Aldo Kamper, CEO von Leoni, hat im Zuge der Bilanzpressekonferenz eindrücklich über die aktuelle Situation in den beiden Leoni-Werken in der Ukraine gesprochen, in denen ein Großteil der 7000 Mitarbeiter die Arbeit wieder aufgenommen hat.
Die Geschäftszahlen 2021 zeigen vor allem eines, dass Leoni dank des durchgeführten Sanierungsprogramms wieder zurück auf Kurs ist. Gegenüber dem Vorjahr konnte das Nürnberger Unternehmen den Konzernumsatz um fast ein Viertel steigern – auf rund 5,1 Mrd. Euro. Das Konzern-EBIT vor Sondereffekten sowie vor VALUE 21-Kosten belief sich auf 172 Mio. Euro (Vorjahr: -59 Mio.), gestützt unter anderem auf das Umsatzwachstum und positive Effekte aus dem Performance- und Strategieprogramm.
»Leoni stands with Ukraine«
Und doch scheint dieses Ergebnis fast nebensächlich, aufgrund des Angriffskriegs auf die Ukraine. Man sei in Gedanken bei allen Ukrainerinnen und Ukrainern, nicht zuletzt den rund 7.000 Beschäftigten der beiden Leoni-Standorte in Stryi und Kolomyja.
»Es ist beeindruckend und bewegend zugleich, wie entschlossen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, sich nicht unterkriegen zu lassen. Zu spüren, wie sie für ihr Land und ihre Art zu leben einstehen. Ihre Sicherheit, ihre Leben haben für uns absolute Priorität«, betont der Vorstandsvorsitzende von Leoni, Aldo Kamper.
Auf einer Fläche von rund 70.000 qm produziert Leoni in der Westukraine vorwiegend Kabelsätze für die Automobilindustrie. Nach vorübergehendem Produktionsstopp hat das Unternehmen seine Fertigung wieder hochgefahren, nach sorgfältiger...
Absprache mit den Behören und unter strengsten Sicherheitsbedingungen »sowie auf ausdrücklichen Wunsch unserer Mitarbeiter«, wie Kamper betont.
Ca. 60 bis 70 Prozent der Normalkapazität in der Ukraine
Anfangs hatte man nur während des Tages die Fabrik für die Mitarbeiter geöffnet; seit Beginn der Woche fertigt Leoni wieder im Zweischichtbetrieb. Das bedeutet, dass der Kabelhersteller in der Ukraine aktuell rund 60 bis 70 Prozent der sonst üblichen Fertigungskapazität erreicht – trotz schwierigster Bedingungen wie immer wieder Luftalarm. Von den 7000 Angestellten – zwei Drittel davon Frauen – seien die allermeisten noch da. Das Arbeitsverhältnis laufe auf freiwilliger Basis weiter. Wer nicht arbeiten kann oder will, bekomme sein Gehalt auch weiterhin bezahlt. »Meine tiefe Hochachtung gilt den Mitarbeitern. Sie senden das für sie wichtige Signal, dass die Ukraine eine Zukunft hat – auch als zuverlässiger Fertigungsstandort«, sagt Kamper. Die Lieferwege in und aus der Westukraine – wichtig für die „Just in Time“-Lieferung von Kabelbäumen – funktionieren weiterhin.
OEMs bekennen sich zum ukrainischen Standort
Leoni produziert in der Ukraine rund 10 Prozent der Kapazität, die der Kabelhersteller für europäische Kunden benötigt. Somit kommt den beiden Produktionswerken in der Ukraine eine große Bedeutung bei der Belieferung von Automobilkunden zu – und das soll auch in Zukunft so bleiben. Auch wenn sich Ausfälle und Verzögerungen aktuell nicht vermeiden lassen, »so bekennen sich auch die OEMs klar zum ukrainischen Standort. Das ist ein ebenso starkes Signal von unseren Kunden«, erklärt der Leoni-CEO.
Der Nürnberger Kabelhersteller ist eines von ca. 20 ausländischen Unternehmen, das wichtige Komponenten für die Automobilindustrie in der Ukraine produziert – rund die Hälfte davon fokussiert sich auf das Bordnetz.
Ausfälle an anderen Standorten kompensieren
Neben den großen Bemühungen, die Produktion in der Ukraine bestmöglich aufrechtzuerhalten, arbeitet Leoni mit Hochdruck daran, die Fertigungsmöglichkeiten an anderen Standorten zu erweitern sowie Teile der ukrainischen Produktion zu duplizieren, um Ausfälle abzufangen und die Leoni-Mitarbeiter im Kriegsgebiet zu unterstützen. »Allerdings«, so Kamper, »ist das vor allem bei den großen Kabelbäumen nicht trivial. Die Duplizierung der Produktion ist hier keine Aufgabe von Wochen, eher von Monaten«. Aufgrund des hohen Grads an Individualisierung der Kabelbäume ist die Fertigung ein hochkomplexer Prozess, bei dem viele Schritte manuell, also in Handarbeit ausgeführt werden. Dazu sind eingespielte Abläufe und vor allem geschultes Fachpersonal unabdingbar.
Eine mehrmals verstärkte Taskforce bei Leoni arbeitet nahezu rund um die Uhr daran, die dynamische Entwicklung in der Ukraine neu zu analysieren und zu bewerten. Gleichzeitig prüft das Unternehmen alle Optionen, um Fertigungsausfälle auszugleichen, z.B. durch zusätzliche Produktionen in den Leoni-Werken in Rumänien und Serbien sowie Marokko und Tunesien.
Angepasste Prognose für 2022
Wegen des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen hat Leoni am 14. März 2022 seine Prognose für das Geschäftsjahr 2022 angepasst. Im Vergleich zur bisherigen Prognose (Umsatz bei leicht über 5 Mrd. Euro, EBIT vor Sondereffekten im mittleren zweistelligen Mio.-Euro-Bereich und Free Cashflow im niedrigen positiven dreistelligen Mio.-Euro-Bereich) erwartet das Unternehmen nun einen niedrigeren Umsatz, ein niedrigeres EBIT vor Sondereffekten und einen niedrigeren Free Cashflow. Eine verlässliche Quantifizierung der direkten und indirekten Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf das Geschäftsjahr 2022 ist aufgrund hoher Unsicherheit zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich und die Prognosefähigkeit wesentlich beeinträchtigt.
Für das laufende Geschäftsjahr wurde für die Produktion der beiden Werke in der Ukraine bisher ein Umsatz von zusammen unter 300 Mio. Euro geplant. Für die russischen Aktivitäten des Leoni-Konzerns wurde ein Umsatz von unter 100 Mio. Euro einkalkuliert.