Batteriemanagementsysteme Teil 1

Flexibilität ist ein Muss

8. Juli 2020, 9:00 Uhr | Iris Stroh
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Konsolidierung auf 48-V- und HV-Batterien

Dr. Clemens Müller, Director Application Management in der Automotive Division von Infineon Technologies, bestätigt zwar ebenfalls die Vielzahl von Anwendungen, »angefangen bei Mildhybrid und 48 V bis hin zu Vollhybrid, Plug-in-Hybrid oder vollelektrisch.« Allerdings ist seiner Meinung nach eine Konsolidierung auf 48-V- und HV-Batterien (HV: Hochvolt, 400 V, 800 V) erkennbar. Beide Produktkategorien basieren heute auf Lithium-Ionen-Zellen. Müller weiter: »Die Li-Ionen-Technik bietet heute die beste Kombination aus Leistungsdichte, Herstellbarkeit und Kosten.« Bei den HV-Batterien ist aus Müllers Sicht ein Trend hin zu größeren Batteriemodulen mit höheren Zellenzahlen erkennbar, aber auch hin zu flexibleren und skalierbaren Batteriearchitekturen. Dies wiederum wirkt sich auf die Anzahl der Messkanäle und die zugrunde liegenden Konnektivitätskonzepte – sowohl innerhalb als auch zwischen den Batteriemodulen – aus. Müller betont, dass flexible und sehr robuste Kommunikationsverbindungen mit hohem Durchsatz und niedrigen Latenzzeiten wichtig sind, um die erfassten Sensordaten aus den verschiedenen Messkanälen an den integrierten Batterie-Controller weiterzuleiten, der die wichtigen Indikatoren wie SOC, SOH oder SOF ermittelt. Müller: »Die Ermittlung dieser Parameter basiert auf hochgenauen Messungen von Spannungen, Strömen und Temperaturen. Auf Batterieebene muss eine Genauigkeit von unter 1 Prozent für diese Indikatoren eingehalten werden.«

Alle betonen höchste Genauigkeit

Die meisten der derzeit verfügbaren BMS-ICs überwachen die Spannung, messen die Temperatur, bieten ein gewisses Maß an funktionaler Sicherheit und verfügen über eine Daisy-Chain-Kommunikationsmöglichkeit. Für Ciaramelletti besteht dennoch ein großer Unterschied zwischen den verschiedenen ICs, und zwar hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, der Robustheit, des Safety-Niveaus und der Zuverlässigkeit. So seien die jüngsten Bausteine von Maxim mit FlexPack-Architektur beispielsweise in der Lage, Zellspannungen von 0 bis 5 V und Busspannungen von –2,5 bis +2,5 V zu überwachen, sodass sich die Bausteine für das Management von Nieder- bis Hochspannungs-Batteriemodulen eignen. Das System könne auch eine Kombination von mehreren Temperatur- oder Systemspannungsmessungen mit vollständig redundanten Mess-Engines in einigen hunderten Mikrosekunden durchführen, oder Messungen an allen Eingängen ausschließlich mit der ADC-Mess-Engine in etwa 160 μs durchführen. Ciaramelletti weiter: »Die ICs können zwischen 8 und 14 Zellspannungen überwachen. Außerdem verfügen die Bausteine über Ausgleichsschalter für einen Zellenausgleichsstrom von bis zu 650 mA.« Die Bausteine mit Diagnosefunktionen können verkettet (Daisy Chain) werden, sodass bis zu 448 Zellen und 192 Temperaturen überwacht werden können.

