Zonenarchitekturen im Automobil

Mit 10BASE-T1S Ethernet zum vernetzten Erlebnis

4. April 2025, 13:00 Uhr | Autoren: Andreas Pellkofer und Madhura Deyanda Poonacha, Redaktion: Irina Hübner
© Catsby_Art/stock.adobe.com

Moderne Autos sollen Komfort und Unterhaltung auf einem Niveau bieten, das man vom Smartphone kennt. Ältere Bustechnologien und bisherige E/E-Architekturen können dies nicht leisten. Automotive Ethernet dagegen ist in der Lage, vollständig vernetzte Erlebnisse in Fahrzeuge zu bringen.

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Der Einsatz von ECUs, die jede Komponente des Fahrzeugbetriebs steuern, hat seit ihrer ersten Installation durch Volkswagen im Jahr 1968 rapide zugenommen. Moderne Autos werden mit immer mehr Funktionen ausgestattet, um Fahrerinnen und Fahrern sowie Mitreisenden in Bezug auf Komfort und Unterhaltung das gleiche Erlebnis wie daheim oder am Arbeitsplatz zu bieten. Doch die meisten Bustechnologien und E/E-Architekturen – von denen einige bereits vor Jahrzehnten eingeführt wurden – können nicht mit der wachsenden Nachfrage nach ECUs Schritt halten, die große Datenmengen verarbeiten und miteinander interagieren müssen.

Eine bessere Netzwerkarchitektur

Aktuelle Fahrzeugsteuergeräte sind in nahezu isolierte funktionelle Domänen unterteilt, zum Beispiel Antriebsstrang, Fahrwerk, Infotainment oder Komfort. Sensoren und Aktuatoren sind im gesamten Fahrzeug verteilt. Zudem verlaufen Kabel durch das gesamte Fahrzeug, um die Verbindung zu den ECUs der Funktionsbereiche herzustellen (Bild 1). Dies erhöht Komplexität, Kosten und Gewicht des Fahrzeugs. Kabel sind der drittschwerste Teil des Autos und haben einen enormen Einfluss auf die Reichweite.

Bild 1. Beispiel für eine Domänenarchitektur.
Bild 1. Beispiel für eine Domänenarchitektur.
© Analog Devices

Ältere Bustechnologien wie Controller Area Network (CAN), FlexRay und Local Interconnect Network (LIN) wurden vor Jahrzehnten eingeführt, um die Kommunikation zwischen verschiedenen ECUs und einfachen Sensoren oder Aktuatoren zu erleichtern. Im Gegensatz dazu wird High-Speed Ethernet für die Kommunikation zwischen verschiedenen Domänen verwendet. Um den Datentransfer zwischen verschiedenen Bustechnologien zu erleichtern, kommen teure dedizierte Gateways in den ECUs zum Einsatz.

Die Komplexität der Architektur nimmt mit der Anzahl der Funktionen zu. Vorhandene Funktionen zu erweitern oder neue einzuführen erfordert umfangreiche Entwicklungs-, Implementierungs- und Testarbeiten. Das Ziel der Erstausrüster (Original Equipment Manufacturers, OEMs) besteht nicht nur darin, Innovationen zu beschleunigen und gleichzeitig Kosten zu senken, sondern auch darin, Umsätze nach dem Verkauf zu generieren. Eine Fahrzeugarchitektur hat deutlich längere Entwicklungszyklen als andere Konsumgüter wie zum Beispiel mobile Kommunikationsgeräte. Viele OEMs wollen die Verbindung zwischen Hardware und Software zugunsten eines Software-definierten Fahrzeugs auflösen.

