Plötzlich sind ICs interessant

Die »sogenannten Halbleiter«

22. März 2021, 11:45 Uhr | Ein Kommentar von Heinz Arnold
Diese seltsamen Chips - jetzt sind sie auch noch knapp.
© TSMC

Weil ICs knapp sind, müssen die Autohersteller ihre Bänder anhalten - jetzt werden Halbleiter für eine breitere Öffentlchkeit interessant. Aber was ist das bloß?

Als ich meine Arbeit in der Elektronikindustrie Anfang 1989 aufnahm, wusste kaum einer außerhalb der Branche, was ein IC ist. Und was ein Halbleiter ist, auch nur wenige. Wenn Vertreter der Industrie – so machte es damals die Runde – Politikern erklären wollten, was Halbleiter sind, blieb offenbar nur eines hängen: Eine Branche, die es trotz Jahrzehnte langer Entwicklung noch nicht zum Vollleiter gebracht habe, kann wohl nicht für ganz voll genommen werden.

In anderen Weltregionen war das anders. Die Halbleiterindustrie in den USA florierte, Japan wurde groß, Anfang der 90er kam es zum Chipkrieg zwischen den USA und der aufstrebenden japanischen Halbleiterindustrie, dann kamen Korea und Taiwan hinzu.

In Europa brach Ende der 90er Jahre eine gewissen Chip-Euphorie aus, man sah sich auf dem Weg, schon bald einen Anteil von 20 Prozent an der weltweiten Chipproduktion fertigen zu können. Dann platzte die Dotcom-Blase und alles war wieder dahin. Auch staatliche Programme zur Förderung der Halbeiterindustrie stießen immer wieder auf Misstrauen: Die Hersteller ziehen sowieso dorthin, wo es die meisten Subventionen gibt, danach sind sie schnell wieder weg. Siehe Schottland. Und für den Staat gebe es wohl keine teurere Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, als einen Halbleiterhersteller zu subventionieren. Da könnten mit weit weniger Geld in anderen Branchen mehr Arbeitsplätze entstehen.

Nun sieht es so aus, als ob die Politik auf europäischer Ebene und auf nationaler Ebene seit fünf Jahren die Bedeutung dieser Industrie wirklich erkannt hat: Ohne eigene ICs gehe die digitale Souveränität verloren. Es sind ernsthafte Projekte wie das gerade ausgelaufene IPCEI 1 und das neue IPCEI 2, einiges ist bereits geschehen.

Die derzeitige Knappheit, die die Bänder der deutschen Autohersteller stillstehen lässt, tut ein Übriges: Plötzlich darf in der Wirtschaftspresse über Chips geredet werden. Allenthalben wird darüber sinniert, wie wichtig die ICs sind, sie kommen ja sogar im Auto zum Einsatz!

Gerade berichtet ein großes deutsches Wochenmagazin darüber, dass Ford die Bänder wegen des Chipmangels in den Werken in Köln und Louisville anhalten muss. Der erste Satz des Artikels lautet: »Der explodierende Bedarf an sogenannten Halbeitern hat schwerwiegende Folgen für Ford.«

Tja, die sogenannten Halbleiter. Da herrscht in Deutschland wohl weiterhin Aufklärungsbedarf. Bei uns gelten die Halbleiter offenbar immer noch also so exotisch, dass zumindest „sogenannt“ davor platziert werden muss.  


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