Im französischen Forbach – dem größten Produktionswerk der Lapp-Gruppe weltweit – will der Kabelhersteller die Produktionskapazität bis 2027 verdreifachen. Lapp setzt dabei auf ein Bündel neuer Maßnahmen, inklusive erster Gleichstrom-Projekte.
Im Kabelwerk »Câbleries Lapp SARL«, das vor über 30 Jahren an den Start gegangen ist, hat Lapp anfangs in einer 6000 m2 großen Halle rund 3000 Kilometer Kabel pro Monat gefertigt. Mit nur 20 einzelnen Artikeln war der Produktionsstandort rein auf Massenproduktion ausgelegt. Heute beträgt die Hallenfläche 24.000 m2. Und pro Monat verlassen rund 12.000 km Kabel die Fertigung in Forbach. Das Werk hat jedoch nicht nur an Volumen zugelegt, die Produktion ist viel anspruchsvoller geworden. Mit rund 2000 verschiedenen Artikeln ist die Produktvielfalt beispielsweise enorm gewachsen.
Hubertus Breier, CTO von Lapp, erklärt: »Die Losgrößen werden insgesamt immer kleiner, die Varianten vielfältiger. Gleichzeitig wächst der Anspruch, bei Material und Prozessen so nachhaltig wie möglich zu agieren. Daraus ergeben sich anspruchsvolle Aufgaben.« Lapp fertigt an 19 internationalen Standorten in Nordamerika, Asien und Europa. Obwohl jedes Werk unterschiedliche Schwerpunkte hat, sind die Herausforderungen im Prinzip dieselben: Lapp will seinen Kunden eine hohe Variantenvielfalt bei schneller Lieferfähigkeit zu marktfähigen Preisen anbieten.
Dabei verfolgt das Unternehmen mehrere Schritte: Kontinuierlich wird in allen Produktionswerken die Maschinenauslastung überprüft und die Kenngrößen wie beispielsweise die »Overall Equipment-Effectiveness« (OEE) gemessen. Gleichzeitig versucht das Unternehmen, beim Materialeinsatz nachhaltiger zu wirtschaften. Es ist eine einfache Rechnung, die Hubertus Breier aufstellt: »Wenn die Isolierung eines 10 Millimeter dicken Kabels bei einer Extrusionsgeschwindigkeit von 100 Metern pro Minute 10 Mikrometer dünner würde, könnte pro Stunde über eine Tonne Kunststoff eingespart werden.«
Ein Kabel hält heute in vielen Anwendungen oft länger als die Maschinen, in denen es eingesetzt wird. »Für Verbindungslösungen stellt sich daher die Frage, ob die gleiche Funktionalität mit einigen Prozent weniger Material sichergestellt werden könne, trotz der bestehenden Normen«, gibt Breier zu bedenken. Und weiter: »Wir müssen uns fragen, ob wir es uns in Zukunft noch leisten können, Produkte herzustellen, die so überdimensioniert sind wie heute. Wir müssen daher gleichermaßen über alternative Designs und Prozesse nachdenken. Auch die Normen für Zertifizierungen müssen dringend überprüft werden«.
Ein wichtiger Hebel zur Effizienzsteigerung ist die Integration von Innovationen in den Produktionsprozess. » Ein Produkt kann nicht losgelöst von der Produktion entwickelt werden. Es ist maximal so gut wie die Produktion. Daher muss eine Produktentwicklung immer kombiniert werden mit der Prozessentwicklung in den jeweiligen Werken«, erklärt der Lapp-Vorstand.
Das Werk in Forbach ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich eine über Jahrzehnte bestehende Produktion optimieren lässt: Neben der Errichtung zusätzlicher Produktionsflächen liegt ein großer Ansatz zur Effizienzsteigerung in der Anschaffung neuer, flexiblerer Maschinen. So hat Lapp in eine fünfte Mantelstraße investiert, die gegenüber den älteren Modellen große Vorteile hat. Mit ihr verkürzt sich der Rohstoffwechsel beispielsweise von PVC auf PUR von vormals drei bis vier Stunden auf nur noch zehn Minuten.
Gemeinsam mit der französischen Firma Komax wurde diese Mantelstraße nach Vorgaben von Lapp entwickelt. Das Besondere daran: Die Helical-Extruder von Komax benötigen bis zu 25 Prozent weniger Energie, erlauben eine niedrigere Schmelztemperatur und steigern den Ausstoß um bis zu 100 Prozent. Bisher war der Druck bei 600 bar limitiert; wurde dieser Druck erreicht, musste das Tempo der Maschine heruntergefahren werden. Mit den Helical-Extrudern reichen heute 250 bar. Statt eine Stunde lang aufzuheizen, werden nur noch zehn Minuten benötigt. Das bedeutet, Lapp kann damit schneller heizen, schneller reinigen, schneller fahren und spart Energie. Künftig werden deshalb auch die vier älteren Mantelstraßen aufgerüstet.
Und überall, wo lange Rüstzeiten die Produktion bremsen, werden gezielt Redundanzen innerhalb einer Linie aufgebaut. So kann die »Zwillingsmaschine« bereits für den nächsten Einsatz vorbereitet werden, während die erste Maschine noch produziert. Diese kann dann schnell ausgetauscht werden, sobald der Produktionsauftrag mit der ersten Maschine fertig ist. Die Rüstzeiten betragen auch hier nur noch zehn Minuten, egal welches Mantelprodukt zum Einsatz kommt.
Kürzere Wege
Eine weitere Optimierung betrifft die Aderstraße. Traditionell ist eine solche Produktionsstraße in einer Linie aufgebaut. Bisher war sie auf Massenproduktion mit wenig Wechsel ausgerichtet. So konnten früher beispielsweise in zwei Stunden 100 Kilometer Adern auf einer Spule gefertigt werden. Der Aufwand für die Mitarbeiter war gering, denn für den Spulenwechsel und zur Vorbereitung der Markierung wurden nur rund zehn Minuten gebraucht. Der Abstand zwischen diesen Arbeitsstationen lag bei 30 Metern. Das war zeitlich leicht zu schaffen.
Diese entspannten Zeiten sind jedoch vorbei. Aufgrund der erhöhten Vielfalt an Artikeln werden heute meist nur noch halb so große Produktionslängen im Vergleich zu vor zehn Jahren gefertigt. Und da eine Maschine bis zu 1000 Meter pro Minute fahren kann, war mit der länglichen Anordnung der Aderlinie die 10-minütige Umrüstung einfach nicht mehr zu schaffen, allein weil die Laufwege der Mitarbeiter einfach zu lang waren. Folglich musste das Tempo der Maschine reduziert werden. Um die Laufwege zu optimieren, hat das Unternehmen eine neue Aderstraße in U-Form aufgebaut.
Ziel war es, alle Arbeitsstationen der Anlage möglichst nebeneinander zu platzieren. Gemeinsam mit lokalen Partnern wurde die neue Aderstraße nach Vorgaben von Lapp in U-Form realisiert und bereits vergangenes Jahr in Betrieb genommen. Die Laufwege sind nun für die Mitarbeitenden um 96 Prozent kürzer, die Umrüstzeiten reduzieren sich von zehn auf sechs Minuten und die Maschine kann fast 50 Prozent schneller produzieren. Für Lapp sind die Vorteile so groß, dass bereits in eine zweite Fertigungslinie in U-Form investiert wurde.