Kommentar

Der westliche Vorsprung – ist er zu retten?

23. Mai 2024, 13:06 Uhr | Heinz Arnold
Heinz Arnold, stv. Chefredakteur Markt&Technik, HArnold@weka-fachmedien.de
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Weil die westliche Welt China von Chips und Maschinen für deren Fertigung abschneidet, wächst dort der Druck, alles selbst zu entwickeln und zu produzieren.

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So hatte Huawei eigene Chips unter anderem von TSMC fertigen lassen, was jetzt nicht mehr geht. Daraufhin hat Huawei auf SMIC gesetzt, die größte chinesische Foundry, um ihre High-End-Chips dort fertigen zu lassen. Das High-End kann SMIC zwar noch nicht herstellen, aber SMIC ist offenbar in der Lage, die Prozessoren vom Typ »Kirin9000« zu fertigen. Dabei handelt es sich um 7-nm-Chips der Huawei-Tochter HiSilicon. Sie arbeiten in »Mate60«-Smartphones von Huawei. Auch wenn nicht klar ist, in welchen Stückzahlen und zu welchem Preis sie gefertigt werden, so hat dies doch für Überraschung bei so manchen Experten gesorgt.

Ob es ein Zufall ist, dass Huawei jetzt ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Shanghai aufbaut, in dem nicht nur Equipment für die Halbleiterfertigung wie Lithografiegeräte entstehen sollen, sondern in dem HiSilicon auch an dem Design der neusten Chipgenerationen forscht? Immerhin knapp 1,7 Mrd. Dollar sollen in dieses Zentrum fließen, das doppelt so groß wie das existierende Design-Zentrum in Dongguan werden soll.

Insgesamt hat Huawei die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im vergangenen Jahr auf ein neues Rekordhoch getrieben und steckt nun fast ein Viertel des Umsatzes in diesen Bereich. Sicherlich mit dem Ziel, neue Lieferketten in China aufzubauen und so viel wie möglich aus dem eigenen Land zu beziehen.

Und wer entwickelt dort? Wie zu hören ist, hat es Konsequenzen, dass es für chinesische Staatsbürger immer schwieriger wird, in westlichen Ländern bei Unternehmen zu arbeiten, die Equipment für die Chipfertigung oder die Chips entwickeln. Das macht es Huawei und anderen chinesischen Unternehmen einfacher als bisher, langjährige, sehr erfahrene Mitarbeiter von führenden westlichen Herstellern abzuwerben, zumal die Bezahlung äußerst großzügig sein soll. Es dürfte für China also eine willkommene Auswirkung der westlichen Restriktionen sein, dass sich plötzlich ein Arbeitskräfte-Reservoir auftut, an das vor wenigen Jahren noch nicht zu denken war.

Auch die übrigen Folgen der Restriktionen bringen offenbar nicht das, was intendiert war. Huawei wächst wieder munter und mischt in wichtigen Branchen ganz vorne mit, von Chips – beispielsweise Automotive – über Smartphones bis in die Kommunikationsinfrastruktur, um nur einige Sektoren zu nennen. Druck macht eben innovativ.

Die USA reagieren damit, die Sanktionen zu verschärfen, um Schlupflöcher zu schließen. Ob das jedoch noch viel bewirken kann? Lässt sich damit der noch vorhandene westliche Vorsprung retten? Falls Sie Antworten haben, würde ich mich freuen, von Ihnen zu hören.


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