Fachkräftemangel in der Fertigung

»Eigenschaften eines US-Marines«

26. Oktober 2017, 11:30 Uhr | Karin Zühlke
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Das Heft selbst in die Hand nehmen

Wie also kann der EMS bzw. Elektronik-Dienstleister dieser Herausforderung begegnen? Einige Diskussionsteilnehmer sehen die Versäumnisse auf politischer Ebene: »Der Fehler liegt schon im System, da man in Deutschland die Studentenquoten erhöhen wollte und „vergessen“ hat, dass man mit dem Ausbildungssystem hierzulande etwas sehr Wertvolles geschaffen hat.« Dessen sei sich die Gesellschaft in Deutschland wohl gar nicht bewusst, meint Schmitt: »Wenn man den jungen Leuten 20 Jahre lang sagt, sie sollen studieren, weil sie sonst nicht anerkannt sind, dann darf man sich über die heutige Situation nicht wundern.« In Deutschland wird vor allem in Großstädten von vielen Eltern die höhere Schullaufbahn ihrer Kinder mit anschließendem Studium forciert. »In der Schweiz hingegen ist die Abiturientenquote niedriger als in Deutschland und Handwerksberufe genießen eine gute Reputation«, erklärt Schmitt. »Die Attraktivität für Azubis zu schaffen, muss regional geschehen«, ergänzt Michael Velmeden, Geschäftsführer von cms electronics. Der mittelständische EMS hat seinen Hauptsitz im österreichischen Klagenfurt und arbeitet zur Ausbildungsförderung regional mit dem Elektronikverband Österreich zusammen, und das funktioniert laut Velmeden sehr gut.

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Johann Weber, Zollner Elektronik: »Wir müssen heute einen höheren Aufwand betreiben, um Lehrlinge zu bekommen als früher.«
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Die EMS-Firmen sind also in jeder Region gut beraten, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. »Wir müssen an der Marke arbeiten und haben in dieser Hinsicht auch schon viel erreicht«, unterstreicht Rüdiger Stahl, Geschäftsführer von TQ. »Ich denke, wir können auch sehr attraktive Arbeitsplätze anbieten, gerade durch die Vielfalt. Wer Herausforderungen liebt, findet sie bei uns. Es gibt sehr viele Möglichkeiten in der Entwicklung und in der Produktion.« TQ sieht sich schon von jeher in einer starken Wettbewerbssituation um die besten Talente. Das Unternehmen ist in einem gut situierten Landkreis westlich von München angesiedelt, wo nahezu Vollbeschäftigung herrscht. »Daher mussten wir uns schon sehr früh Gedanken machen, wie wir uns als Arbeitgeber in der Öffentlichkeit positionieren«, erklärt Stahl. Das Interesse der Jugend für einen Ausbildungsplatz bei der TQ Group  zu wecken, gelingt zum Beispiel über das Engagement beim Girls Day oder einem Tag der offenen Tür.  Auch die Zusammenarbeit mit Hochschulen über Bachelor- und Master-Arbeiten und das duale Studium zählen zum Maßnahmenkatalog von TQ. Und dafür, dass die Mitarbeiter gerne bleiben, soll ein gutes Betriebsklima nebst Weiterbildung und Karrierechancen sorgen.

Mit circa 40 Lehrlingen unter anderem in den Disziplinen Mechatronik, Mikrotechnologie, Logistik ist auch Turck duotec gut dabei. »Wir müssen in der Jugend das Interesse an Elek­tronik wecken. Wir bieten viele Möglichkeiten, Praktika bei uns durchzuführen, und dadurch erfolgt auch eine Bindung an unser Unternehmen«, schildert Arthur Rönisch, Geschäftsführer von Turck duotec. Die Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen funktioniere gut, die Kooperation mit den Schulen könnte seiner Ansicht nach aber besser laufen: »Da fehlt oft noch das Interesse – und das nicht nur bei den Schülern.« Schulen bzw. Lehrer haben oft falsche Vorstellungen von einer Fertigung, bestätigen auch andere Diskussions-Teilnehmer. Hier gibt es noch sehr viel Informationsbedarf. Dabei zieht Turck duotec als Sponsor von Erzgebirge Aue auch die „Fußballkarte“, um bei jungen Leuten gut anzukommen. Dieses Ziel verfolgt auch bebro und setzt dabei verstärkt auf die sozialen Medien, um potenzielle Mitarbeiter für die Fertigung zu adressieren. »Das funktioniert sehr gut«, bestätigt Faber.

Von der Wunschvorstellung, dass der Azubi die benötigten Fertigkeiten 1:1 in der Berufsschule lernt, müssen sich Fertigungsbetriebe sowieso verabschieden. »Jedes Unternehmen muss intern selbst weiterbilden«, betont Weber. So bietet Zollner beispielsweise an jedem Standort wichtige IPC-Schulungen an. Weber: »Denn es reicht heute nicht mehr, einen Maschinenbediener zu haben, sondern wir brauchen Prozessexperten.«

Die Aus- und Weiterbildung im Haus will Gerd Ohl, Geschäftsführer von Limtronik, nicht nur den Großen überlassen. »Auch als kleiner EMS gönnen wir uns eine eigene Ausbildung.« – Und das mit besten Ergebnissen, kommen doch ein Bundessieger, einige Landessieger sowie Kammerbeste aus der Limtronik-Ausbildungsschmiede. »Das sind die Mitarbeiter, mit denen wir nachhaltig Wachstum generieren können«, freut sich Ohl. 

»Das Know-how eines langjährigen
Mitarbeiters ist unersetzlich«

Doch nicht nur Personalmangel und -Fluktuation stellt Firmen vor neue Aufgaben, auch der Generationenwechsel bringt Herausforderungen mit sich, wie Albrecht Faber am Beispiel seiner Firma bebro erläutert: »Wir sind jetzt 47 Jahre am Markt und werden daher verstärkt damit konfrontiert, dass verdiente langjährige Mitarbeiter in den Ruhestand gehen.« Wie lassen sich solche Lücken schließen? Bei bebro werden Positionen teilweise einige Zeit doppelt besetzt, um den Know-how-Transfer zwischen „Veteran“ und „Newcomer“ sicherzustellen. »Das Know-how eines Mitarbeiters, der 35 Jahre bei uns gearbeitet hat, ist unersetzlich«, sagt Faber und spricht damit wohl vielen Firmenchefs aus der Seele.


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