Auch wenn Lapp über 40.000 Produkte im Standard-Portfolio hat, entwickelt das Unternehmen immer wieder maßgeschneiderte Sonderleitungen. Wie solche Kundenprojekte aussehen können, beschreiben die folgenden fünf spannenden Anwendungsszenarien.
Um Seebeben besser vorhersagen zu können, haben Industrie und Forschung mit Unterstützung der Europäischen Union eine Messmethode mit Glasfaserüberwachung entwickelt. Unter dem Dach des Forschungsprojekts »FOCUS« haben sich dazu Universitäten aus Frankreich, England, Italien und Deutschland zusammengeschlossen, um die Möglichkeit einer Glasfaserüberwachung von aktiven Störungen am Meeresboden zu untersuchen. Eines der Privatunternehmen ist die französische Firma IDIL Fibre Optics, die sich auf Laser- und Glasfasertechnologien spezialisiert hat. Lapp hat im Auftrag dieser Firma dafür eine maßgeschneiderte Sonderleitung entwickelt. Grundidee der Forscher war es, für die Seebebenvorhersage die sogenannte optische Laserreflektometrie (Brillouin Optical Time Domain Reflectometry/ BOTDR) anzuwenden. Diese wird normalerweise zur Überwachung von Brücken oder Dämmen genutzt. Als Forschungsobjekt nahm man sich den Meeresboden rund 26 Kilometer vor Catania in Sizilien vor, denn dort verläuft auch ein Telekommunikationskabel. Und unweit davon befindet sich der Ätna, der mit 3357 Metern höchste aktive Vulkan.
Zum Einsatz bei dem Projekt kommt ein Unterwasser-Dehnungsmesskabel, das Lapp maßgeschneidert auf spezielle Anforderungen hin entwickelt hat: Das Kabel wird zwanzig Zentimeter tief im Boden des Meeres verlegt, um seine Stabilität zu gewährleisten. Es besteht aus zehn optischen Singlemode-Fasern, Kupferleitern und zwei optischen Trisens-Kabeln mit Edelstahlrohr, die zum besseren Schutz von TPU- und Polyurethanmänteln umgeben sind. Dieses für anspruchsvolle Umgebungen konzipierte Kabel bietet robuste elektrische Eigenschaften und eine hohe mechanische Beständigkeit, einschließlich eines Betriebstemperaturbereichs von –30 bis +80 °C. Das Kabel ermöglicht einem Labor die Datenübertragung zur Messung in Echtzeit. Ein langfristiges Ziel ist die Entwicklung von Telekommunikationskabeln, die tektonische Veränderungen automatisch mitmessen.
Durch den Klimawandel steigt die Gefahr, dass bei Küstenstädten Salzwasser in das Grundwasser eindringt. Die französische Firma imaGeau hat eine Software entwickelt, die kontinuierlich die Qualität des Grundwassers prüft. Auf diese Weise können rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um eine weitere Verschmutzung des Wassers zu vermeiden. Aktuell kommt dieses Verfahren inklusive Lapp-Sonderleitung an der Côte d’Azur zum Einsatz.
Für die Messung zu verschiedenen Zeiten des Jahres und unter verschiedenen Wetterbedingungen müssen von imaGeau patentierte Sonden in der Erde platziert werden, um den Salzgehalt in verschiedenen Tiefenstufen zu verfolgen. Für diese Sonden hat Lapp die Leitung entwickelt. Darüber hinaus liefert Lapp bei diesem Projekt die komplette Hardware. Das Messsystem muss individuell an die jeweiligen geologischen Eigenschaften des betroffenen Bohrlochs in der zu überwachenden Region angepasst werden. Zur Erfassung wird ein Kabel mit den Maßen 60 × 0,25 mm2 und einem Kabelmantel aus Polyurethan verwendet. In den von den Kunden vorgegebenen Abständen werden von Lapp gefertigte Elektroden in das Kabel integriert und mit einem Leiter verbunden. Pro Sensorkabel sind bis zu 60 Elektroden möglich, die die Veränderung der Wasserqualität messen. Diese wird anhand der Veränderung des Leitungswiderstands und der Kapazität zwischen den Elektroden erfasst. Alle Werte werden dann mit der Software von imaGeau analysiert, sodass Maßnahmen zum Grundwasserschutz notfalls zügig eingeleitet werden können.
