Validieren und Kalibrieren

Interne Zustände von Embedded-Systemen messen

29. Juli 2024, 6:00 Uhr | Von Joshua Summa
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Das Software-Oszilloskop es:scope

Sobald das Software-Oszilloskop es:scope eine Verbindung zu es:prot hergestellt hat, können die verfügbaren Messdaten in Echtzeit visualisiert, analysiert und ausgewählte Parameter gesetzt werden. Über das Terminal können zudem Befehle an das eingebettete System gesendet werden. es:scope ist in Qt [9] geschrieben, sodass es für die gängigen Betriebssysteme Windows, macOS und Linux verfügbar ist. Außerdem ist Hardwarebeschleunigung ein zentraler Ansatz, durch die die Visualisierung der Daten über eine Grafikkarte laufen kann.

Das Software-Oszilloskop es:scope ist in Tabs und Fenster aufgebaut:

  • Stream-Tab: Hier werden eingehende Signale den Plot-Fenstern zugeordnet, und neue Plot-Fenster können angelegt werden. Dieser Tab ist in Bild 3 gezeigt.
  • Commands-Tab: Über die Konsole werden Befehle eingegeben und Parameter über eine Eingabemaske direkt im laufenden Betrieb angepasst, siehe Bild 4.
  • Plot-Fenster: Das Plot-Fenster ist von Oszilloskopen inspiriert. Hier werden die Signale und deren Analysewerte visualisiert (Bild 5).

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Bilder 3 bis 5

es:saar
© es:saar
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Mit diesem Aufbau ist der Fokus auf Validierungs- und Kalibrierungsaufgaben gerichtet. In den Plot-Fenstern können relevante Signale in Echtzeit verfolgt werden. Ähnlich wie bei einem traditionellen Oszilloskop sind hierfür Signal-Trigger, Cursor-Messungen, einstellbare Zeitfenster und verschiedene Darstellungsparameter möglich. Mit einer Fourier-Transformation kann das Frequenzspektrum eines Signals verfolgt werden, und mit der XY-Darstellung kann der Arbeitspunkt zweier Größen ermittelt werden. Analysewerte bieten zusätzliche Informationen wie den Mittelwert des Signals.

Eine Aufzeichnung kann von es:scope oder, falls der Benutzer dies erlaubt, vom Embedded-System aus über es:prot gestartet oder gestoppt werden. Letzteres ermöglicht, dass die Aufzeichnung und Speicherung von Daten durch das Embedded-System gesteuert wird, sodass automatisierte Testverfahren implementiert oder explizit die Zeiten untersucht werden können, in denen das Embedded-System eine Anomalie aufweist. Aufgenommene Daten können im tabellarischen .xlsx-, .csv- oder im proprietären .mat-Format von Matlab exportiert werden.

Für Kalibrierungsaufgaben steht die asynchrone Kommunikation vom Computer zum Embedded-System im Zentrum. Mit textbasierten Befehlen können im laufenden Betrieb die Betriebsmodi gewechselt und auf dem Controller ausgewählte Parameter neu gesetzt werden. Da in es:prot die Plot-Fenster-Konfigurationen der Signale voreingestellt werden können, ist eine Plug-and-play-Anwendung möglich: Ein Embedded-System wird hierfür mit es:scope auf einem Computer verbunden, und die Visualisierung für einen Abgleich kann starten. Damit werden die durch es:prot zugänglich gemachten Messwerte durch es:scope visualisiert, analysiert und Parameter der Kalibrierung beschreibbar. Die Software kann so in der Entwicklung, Qualitätssicherung und Wartung für die Messdatenhandhabe eingesetzt werden.

Im nächsten Abschnitt werden Anwendungsbeispiele genannt, bei denen diese Software für Kalibrierung und Validierung eingesetzt wurde.

Beispiele aus der Anwendung

Das Software-Oszilloskop es:scope wurde ursprünglich für Probleme in der Antriebstechnik entwickelt. Nachfolgend werden drei Anwendungsbeispiele vorgestellt, die den Einsatz der Software demonstrieren.

