanz- und Differenzhaftungsklage).
Der vom Gericht bestellte Sachverständige legte im Januar 2024 ein Gutachten vor, das einen negativen Wert für die eingebrachten Geschäftsbereiche Inland und Ausland auswies. Gegen das Gutachten haben beide Parteien Einwendungen vorgebracht. Zudem hatte sich Infineon auf weitere Aspekte berufen, wie etwa, dass der Liquidationswert der eingebrachten Vermögenswerte die für die Sacheinlagen erforderlichen Werte erreichen würde. Dies war nicht Gegenstand des Gutachtens.
Nach Vorlage des Gutachtens führten die Parteien intensive Vergleichsgespräche. Der ausverhandelte Vergleich sieht nunmehr einen Vergleichsbetrag von 800 Mio. Euro vor. Der eigentliche Zahlbetrag ist etwas geringer, weil Infineon unter anderem für bereits festgestellte Tabellenforderungen eine Rangrücktrittserklärung abgibt, was einem Wert von rund 26,5 Mio. Euro entspricht und zugleich die Quote für die Gläubiger erhöht. Zudem sah der im Jahr 2014 abgeschlossene Teilvergleich einen bereits gezahlten Anrechnungsbetrag von 15 Mio. Euro vor, der jetzt zu berücksichtigen ist. Nach Abzug aller Positionen wird Infineon daher 753,5 Mio. Euro an die Insolvenzmasse der Qimonda AG zahlen.
Insgesamt hat Infineon dann einen Betrag von rund 1 Mrd. Euro an die Insolvenzmasse von Qimonda gezahlt. Bereits im Jahr 2014 war es gelungen, in einem Teilvergleich die übrigen Streitigkeiten zwischen Infineon und dem Insolvenzverwalter vergleichsweise zu lösen und sämtliche Patente von Qimonda an Infineon Technologies zu verkaufen. Infineon hatte damals bereits einen Betrag von insgesamt 260 Mio. Euro gezahlt.
Der Gläubigerausschuss von Qimonda sowie Vorstand und Aufsichtsrat von Infineon haben dem Vergleich bereits zugestimmt. Er wird kurzfristig umgesetzt, was dann auch einen Abschluss des Insolvenzverfahrens und eine substantielle Quote für die Gläubiger ermöglichen wird.
»Mit dem Vergleich konnte der letzte streitige Vorgang im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Qimonda AG gelöst werden. Damit kann nun mit den Vorbereitungen für einen Verfahrensabschluss begonnen werden, damit der große Erfolg dann auch den Gläubiger zugutekommt«, sagt Insolvenzverwalter Dr. Michael Jaffé.
Damit hat der Insolvenzverwalter Dr. Michael Jaffé in durchweg streitigen Auseinandersetzungen mit verschiedenen Parteien Erlöse über 1,2 Mrd. Euro für die Gläubiger realisiert. Dies stellt einen maßgeblichen Erfolg für die Gläubiger dar, mit dem bei Verfahrensbeginn nicht gerechnet werden konnte.
Die Qimonda AG verfügte als reine Holdinggesellschaft bei Antragstellung weder über substantielle liquide Mittel noch über Vermögensgegenstände, die man ohne Weiteres hätte verwerten können. So befanden sich nahezu alle Tochtergesellschaften selbst in Insolvenzverfahren. Daher hing der Erfolg des Insolvenzverfahrens maßgeblich davon ab, dass Ansprüche gegen Dritte durchgesetzt und zudem die im Patentportfolio verkörperten immateriellen Vermögenswerte bestmöglich verwertet werden können.
Das Patentportfolio der Qimonda AG umfasste damals tausende Patente und Patentanmeldungen weltweit. Die Schutzrechte betrafen Erfindungen mit Relevanz für die Halbleiter-, Computer- und Telekommunikationsindustrie, die jedoch größtenteils vor der Insolvenz an die großen Marktteilnehmer lizensiert worden waren. Über den Bestand der Lizenzen in der Insolvenz wurden dann zahlreiche Rechtsstreitigkeiten im In- und Ausland geführt. Insbesondere war streitig, welche Wirkungen das deutsche Insolvenzverfahren auf die Lizenzrechte an den US-Patenten der Qimonda AG hatte. Hier stellten sich die ehemaligen Lizenzinhaber, unter ihnen Samsung, Infineon, IBM, Hynix, Intel, Nanya und Micron, auf den Standpunkt, dass ihre Lizenzrechte trotz der Insolvenz fortbestehen.
Nachdem der US Bankruptcy Court in Alexandria im November 2009 zunächst zu Gunsten des Insolvenzverwalters entschieden hatte, musste der Streit bis hin zum Supreme Court der USA ausgetragen werden. Dieser hat dann in dem später noch vielfach zitierten Landmark-Case Jaffé v. Samsung Electronics Co. (135 S.Ct. 66) im Oktober 2014 in Bezug auf die US-Patente zu Gunsten der Lizenzinhaber entschieden.
Parallel dazu war eine Vermarktung des Patentportfolios über eine Lizensierungskampagne erfolgt, in deren Rahmen auch Patentrechtsstreitigkeiten geführt wurden. So konnten insgesamt Lizenzerlöse von rund 100 Mio. Euro realisiert werden. Das Patentportfolio wurde schließlich in einem internationalen Verkaufsprozess am Markt angeboten und an Infineon als bestem Bieter verkauft.
Weitere Erlöse konnten aus Anfechtungsstreitigkeiten generiert werden: So wurden insbesondere Transaktionen, die kurz vor Insolvenzantragstellung stattgefunden hatten, angefochten und auch hierzu Prozesse über mehrere Instanzen hinweg geführt, die zwischenzeitlich massedienlich verglichen werden konnten. Aus der Anfechtung konnten insgesamt Erlöse von rund 200 Mio. Euro realisiert werden.
Der Abschluss und die Umsetzung des Vergleichs mit der Infineon Technologies AG wird auch positive Auswirkungen auf die Gläubiger der insolventen Tochtergesellschaften haben, insbesondere auf die Qimonda Dresden GmbH & Co. oHG und die Qimonda Holding BV. Die dortigen Gläubiger profitieren, weil den benannten Gesellschaften erhebliche Forderungen gegenüber der Qimonda AG zustehen und sie entsprechende Quotenzahlungen erhalten werden, die sie an ihre Gläubiger weitergeben. Dies betrifft neben den Arbeitnehmern auch öffentliche Stellen in Deutschland und Portugal, die etwa vor der Insolvenz Fördergelder ausgereicht hatten. Ihre Forderungen werden voraussichtlich (nahezu) vollständig befriedigt werden können.