Zur Absicherung von Radarsensoren ist die integre, zeitsynchrone Aufnahme von Rohdaten des Radars – zusammen mit Busdaten im Fahrzeug – entscheidend. Der Automobilzulieferer Hella realisiert die optimale Datenaufnahme seiner Radarsysteme in ADAS-Testaufbauten mit Individualentwicklungen von b-plus.
Fahrerassistenzsysteme sind längst nicht mehr nur in Oberklassefahrzeugen zu finden. Seit Juli 2022 sind Assistenzsysteme für neu entwickelte Fahrzeuge Pflicht. Dabei handelt es sich um Sicherheitsfeatures, ohne die es keine Typzulassung in der EU gibt, wie Bremsassistenten, Spurhalteassistenten und Müdigkeitswarnsysteme. Ab 2024 müssen diese und weitere Fahrerassistenz-systeme im Pflichtpaket in allen Neuwagen verfügbar sein. Der zur Dachmarke Forvia gehörende Zulieferer Hella zählt zu den führenden Anbietern von Radartechnologie für automatisierte Fahrfunktionen und ist in diesem Bereich seit mehr als einem Jahrzehnt aktiv.
Assistenzsysteme werden durch eine große Anzahl an Sensoren realisiert. Sie werden über das Kommunikationsnetzwerk des individuellen Fahrzeugs mit Roh- und Busdaten gefüttert und zunehmend zentralisiert gesteuert.
Die Menge und Vielfalt an Daten, die durch ein solches Netzwerk fließen, ist komplex und bedarf bei ersten Prototypenanwendungen und Testverfahren vor Erreichen der Serienreife verschiedenster Konvertierungsmaßnahmen. Dies ist notwendig, um eine verlustfreie Datenaufnahme und -übertragung für die verbaute Messtechnik im Fahrzeug zu ermöglichen – so auch für die Radare von Hella. Der Automobil-zulieferer arbeitet bei der Entwicklung und Validierung seiner Radare mit Messtechnikadaptern von b-plus.
Als einer der größten Spezialisten für Validierungs- und Analysetools im ADAS/AD-Sektor bietet b-plus kundenspezifische Lösungen rund um die Messtechnik für den datengetriebenen Strom im Testfahrzeug an. Die Validierung von Sensoren mit hohem Qualitätsanspruch wird ab der Konzeptions-phase bis zur Implementierung in die Serien unterstützt und begleitet.
Der Grundstein der Entwicklung von Steuergeräten ist der Gewinn von dezentralen Messdaten aus Sensoren wie Radaren und deren dedizierte Analyse. Die Sensordaten, bestehend aus Roh- und Busdaten, werden während Testfahrten gesammelt und aus den Sensoren wie Kamera, Radar und der ECU abgegriffen. Diese Messdaten werden für Software-in-the-Loop (SiL), Hardware-in-the-Loop (HiL) und weitere Testverfahren benötigt, um die Fahrfunktionen zu optimieren.
Radarsensoren im ADAS-Umfeld werden aktuell vor allem genutzt, um Abstand, Geschwindigkeit und Winkel zu messen. Ein Beispiel sind Fahrerassistenzsysteme wie Adaptive Cruise Control (ACC), die den Abstand des Fahrzeugs zum vorausfahrenden Fahrzeug regeln. Damit einhergehend kommt Radar auch beim Notbremsassistenten zum Einsatz, der die Gefahrensituation der abrupten Abstandsverringerung oder das Auftauchen eines an- deren Verkehrsteilnehmers erkennt und eine Notbremsung einleitet.
Für ein vollständig abgesichertes Radarsystem, das mehrere Teststufen durchlaufen muss, ist es unabdingbar, zur Weiterentwicklung qualitativ hochwertige Fahrdaten einzufahren. Bei seinem Testfahrzeug implementierte der Automobilzulieferer in seinen Versuchsaufbau sechs Radarsensoren, jeweils einen in jedem Fahrzeug-Corner. Der Datenlogger befand sich dabei im Kofferraum, was eine größere Distanz der Sensoren zum Messgerät bedeutete. Dank eines vorab durchgeführten Proof-of-Concepts stellte dies keine große Herausforderung dar, da hierbei die Signalstrecke getestet und ausgemessen wurde.