Zwei große Herausforderungen stehen der Verwirklichung dieser Vision im Weg:

  • die statische funktionale Domänenarchitektur
  • die Komplexität der Verkabelung

Die ideale Architektur, die ermittelt wurde, ist eine zonenbasierte Ansicht des Fahrzeugs (Bild 2). Lokale ECUs bedienen alle Funktionen unabhängig von der Domäne. Diese ECUs sind dann mit Zonen-Steuergeräten verbunden, die die Verarbeitungsleistung in einer kleinen Anzahl von Einheiten im gesamten Fahrzeug konzentrieren. Die Kommunikation zwischen Zonen-ECUs und der Hochleistungs-Recheneinheit erfolgt über Hochgeschwindigkeits-Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Laut Cariad, einer Tochtergesellschaft der Volkswagen-Gruppe, werden dadurch über zwei Dutzend ECUs und Kabelbäume mit einer Länge von mehr als einem Kilometer ersetzt. [1]

Bild 2. Beispiel für eine Zonenarchitektur.
Bild 2. Beispiel für eine Zonenarchitektur.
© Analog Devices

Mit hochmoderner Technologie, die das Fahrzeugdesign und die Leistung verändert, durchläuft die Automobilindustrie einen bedeutenden Wandel in der Fahrzeugnetzwerkarchitektur. Die Implementierung von Technologien wie Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation, Augmented-Reality Dashboards und autonomem Fahren steigert die Komplexität, die Kosten und den Bedarf an mehr Elektronik. Bis 2030 wird die Automobilelektronik durch diese Technologien um schätzungsweise bis zu 45 Prozent wachsen. [2]

Mit der Einführung der Zonenarchitektur werden zahlreiche elektrische Komponenten und Steuerungssysteme in vorgegebenen Zonen innerhalb des Fahrzeugs konsolidiert und zentralisiert. Jetzt sind die Knoten von ihrem Standort und nicht von ihren funktionalen ECUs abhängig. Das Netzwerk wird vereinfacht, was das Gewicht reduziert und die Kraftstoffeffizienz steigert. Darüber hinaus erleichtert diese Architektur die Skalierung, da neue Funktionen und Systeme sich ohne umfangreiche Änderungen hinzufügen lassen. Software-Upgrades können nun effizienter über Funk erfolgen, indem sie über die zentrale Rechnereinheit des Fahrzeugs bereitgestellt werden. [3] OEMs können Funktionen aus der Ferne verbessern, indem sie den Kundinnen und Kunden Anpassungen anbieten und Post-Sales-Strategien zu Fahrerassistenzsystemen, autonomem Fahren oder Komfort- und Infotainment-Features implementieren.

Ethernet für die Automobilindustrie

Die Leistung von etablierten Bustechnologien, zum Beispiel Durchsatz und Servicequalität, reicht für diese neue Architektur nicht aus. Nun hat eine weitere etablierte Technologie ihren Weg in die Automobilindustrie gefunden: Ethernet.

Seit Jahrzehnten haben sich Ethernet-Technologien mit der Nachfrage nach höheren Datenraten durch die Entwicklung neuer physikalischer Schichten (Physical Layers, PHYs) weiterentwickelt, wodurch die höheren (Protokoll-)Schichten gleich oder zumindest kompatibel bleiben. Einige Entwicklungsstufen funktionieren sogar mit identischen Kabelbäumen. Netzwerkfunktionen werden von höheren Protokollschichten bedient, hauptsächlich in Software.

Ursprünglich war Ethernet nicht speziell auf Automobilumgebungen zugeschnitten, da Funktionen wie elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) und Energieeffizienz fehlten. Außerdem widerspricht die Verwendung von abgeschirmten Kabeln mit zwei oder vier Adernpaaren dem Ziel, Gewicht zu sparen. Die Automobilindustrie standardisierte eine Lösung mit einem einzelnen verdrillten Adernpaar, was neue PHY-Technologien erforderlich machte, die alle Anforderungen einer Kommunikationsverbindung im Automobilbereich erfüllen.

