Zukunftsfähige Datenkommunikation

Wird Single Pair Ethernet zur sicheren Investition?

9. Dezember 2025, 8:00 Uhr | Corinna Puhlmann-Hespen
© AsimAli/stock.adobe.com

Single Pair Ethernet (SPE) entwickelt sich zunehmend zum gemeinsamen technologischen Nenner unterschiedlicher Industriezweige. Immer mehr Unternehmen steigen ein, evaluieren, testen und setzen um – ein Trend, der sich zuletzt deutlich auf der SPS in Nürnberg zeigte.

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Die Anbieter von SPE-Komponenten und -Systemen betonen in diesem Zusammenhang, dass SPE-Projekte nicht groß und risikoreich starten müssen. Entscheidend sei vielmehr, jetzt den Einstieg nicht zu verpassen und gezielt zu erproben, welche konkreten Vorteile sich für das eigene Geschäftsmodell eröffnen.

»Die Einigung auf ein einheitliches Steckgesicht wird im nächsten Jahr, wenn die ersten Produkte gemäß IEC 63171-7 ED 2 zur Verfügung stehen, einen enormen Marktschub auslösen«, betont Simon Seereiner, Vorstandsvorsitzender der SPE System Alliance. Der Standard definiert verschiedene Steckverbinder – darunter Feldvarianten (M8, M12, Hybrid) sowie IP20-Geräteschnittstellen – und ebnet mit seiner Verabschiedung voraussichtlich ab Mai/Juni 2026 den Weg für einen breiten Rollout von SPE. Der adressierte Markt ist groß: von der Industrieautomatisierung über das Transportwesen und die Agrartechnologie bis hin zur Medizintechnik und Gebäudeautomation. Das verbindende Element ist die Ethernet-basierte Kommunikation als Grundlage für vernetzte Geräte und Systeme – mit folgenden Eckpfeilern:

  • Schlank: Zwei Adern statt vier oder acht reduzieren Bauraum, Gewicht und Materialeinsatz.
  • Konsistent: Durchgängige Ethernet-Kommunikation vom Feldgerät bis in die Cloud, ohne Medienbrüche. Medienwandler entfallen.
  • Zukunftsfähig: Eine einheitliche Infrastruktur für Digitalisierung und IoT, die langfristig tragfähig bleibt. Feldbusse können schrittweise abgelöst oder koexistieren – abhängig von Lebenszyklus und Use Case.
  • Offen: Ein protokollunabhängiger Physical Layer verbindet verschiedene Kommunikationswelten miteinander.
  • Sicher: IP bis ins Feld erleichtert konsistente Security-Patterns (z. B. Segmentierung gemäß IEC 62443). Im Kontext des Cyber Resilience Act (CRA) wird für viele Hersteller eine sichere Netzwerktechnologie zum Muss.

Während SPE technologisch reift, entwickelt sich auch das zugehörige Umfeld dynamisch. »Alle namhaften Steckverbinder-Hersteller sind inzwischen in die Produktentwicklung eingestiegen«, unterstreicht Seereiner. Zugleich wachsen die beiden SPE-Vereine: Die Single Pair Ethernet System Alliance, die 2000 mit acht Mitgliedsunternehmen gestartet ist, vertritt heute 96 Firmen (Stand: November 2025). Gemeinsam mit dem SPE Industrial Partner Network treiben rund 150 Unternehmen und Forschungseinrichtungen die Marktreife und Implementierung voran. Als Novum haben die beiden SPE-Vereine, die in den vergangenen Jahren konkurrierten, auf der SPS erstmals mit einem gemeinsamen Messestand ein Zeichen für eine geeinte, aufeinander abgestimmte SPE-Infrastruktur gesetzt. »Der sehr starke Rückhalt der Industrie und die wachsende Zahl an Mitgliedsunternehmen belegen, dass SPE nicht mehr aufzuhalten ist«, bringt es Seereiner auf den Punkt.

Simon Seereiner von Weidmüller
Simon Seereiner, SPE System Alliance: »Die Einigung auf ein einheitliches Steckgesicht wird im nächsten Jahr, wenn die ersten Produkte zur Verfügung stehen, einen enormen Marktschub auslösen.«
© Weidmüller

Ähnlich sieht das Lars Klapproth, Business Development Manager von Heilind Electronics: »Deterministisches, sicheres Ethernet ist Pflicht! TSN, QoS und IEC 62443 funktionieren am besten mit durchgehender IP.« Dabei rät er den Kunden zu einem pragmatischen Vorgehen: »Klein zu starten und dann zu skalieren«. Der Steckverbinder-Experte führt weiter aus. »Zunächst sollte die passende Lane gewählt und anschließend die geeignete Topologie – Trunk/Spur oder Punkt-zu-Punkt – definiert werden. Darauf aufbauend sind das verfügbare PoDL-Budget sowie eine durchgängige Steckverbinderfamilie festzulegen. In einem Pilotprojekt lassen sich dann Installationszeiten, eingesparte Gateways, zusätzliche Diagnosedaten sowie die reduzierte Kupfermenge systematisch erfassen und bewerten.« So kann man Chancen nutzen und Risiken minimieren. In diesem Zusammenhang räumt er gleich ein Kundenbedenken aus dem Weg: »M12 bleibt. SPE wächst. Es ist kein Entweder-oder.«