Um die Signalstrecke im Fahrzeug auf fünf Meter erweitern zu können, wurde für den Radarsensor ein spezielles Sensor-Connector-Board mit verbautem LVDS-Repeater entwickelt. Dieses wurde am Radar durch einen Steckverbinder in der Mechanik angebracht. Der längere Übertragungsweg der aufgezeichneten Sensordaten konnte durch die Kombination des Sensor-Connector-Boards und des Messdatenkonverters mit hoher Bandbreite verlustfrei und mit sehr guter Signalqualität vom Radar zum Logger transportiert werden.
Die dabei verwendete MDI(Measurement-Data-Interface)-Technologie des MDILink dient der verlustfreien Auskopplung und Konvertierung von Daten speziell für die Sensor-/Steuer-geräte-Entwicklung im Umfeld des hochautomatisierten Fahrens. Sie kann direkt am Steuergerät oder im Kofferraum des Messtechnik-Set-ups integriert werden (Bild 1).
Die erfassten Rohdaten aus Radardaten wie im Anwendungsfall von Hella gilt es für die Analyse auszukoppeln. Zunächst werden die analogen Sensordaten als Bytestream empfangen. Sie werden deserialisiert und mithilfe eines Algorithmus in ein Ethernet-Protokoll konvertiert. Neben Protokollen wie CSI oder CAN gibt es das von Xilinx entwickelte Link-Layer Aurora-Protokoll, das im Beispiel für serielle Highspeed-Kommunikation verwendet wurde. Die konvertierten Daten werden anschließend über ein 10G-Ethernet-Interface auf ein Datenrekorder-System transferiert.
Die Konvertierung von Radardaten zu Ethernet-Paketen folgt keinem festgelegten Standard. Es kommt ganz darauf an: Welches Dateiformat, Signal und Protokoll liegt dem Messdatenkonverter vor? Über welche Schnittstellen müssen die Daten laufen und in welcher Konstellation werden die Daten für die optimale Weiterverarbeitung benötigt? Mit dem passgenauen Messdatenkonverter von b-plus, der kundenoptimiert für Hella entwickelt wurde, wird das integre Recording ermöglicht und dem Kunden die Spezialentwicklung zur Messdatenkonvertierung abgenommen.
Der Messdatenkonverter ist für große Bandbreiten konzipiert und kann somit mehrere Sensoren mit nur einem Gerät bedienen. Eine flexible Anpassung an verschiedene Schnittstellen bei speziellen Anwendungsfällen, wie beispielsweise dem Aurora-Interface mit individualisierten IO- und FPGA-Boards, kann dank des modularen Konzepts problemlos erfolgen. Auch die physikalische Anpassung an den gewählten Sensorchip ist möglich.
Das Testsystem erhält Daten vom Radar über AGBT (Aurora Gigabit Trace) und CAN-FD-Schnittstellen. Dabei nimmt der MDILink in diesem Fall keinen aktiven Part im Fahrzeug-CAN-Netzwerk ein, um funktionelle Sicherheitslücken zu vermeiden. In diesem Stadium der Datenübermittlung nutzt er nur einen TX-Pfad, um im TAP-Modus den Rohdatenstrom auszukoppeln
Acht Nanosekunden – das ist die Genauigkeit, mit der die erfassten Messdaten auf dem MDILink zeitgestempelt werden. Nur so ist es möglich, dezentral erfasste Messdaten valide zu nutzen.
Die Notwendigkeit entsteht aus den zeitlichen Verzögerungen, die sich während des Transports der Datenpakete vom Sensor über Softwareblöcke bis hin zum Messadapter oder Ethernet Switch ergeben. Die daraus resultierenden Übertragungsverzögerungen und das prozessbedingte zeitliche Taktzittern (Jitter) beeinflussen die Datenqualität. Daher ist es wichtig, Testdaten bereits sehr früh, noch vor dem Transportweg zum Rekorder und nahe am Sensor, mit einem zeitlichen Stempel zu versehen. Erst dann beginnt die Konvertierung und Übertragung in den Datenrekorder via Ethernet. Das bildet die Basis für sicherheitskritische Anwendungen dieses Multisensorsystems.
Durch das zeitsynchrone Recording von Bus- und Rohdaten können die hochgenauen Daten im Anschluss in einer Testumgebung, wie zum Beispiel in Hardware-in-the-Loop-Systemen, analysiert und optimiert werden. Auch die Daten aus Multisensorsystemen können exakt parallel gekennzeichnet und fusioniert werden. So können Abhängigkeiten verschiedener Faktoren identifiziert und Assistenzsysteme weiterentwickelt werden.