Dies führte zur Entwicklung der xBASE-T1-Ethernet-Standards für den Automobilbereich (T1 steht für ein einzelnes verdrilltes Adernpaar). Für ECU-Verbindungen werden unterschiedliche Datenraten unterstützt. Darüber hinaus wird der Übergang zwischen verschiedenen Geschwindigkeitsstufen durch viel einfachere Geräte bewältigt: Switches. Dadurch lässt sich die Anzahl teurer Gateways reduzieren.

Obwohl die Zonenarchitektur eine breite Plattform für alle Netzwerktechnologien bietet, gibt es weiterhin Probleme bei der Anpassung an eine homogene Netzwerkarchitektur, der Bootzeit, der Latenz und dem Durchsatz. Da etwa 90 Prozent der Netzwerkknoten mit Raten von bis zu 10 Mbit/s arbeiten, können viele Netzwerktechnologien für Fahrzeuge, die früher ausreichend waren, jetzt nicht mehr den erforderlichen Durchsatz erreichen. [4] Diese Einschränkungen behindern die reibungslose Integration fortschrittlicher Systeme im Fahrzeug. Darum steigt die Nachfrage nach kreativen Lösungen, die kurze Reaktionszeiten gewährleisten und die Gesamtleistung erhöhen.

Effektive Implementierung von 10BASE-T1S

Durch die Erweiterung von Ethernet auf den Edge Node verfügt das System über ein robustes Netzwerk, und die Paketübertragung wird vereinfacht. 10BASE-T1S ist ein integrierter Bestandteil der IEEE-802.3-2022-Sammlung von Ethernet-Spezifikationen. OEMs haben begonnen, diese Ethernet-PHY-Technologie zu implementieren, mit dem Ziel, sie bis 2025 auf den Markt zu bringen. Die Arbeitsgruppe OPEN (One-Pair Ether-Net) Alliance hat ihre Spezifikationen zur Erweiterung des IEEE-Standards definiert, um die weit verbreitete Einführung von Ethernet in der Automobilindustrie zu fördern. Wie andere Verbindungstechnologien für die Automobilindustrie kann 10BASE-T1S in Multidrop-Modus-Konfigurationen betrieben werden. 10BASE-T1S verwendet zusätzlich zu Carrier Sense Multiple Access mit Collision Detection (CSMA/CD) eine neue Buszugriffstechnik namens Physical Layer Collision Avoidance (PLCA), um Buskollisionen zu vermeiden. PLCA stellt sicher, dass die Latenz innerhalb vorhersehbarer Grenzen bleibt, während Durchsatz und Netzwerkeffizienz erhöht werden (Bild 2).

Die Verwendung von 10BASE-T1S in einigen gängigen, systemkritischen Anwendungen reduziert die Komplexität und ermöglicht eine schnellere und effizientere Datenübertragung in Fahrzeugen. Zu diesen erweiterten Systemvorteilen gehören Kostensenkung, erhöhte Sicherheit, ein einheitlicher Kommunikationsmechanismus ohne die Notwendigkeit komplexer Gateways und die Option der Stromversorgung über Datenleitungen. Dies gewährleistet die reibungslose Integration in die kommende Generation softwaredefinierter Fahrzeuge.

Die AD330x-10BASE-T1S-Produkte von Analog Devices erfüllen den Standard IEEE 802.3-2022. Die AD330x-10BASE-T1S-E2B-Produkte (Ethernet to Edge Bus) mit Fernsteuerungsprotokoll (RCP, Remote Control Protocol) sind für den Betrieb im Remote-Node-Modus ausgelegt, benötigen keinen lokalen Mikrocontroller und bieten eine vollständige Hardwarelösung. So kann Software aus den Edge Nodes entfernt werden. Das Ethernet-basierte E2B-Protokoll stellt in Kombination mit dem integrierten Hardwarebeschleuniger für Low Complexity Ethernet (LCE) eine effiziente Möglichkeit der Kommunikation zwischen einer zentralen ECU und Sensoren oder Aktuatoren dar. Diese fortschrittliche Lösung ermöglicht OEMs die vollständige Softwarekontrolle, da sie in einem Zonencontroller oder einer zentralen Steuereinheit zentralisiert ist. Dies verkürzt die Test- und Entwicklungszeit, was letztlich in niedrigeren Systemkosten resultiert. ADI-E2B-Transceiver unterstützen Funktionen wie IEEE 802.1AS, Open Alliance TC10/TC14 10BASE-T1S Sleep/Wake-up, Topologieerkennung, um eine intelligente Lösung mit Zeitsynchronisation im gesamten Fahrzeug zu bieten, sowie Energiesparmodi und einen einfachen Diagnoseprozess.

