Als Automobilzulieferer stellt ZF keine eigenen Fahrzeuge her, braucht aber einen Demonstrator, der neue Technologien nicht nur in umgerüsteten Serienfahrzeugen singulär zeigt, sondern auch im Verbund arbeitende Systeme. Dazu hat ZF ein von einem externen Anbieter elektrifiziertes Fahrzeug im Kleid eines Suzuki Splash zu einem „Smart Urban Vehicle“ ausgebaut. Dieses extrem wendige, lokal emissionsfrei fahrende Fahrzeug vernetzt Fahrer und Umwelt. Das Smart Urban Vehicle zeigt, welches Potenzial die Vernetzung einzelner Fahrwerks-, Antriebs- und Fahrerassistenzsysteme in sich birgt.
Herzstück des Konzeptfahrzeugs ist der radnahe, rein elektrische Hinterachsantrieb „eTB“ (electric Twist Beam), der es ermöglicht, das grundlegende Layout eines Kompaktfahrzeugs neu zu gestalten. Der durch die Verlagerung des Antriebs nach hinten freiwerdende Bauraum wurde für eine Vorderachslenkung mit einem Einschlagwinkel von bis zu 75 Grad genutzt, der die Manövrierbarkeit des Prototyps deutlich steigert. Dank des veränderten Radeinschlags verringert sich der Wendekreisdurchmesser des Smart Urban Vehicle auf weniger als 7 m. Unterstützt werden die Lenkbewegungen an der Vorderachse vom Torque-Vectoring-System des Hinterachsantriebs, das die Antriebskraft individuell auf die beiden Hinterräder verteilt und das Anfahren bei derartig großen Radeinschlägen erst ermöglicht. Damit lässt sich das Konzeptfahrzeug auch in äußerst kleine Parklücken von etwa 4 m Länge bequem in meist nur einem Zug manövrieren.
Für zusätzlichen Komfort sowie für Sicherheit und Effizienz sorgen zwei Fahrerassistenzfunktionen: „Smart Parking Assist“ manövriert das Fahrzeug per Knopfdruck in nahezu jede noch so kleine Lücke, ferngesteuert über Smartphone, Tablet oder Smart Watch. Besonders deutlich werden die Vorteile des neuen Vorderachskonzepts im Zusammenspiel mit dem Parkassistenten. Das System unterstützt den Fahrer nicht nur bei der Erkennung passender Parkplätze, sondern kann den Wagen auch vollautomatisch längs oder quer zur Fahrtrichtung parken. Seine Informationen bezieht der Parkassistent von zwölf Ultraschallsensoren und zwei Infrarotsensoren an Front-, Heck- und Längsseiten des Fahrzeugs, die einen geeigneten Parkplatz ausmessen. Die Steuerelektronik verarbeitet die Informationen und regelt alle an der Parkfunktion beteiligten Systeme, wie den Elektroantrieb und den benötigten Lenkeinschlag der Elektrolenkung. Der Fahrer kann während des Vorgangs über das Display im Cockpit mit dem Fahrzeug interagieren oder die Parkfunktion erst nach dem Aussteigen per Applikation auf einem Mobilgerät auslösen. Das Smart Urban Vehicle sucht danach selbständig in Schrittgeschwindigkeit die Umgebung nach der passenden Lücke ab und leitet den Parkvorgang selbstständig ein. Für die Zukunft sind mit dem „Smart Parking Assist“ Szenarien denkbar, die dem Fahrer einen zusätzlichen Nutzen bringen: Denn wenn das Fahrzeug nach dem Ausstieg am Zielort autonom ein freies Parkhaus ansteuert, spart das wertvolle Zeit und auch die Parkplätze könnten kleiner werden, wenn man die Türöffnungswinkel nicht mehr berücksichtigen muss.
Für maximale Reichweite und Fahrsicherheit sorgt im Smart Urban Vehicle die cloudbasierte Fahrerassistenzfunktion „PreVision Cloud Assist“. Im Gegensatz zu rein GPS-gestützten Systemen berücksichtigt die Konzeptstudie nicht nur Geometriedaten und Informationen zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit, sondern speichert bei jeder Fahrt zusätzlich Daten zur Fahrzeugposition, aktuell gefahrener Geschwindigkeit sowie Quer- und Längsbeschleunigung in der Cloud. Wird die Strecke erneut zurückgelegt, berechnet das System anhand dieser Erfahrungswerte und Daten die optimale Geschwindigkeit für eine nahende Kurve. Die Assistenzfunktion reguliert dann frühzeitig vor der Kurveneinfahrt das Drehmoment so weit nach unten, bis die Kurve ohne mechanischen Bremsvorgang durchfahren werden kann. Das schont nicht nur Batterie und Bremssystem des Fahrzeugs, sondern sorgt auch für mehr Sicherheit gerade bei unübersichtlichen Kurven.
Der Fahrer ist zu jeder Zeit über das Eingreifen von PreVision Cloud Assist informiert: Denn das multifunktionale Lenkrad, das ZF im Smart Urban Vehicle einsetzt, verfügt im Lenkradkranz in der direkten Sichtachse des Fahrers über ein OLED-Display. Dieses zeigt zum Beispiel an, wieviel Antriebsmoment das Fahrerassistenzsystem vor Kurveneinfahrt wegnimmt – oder nach der Kurve wieder zur Verfügung stellt. Aber auch per Berührungserkennung HOD (Hands On Detection) steht der Fahrer im direkten Kontakt zum Fahrzeug. Das kapazitive System deckt die Lenkradfläche vollständig ab und erkennt, ob der Fahrer das Lenkrad festhält. Der identifizierte Zustand wird per LIN-Bus von dem im Lenkrad befindlichen Steuergerät in ein digitales Signal umgewandelt und ans Fahrzeug gesendet. Dieses alarmiert je nach Situation den Fahrer oder aktiviert die zur Verfügung stehenden Assistenzsysteme.
Seine Leistung bezieht das Konzeptfahrzeug aus einer Traktionsbatterie, die in insgesamt drei Modulen an der Vorder- und Hinterachse Platz findet. Den Antrieb übernimmt die Verbundlenker-Hinterachse eTB (electric Twist Beam), an deren linken und rechtem Rad je eine kompakte Antriebseinheit mit einer Leistung von 40 Kilowatt sitzt. Bei einem Achsmoment von 1.400 Newtonmetern und einer Maximaldrehzahl von 21.000 Umdrehungen pro Minute erreicht das grundsätzlich auf den innerstädtischen Verkehr ausgelegte Fahrzeug eine Höchstgeschwindigkeit von 150 Kilometern pro Stunde.