1. Optimierung einer Motor Control Unit (MCU)

In dieser Anwendung wurde eine MCU implementiert und mithilfe von es:scope optimiert. Dazu wurden die Parameter eines Reglers feinabgestimmt. Die Motorregelung wurde vorab auf Basis eines physikalischen Modells simuliert.

  • Konfiguration: Referenzwerte in Strom, Position und Geschwindigkeit sowie die tatsächlichen Messwerte wurden für die Visualisierung ausgewählt und die Reglerparameter wurden für ein Stellen durch es:scope verfügbar gemacht.
  • Tuning der Parameter: Während die Konvergenz und Stabilität eines Reglers beobachtet wurde, konnten Reglerparameter gesetzt werden und die Auswirkungen der jeweiligen Anpassung sofort untersucht werden.
  • FFT-Analyse: Die FFT-Analyse der Motorströme wurde genutzt, um harmonische Anteile zu identifizieren.
  • Debugging: es:scope diente anschließend auch als Debugging-Tool bei der Konfiguration eines digitalen Filters.

2. Charakterisierung eines Elektromotors

es:saar
Bild 6. Für die Charakterisierung eines Motors kommuniziert das Software-Oszilloskop es:scope mit der Prüfstandselektronik und der Motorsteuerung des zu prüfenden Motors.
© es:saar

In einem weiteren Projekt [10] wurde ein Elektromotor charakterisiert. Sowohl die Prüfstandselektronik als auch die Motor Control Unit (MCU) des zu charakterisierenden Motors verwendeten die es:prot-Middleware und kommunizierten über Ethernet (UDP) und USB mit einem Computer, der es:scope ausführte. Dies ist schematisch in Bild 6 gezeigt.

  • Befehle und Automatisierung: Während der Messkampagne konnten über es:scope Befehle an die Prüfstandselektronik und die MCU gesendet werden, um das Verhalten des Prüfstandes und des Motors zu beeinflussen und verschiedene Testszenarien durchzuspielen.
  • Aufzeichnung: Die Aufzeichnung ermöglichte die Charakterisierung des Motors in einer längeren Messkampagne. Die Aufnahme wurde zu den Messzeiten automatisch von es:prot gestartet.
  • Auswertung: Die aufgezeichneten Daten wurden exportiert und in Matlab ausgewertet, um eine Geschwindigkeits-Drehmoment-Kennlinie und den Wirkungsgrad des Motors zu bestimmen.

3. Kalibrierung kapazitiver Sensoren

Im letzten Beispiel wurde eine Auswerteelektronik für kapazitive Sensoren kalibriert.

  • Visualisierung: Die Signalreaktion bei Betätigung der Sensoren wurde in Echtzeit verfolgt und aufgenommen.
  • Analyse und Kalibrierung: Die aufgenommenen Signale wurden in Matlab analysiert, um das Kriechen der Sensoren im implementierten Modell zu berücksichtigen.
  • Kalibrierung: Kalibrierparameter wurden gesetzt, um die Genauigkeit der gemessenen Werte zu optimieren.
  • Validierung: Das Systemverhalten wurde abschließend mit es:scope validiert, aufgezeichnet und dokumentiert.

Neben diesen eigenen Anwendungen wird es:scope auch bereits überregional in KMUs, Konzernen und Forschungsstandorten angewandt und getestet. Die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten und die präzise Datenhandhabung machen es:scope zu einem effektiven Werkzeug in der Entwicklung, Qualitätssicherung und Wartung.

 

Der Autor

 

Summa Joshua
Joshua Summa, Geschäftsführer und Mitgründer von es:saar
© es:saar

Joshua Summa

ist Master of Science in Systems Engineering. Er ist Geschäftsführer und Mitgründer des 2022 in Saarbrücken gegründeten Unternehmens es:saar, mit dem Ziel, die Entwicklung von Embedded Systems zu unterstützen.

joshua.summa@essaar.de


  1. Interne Zustände von Embedded-Systemen messen
  2. Das Software-Oszilloskop es:scope
  3. Literatur

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