Zonenarchitektur – flexibel und skalierbar

Der Übergang von der bestehenden automobilen domänenbasierten Konstruktion zur Zonenarchitektur ist ein bedeutender Fortschritt in der Automobilindustrie. Die Zonenarchitektur bietet eine höhere Flexibilität und Skalierbarkeit. Sie ermöglicht die Zentralisierung von Software, minimiert die Verkabelung, erhöht die Kraftstoffeffizienz durch Gewichtsreduzierung und steigert die Kosteneffizienz. Im Vergleich zur Verwendung einer Kombination von Technologien senkt die konsequente Implementierung von Ethernet im gesamten Fahrzeug die Netzwerkkomplexität. Durch die Integration von 10BASE-T1S Automotive Ethernet wird das Automotive Ethernet auf die Randbereiche des Fahrzeugs ausgedehnt, was den Bedarf an teuren Gateways reduziert.

Die 10BASE-T1S-Produkte von ADI sind für die Verbindung von Edge Nodes ausgelegt, und mittels der E2B-Technologie kann man bei einem reinen Hardwareknoten die Stücklistenkosten noch weiter senken. Damit wird der Zeitaufwand für Tests und Entwicklung drastisch reduziert. Die Verantwortlichen müssen sich der damit verbundenen Vorteile, der potenziellen Kosteneinsparungen und des Beitrags zur Nachhaltigkeit in der Produktionsumgebung bewusst sein. Die E/E-Architektur mit 10BASE-T1S in Zonen bietet einen skalierbaren Softwareplattform-Ansatz mit weiteren Fortschritten in der zukünftigen Generation von Fahrzeugnetzwerken.

 

Literatur

[1] CARIAD LinkedIn Post. 2021.

[2] Rob Margeit. »Opinion: There’s Too Much Technology in Today’s New Cars.« Drive, November 2023.

[3] »Automotive Ethernet: An Overview.« Ixia, Mai 2014.

[4] Eunmin Choi, Hoseung Song, Suwon Kang, Ji-Woong Choi. »High-Speed, Low-Latency In-Vehicle Network Based on the Bus Topology for Autonomous Vehicles: Automotive Networking and Applications.« IEEE Vehicular Technology Magazine, Bd. 17, Nr. 1, März 2022.

 

 

Die Autoren

Andreas Pellkofer, Analog Devices.
Andreas Pellkofer, Analog Devices.
© Analog Devices

Andreas Pellkofer

schloss sein Studium der Elektro- und Informationstechnik an der TU München ab. Er kam 2006 als Applications Engineer zu Analog Devices. 2018 wurde er Teil der Emerging Systems and Technologies Group, wo er unter anderem an der Überwachung von Vitalparametern im Fahrzeuginnenraum arbeitete. Seit 2020 befasst er sich im Rahmen der Automotive Cabin Experience Business Group mit 10BASE-T1S-Produkten.

 

 

Madhura Deyanda Poonacha, Analog Devices
Madhura Deyanda Poonacha, Analog Devices
© Analog Devices

Madhura Deyanda Poonacha

schloss 2022 ihr Aufbaustudium in Marketing Management an der University of Galway ab. Im Januar 2023 kam sie als Product Marketing Specialist für ADI-E2B-10BASE-T1S-Produkte in der Automotive Cabin Experience Business Group zu Analog Devices.


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