In Hoch- und Tiefbauten gelten oft besonders strenge Brandschutzanforderungen für Kabel. Um zu prüfen, ob ein Kabel die anspruchsvollen Normen erfüllt, hat die italienische Landesgesellschaft von Lapp im vergangenen Jahr ein hochmodernes Prüflabor eingeweiht. Ein Kunde ist beispielsweise das Nationale Zentrum für Onkologische Hadronen-Therapie in Padua, Italien. Dort steht eines von weltweit nur sechs Synchrotrons zur Tumortherapie. Dieser Synchrotron beschleunigt Atomkerne auf hohe Geschwindigkeiten, um mit ihnen schwer operable Tumore im Gehirn zu entfernen. Weil sich in dem Therapie-Gebäude Personen aufhalten, kommt das europäische Construction-Products-Regulation(CPR)-Gesetz ins Spiel, das seit 2017 in Kraft ist. Es gilt für alle Produkte, die fest in Gebäuden installiert werden, in denen sich Menschen aufhalten. Daher wurden für den Aufbau in dem Bunker, in dem das Synchrotron steht, spezielle CPR-klassifizierte Signalkabel für die Instrumentierung benötigt.
Lapp lieferte hierfür eine 1,6 km lange Leitung des Typs FG16XHOHM16 (entspricht der deutschen Variante J-H(St)H PiMF). Die Signalleitung verfügt über isolierte Leiter auf Polyolefinbasis und ist mit statischer Abschirmung versehen. Sie erfüllt die Anforderungen der CPR-Klasse Ca-S1b,d1,a1, darunter EN 50399 zur Bestimmung der Abgabe von Hitze und Rauch im Flammtest, oder IEC 60332-1-2, ein Test, der die Flammenausbreitung auf einem einfach isolierten Kabel prüft.
Um absolute Sicherheit ging es auch bei einer Ölgewinnungsanlage. Der Kunde verarbeitet hier Sonnenblumensamen, Raps und Soja zu Speiseöl. Seine Anlage ist so leistungsfähig, dass sie bis zu 1 Mio. Tonnen Produkte pro Jahr verbreiten kann, aber auch lagern. Für ihren Bau waren daher strenge elektrische Installationsregeln vorgegeben, die für den Elektrizitätsbereich gelten.
Um die strengen Anforderungen zu erfüllen, hat die italienische Landesgesellschaft von Lapp eine spezielle kundenspezifische Lösung von mehradrigen Kabeln mit Querschnitten von 1 bis 185 mm² mit hoher Temperaturbeständigkeit (bis zu 105 °C), abgeschirmt und bewehrt, entwickelt. Zudem verfügen die Kabel über eine Panzerschicht und UV-beständigen Außenmantel. Sie mussten gemäß IEC 60332-3-22 Kat. A flammwidrig sein und sollten – falls erforderlich – auch optional mit verzinntem Kupferdrahtgeflecht als Abschirmung für Betriebstemperaturen bis zu 105 °C geliefert werden.
Bisher wird die Stromversorgung im Hafen oftmals über das Weiterlaufenlassen der Schiffsmotoren gewährleistet. Doch gerade das verursacht CO₂ und Verschmutzungen, die eigentlich vermieden werden könnten. Das norwegische Unternehmen Zinus hat dafür vollautomatische und nachhaltige Lademöglichkeiten für Schiffe und Fähren entwickelt. Damit können Schiffe beim Anlegen nun Strom anstelle von Treibstoff nutzen und tragen so zu einem umweltverträglicheren Hafenbetrieb bei. Der »Zinus Port Power« lässt sich nahtlos in verschiedene Hafenumgebungen integrieren. Die Lade-Leitung kann von oben über einem Turm oder über die Reling des Schiffes auf das Deck herabgelassen werden. Wesentlich dafür ist dementsprechend ein Spezialkabel, das von Lapp und Zinus gemeinsam entwickelt wurde. Benötigt wurde ein Kabel, das hohe Ströme und Spannungen aushalten kann und über einen sehr kleinen Biegeradius verfügt, während es gleichzeitig sehr flexibel und so leicht wie möglich sein muss. Die Anwendung in der rauen Hafenumgebung erforderte darüber hinaus auch eine Leitung, die extremen klimatischen Bedingungen sowie hohen mechanischen Belastungen standhalten kann. Dazu gehören beispielsweise auch UV-Strahlung, sehr niedrige Temperaturen und der Kontakt mit Salzwasser.
Zinus bietet nicht nur den kompakten Power Port, sondern auch sogenannte Turmlösungen an. Ihre Besonderheit: Die Türme können sich um 180 Grad drehen und automatisch an Gezeitenänderungen von bis zu 10 Metern anpassen. Das jüngste Projekt von Lapp und Zinus ist eine autonome Ladesäule. Die Säule bewegt sich automatisch in die richtige Position über dem Schiff, senkt den Steckverbinder ab und schließt ihn automatisch an die Anschlussdose des Schiffes an. Das gesamte Procedere benötigt nur 20 Sekunden und eignet sich daher besonders für Fähren mit Elektroantrieb, deren Batterien schnell und effizient geladen werden müssen.