SPE als Upgrade

Wie einfach SPE-Projekte zu starten sind, erläutert Dr. Karsten Walther, CEO von Perinet, anhand eines klassischen Beispiels aus der Industrie: »Viele Anwendungen nutzen heute noch RS485 und müssen aus verschiedenen Gründen modernisiert werden – zum Beispiel wegen höherer Bandbreitenanforderungen, erhöhter Sicherheitsvorgaben oder einfach für eine einfachere IT-basierte Wartung.« Mit SPE lassen sich RS485-Installationen Schritt für Schritt aufrüsten. Dabei wird nicht nur die Wiederverwendung vorhandener Kabel ermöglicht, sondern auch ein Mischbetrieb aus klassischen RS485-Geräten und neuen SPE-fähigen Geräten unterstützt. Der Mischbetrieb erfolgt über Bridges/Adapter; bestehende Modbus-Stacks laufen weiter, während PHY/Kabel auf SPE migrieren. Dieses Vorgehen eröffnet einen sicheren, IP-fähigen Kommunikationsweg, der bestehende Anlagen in Richtung IoT und datengetriebene Wartung erweitert – ohne die betriebliche Logik der Geräte zu verändern«, führt Dr. Walther aus.

Darüber hinaus wird die Kommunikation durch zusätzliche Sicherheitsfunktionen verbessert und die Integration weiterer Schnittstellen der ursprünglichen RS485-Geräte, wie lokaler Serviceports, ermöglicht. Hinzu kommt, dass mit der Verlagerung zur Netzwerkkommunikation die entfernten Geräte intelligenter agieren können und so die Grundlage für eine smarte Umgebung bilden.

Der Umstieg von RS485 auf SPE bedeutet also keinen Technologiesprung ins Unbekannte, sondern eine sichere Modernisierung bestehender Installationen – Schritt für Schritt, ohne den Modbus-Stack aufzubrechen.

Grenzen bestehender M12-Steckverbinder überwinden

Als Gründungsmitglied des SPE Industrial Partner Network und einer der führenden Vertreter in Nutzerorganisationen und Normungsgremien hat TE Connectivity die Erweiterung des neuen Standards 63171-7 vorangetrieben. »Konventionelle M12-Stecker haben Limitierungen bei der Strom- und Datenübertragung. Daraus ergeben sich Schwierigkeiten, die Anforderungen von Industrie 4.0 zu erfüllen. Diese Barrieren sollen durch die Norm IEC 63171-7 ED 2 und entsprechende Produkte überwunden werden«, betont Manuel Rüter, Senior Principal of Technology, Standardization and Consortia von TE.

Bestehende Hybridsteckverbinder, die der Norm IEC 61076-2-113 entsprechen, liefern nur 2 x 6 A und 100 Mbit/s, was den Einsatz von Hochleistungsgeräten und den schnellen Datenaustausch einschränkt. Der neue „SPE-M12-Hybrid“, den TE auf der SPS vorgestellt hat, ermöglicht etwa 20 Prozent mehr Leistung und zehnmal höhere Datenraten. Er unterstützt die Highspeed-Datenübertragung bis zu 1 Gbit/s und höhere Strompfade, z. B. 2 x 8 A. Die tatsächliche Leistung hängt von der Spannungsklasse/Thermik ab. Applikationsgrenzen sind projektspezifisch zu verifizieren. TE hat den Stecker für raue Umgebungen entwickelt und hochrobust in Schutzart IP67 ausgelegt. Entwickler und Konstrukteure von Anlagen und Systemen können die vereinheitlichten und zukunftsoffenen SPE-M12-Schnittstellen bereits heute im Design berücksichtigen, wodurch die Planungssicherheit steigt und Entwicklungskosten sinken.

Obwohl der Steckverbinder nur ein Bestandteil in der SPE-Infrastruktur ist, ist Manuel Rüter überzeugt davon, dass durch die Norm IEC 63171-7 Edition 2 nochmals Bewegung in den Markt kommt. »Dank der Angleichung an die globale Ethernet-Infrastruktur und der möglichen Interoperabilität zwischen Geräten und Systemen kann der neue Standard die Markteinführung von SPE-Technologien weiter beschleunigen, die Komplexität reduzieren, End-to-End-Ethernet unterstützen und auch die Nachhaltigkeit verbessern, da immer weniger Kupferkabel zum Einsatz kommen.«


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