Wie Störungen innerhalb von Verbindungslösungen nahezu eliminiert werden können, hat Lapp im Rahmen des Forschungsprojekts »PEPA« des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz unter Beweis gestellt. Neben Lapp waren auch SEW-Eurodrive, Block, Danfoss, Magnetec und die Technische Universität Darmstadt beteiligt. Der Hintergrund des Projekts besteht darin, dass es in Industrieanlagen, in denen Frequenzumrichter-gesteuerte Motoren eingesetzt werden, vermehrt zu unerwünschten Strömen auf den Potenzialausgleichsleitungen (PA) oder Schutzerdleitungen (PE) kommt. Durch die getaktete Ansteuerung (Pulsweiten-Modulation) werden Störströme im Bereich von rund 3 kHz bis 500 kHz angeregt, welche über Gehäuseteile, PA-/PE-Leiter/-Netze und im schlimmsten Fall über die Schirmung von Datenleitungen in Richtung Erdpotenzial beziehungsweise zur Quelle abfließen.
»Hochfrequente Ausgleichströme mit einer Amplitude von 10 A oder mehr sind hierbei keine Seltenheit«, erklärt Stefan Hilsenbeck, Senior Engineer Advanced Technology von Lapp. Die Folgen sind unzulässig hohe Ströme auf der Schutzerde und dadurch vermeintlich fehlerhaft auslösende FI-Schutzschalter (RCD) oder Beeinträchtigungen der Datenkommunikation, wenn beispielsweise die Ausgleichsströme über den Kupferschirm einer Datenleitung fließen. »Diese Fehler sind schwer zu finden, da sie keiner Systematik folgen«, so Hilsenbeck weiter.
Basierend auf den Untersuchungen des Forschungsprojekts hatte sich Lapp dann zum Ziel gesetzt, die physikalischen Kopplungsmechanismen innerhalb von Motoranschlussleitungen zu untersuchen und daraus eine neuartige Kabelkonstruktion abzuleiten.
Leitung mit 100 % elektromagnetischer Symmetrie
Als Ergebnis hat Lapp auf der Messe SPS in Nürnberg seinen Kunden erstmalig ein neuartiges Kabeldesign präsentiert, das 100 Prozent elektromagnetische Symmetrie verspricht. Dieses basiert auf einem neuartigen Aufbau mit veränderter Verseiltechnik: »Die drei Phasenleiter sind symmetrisch angeordnet und in einer Innenlage verseilt. Ergänzend wird mindestens ein Schutzleiter in einer Außenlage mit entgegengesetzter Verseilschlagrichtung um die drei Phasenleiter in einem bestimmten Schlaglängenverhältnis verseilt«, erklärt Stefan Hilsenbeck den wesentlichen Unterschied zu bisherigen Leitungen. »Durch die neue Konstruktion des Kabels lässt sich eine perfekte elektrische Symmetrie erreichen, welche die magnetische Abstrahlung reduziert und die internen Kopplungen stark verringert«.
Die EMV-optimierte Kabelkonstruktion ist leicht umsetzbar und bietet großen Schutz vor EMV-bedingten Störströmen. Gleichzeitig stellt die neue Leitung, mit der Lapp neue Maßstäbe in puncto EMV setzen will, den bisherigen Status-quo in der Kabeltechnik auf den Prüfstand: Bisherige Konstruktionen waren eher auf geringe Außendurchmesser und eine optische Symmetrie getrimmt. Das Problem EMV wurde bis dato immer durch die Schirmung gelöst. Mit der sogenannten »zeroCM«-Technologie folgt man nun einem anderen Prinzip: Die neue Leitung ist vom visuellen Erscheinungsbild unsymmetrisch, bietet allerdings elektromagnetische Symmetrie und kommt dadurch sogar mit weniger Schirmung aus!
Die Wirksamkeit der neuartigen Leitung wurde im Rahmen des PEPA-Projekts auch beim Versuchsaufbau bei dem Projektpartner SEW-Eurodrive bestätigt. Neben der Untersuchung einer EMV-optimierten Installation von Komponenten wurde unter anderem die Rolle der Ausgangsleitung bewertet. Zum Vergleich wurden ein identischer Versuchsaufbau mit einem Antriebssystem mit Potenzialausgleich sowie paralleler Signalleitung (ProfiNet) gewählt. Verglichen wurden eine geschirmte PVC-isolierte Standardleitung, eine niederkapazitive Servoleitung, eine symmetrische Motorleitung mit drei Schutzleitern sowie die neuartige zeroCM-Leitung mit optimiertem Aufbau.
»Die besten Werte hinsichtlich Ableitstrom am Umrichter-Ausgang wurden durch den kapazitätsarmen Aufbau der zeroCM-Leitung erreicht«, sagt Stefan Hilsenbeck. »Die generierten Ableitströme stellen eine zusätzliche Belastung für den Frequenzumrichter und alle beteiligten Komponenten dar und sollten daher so gering wie möglich gehalten werden. Weiterhin wurde der über eine parallel liegende Signalleitung fließende Störstrom untersucht: Auch hier begünstigt der Einsatz der zeroCM-Leitung die Ausprägung von möglichst geringen Störströmen. Aus den Untersuchungen bei SEW ergaben sich darüber hinaus klare Empfehlungen für die EMV-optimale Installation von Frequenzumrichtern, wie beispielsweise ein niederimpedanter, HF-tauglicher und ein durchgängiger Potenzialausgleich zwischen Frequenzumrichter und Antrieb.« Eine wesentliche Bedeutung kommt hierbei auch dem Schirmanschluss mit EMV-gerechten Steckern oder flächiger Schirmauflage zu.
Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die zeroCM-Technologie zwar nicht die Ursache von EMV-Störungen beseitigt, sie adressiert jedoch genau eine der signifikanten Stellen, an der Störungen in das Systemumfeld eingebracht werden. Einerseits ermöglicht der neuartige Kabelaufbau um bis zu 80 Prozent reduzierte Ausgleichsströme am Frequenzumrichter-Ausgang und auf parallelen Pfaden wie beispielsweise Datenleitungen. Andererseits sorgen reduzierte Kabel-Umladeströme (Cable-charging Current) für verringerte Last am und im Umrichter selbst: So können beispielsweise längere Kabellängen verlegt werden, ohne dass der Frequenzumrichter außerhalb seiner (EMV-)Spezifikation betrieben wird. Zudem unterbindet die zeroCM-Technologie das Entstehen von Spannungspegeln auf dem Masse-/Erdpotenzial (Ground-Voltage) auf der Verbraucherseite. Dies ist besonders wichtig, wenn beispielsweise empfindliche Sensorik wie Analoggeber zum Einsatz kommen.
»Unser Ziel ist es, ein Leitungsportfolio mit der zeroCM-Technologie auszustatten; als nächstes sind Hybridleitungen in unserem Fokus«, kündigt Stefan Hilsenbeck an. Hybridleitungen bzw. One-Cable-Solutions umfassen neben den Leistungsadern auch Daten-, Resolver-, oder Steueraderpaare, welche bisher aufwendig von den Leistungsadern abgeschirmt wurden. Durch die »zeroCM«-Technologie soll sich eine völlig neue Freiheit der Anordnung der Konstruktionselemente ergeben, wodurch sich der Materialeinsatz senken und die Performance weiter steigern lässt.