Andreas Schlapka, NXP Semiconductors
Andreas Schlapka, NXP Semiconductors: »Je genauer und synchroner Spannung und Strom über die Fahrzeuglebensdauer gemessen werden können, desto weniger Sicherheitsspielraum ist erforderlich, was zu einer zusätzlichen Reichweite führt.«
© NXP Semiconductors

»Bausteine der neuesten Generation weisen eine typische Genauigkeit von 0,45 mV auf. Sie ermöglichen eine Überabtastung mit anschließender Filterung für eine höhere Störfestigkeit«, erklärt Ciaramelletti. Die Zellspannungen (–2,5 bis +5 V) werden differenziell über einen Gleichtaktbereich von 65 V gemessen. Wenn die Überabtastung aktiviert ist, können bis zu 128 Messungen pro Kanal mit 14 bit Auflösung gemittelt werden. »Alle unsere neuen BMS-ICs entsprechen den ASIL-D-Anforderungen für funktionale Sicherheit und FMEA-Anforderungen und sind dahingehend auch zertifiziert.«

Genauigkeit hängt von vielen Parametern ab

Ciaramelletti betont noch einmal, dass Maxim branchenweit die höchste Genauigkeit biete, und zwar auf Zell- und auf Stack-Ebene. Er macht aber auch geltend, dass Genauigkeit kein einfaches Thema sei, denn sie ließe sich nicht einfach als Zahl aus dem Datenblatt ablesen. Denn für die endgültige Genauigkeit des Batteriemanagementsystems sei nicht nur die Genauigkeit des Bausteins entscheidend, sondern noch viele andere Faktoren. In diesem Zusammenhang verweist er beispielsweise auf die Temperatur, die gemessene Spannung, die Eingangsfilterung, das Umgebungsrauschen, die Abtastgeschwindigkeit, Überabtastung, die ADC-Architektur, Anti-Aliasing-Filterung, das Quantisierungsrauschen, Veränderungen aufgrund des Lötvorgangs oder während der Lebensdauer. »Sie müssen alle bei der Entwicklung berücksichtigt werden, um das leistungsfähigste Batteriemanagementsystem zu realisieren«, so Ciaramelletti weiter.

Hardware Reuse beschleunigt ­Markteinführung

Laut Andreas Schlapka, Director Product Definition & Marketing for Battery Management Systems bei NXP Semiconductors, steht den Entwicklern auch bei NXP ein skalierbares BMS zur Verfügung, das es ihnen möglich macht, die gleiche Architektur für Batterien mit 14 bis 48 V und sogar Hochspannungs-Lithium-Ionen-Batterien zu verwenden. Schlapka: »Damit wird die Wiederverwendung von Hardware- und Softwarekomponenten über verschiedene Systeme hinweg möglich, was eine schnellere Markteinführung ermöglicht.« Die Kernfunktionen der BMS-ICs von NXP sind die Spannungs- und Temperaturüberwachung, die für SOC- und SOH-Algorithmen notwendig sind, und der integrierte Zellenausgleich (bis zu 300 mA gleichzeitig für alle Zellen), da nicht alle Batteriezellen gleich sind. »Damit können die schwächeren Kandidaten ausgeglichen und die maximale Leistung über die Lebensdauer erreicht werden«, so Schlapka. Er erklärt noch, warum die Temperaturmessung wichtig ist: Sie stellt sicher, dass die Batterie sicher betrieben werden kann. Außerdem wird über diese Messung die aktive Kühlung und Heizung gesteuert, um sowohl beim Laden als auch beim Entladen eine maximale Leistung zu ermöglichen. »Noch zeitkritischer ist die Spannungs- und Strommessung. Da beide Merkmale in die aktuellen NXP-BMS-ICs integriert sind, können sie für hochpräzise SOC-Berechnungen gleichzeitig gemessen werden«, so Schlapka. Auch Schlapka betont, dass die Genauigkeit der Messungen ein entscheidendes Schlüsselmerkmal darstellt, und weist darauf hin, dass viele Anbieter die anfängliche Messgenauigkeit anpreisen; »dabei ist der Gesamtmessfehler über die Produktlebensdauer viel wichtiger.« Ivo Marocco, Director of Business Development and Functional Safety for Battery Automotive Products bei Texas Instruments, merkt allerdings auch abschließend an: »Je exakter der IC die Messwerte erfasst und meldet, umso mehr Energie kann der Batterie entnommen werden. Allerdings ist ein noch so guter IC nichts wert ohne gute SOX-Algorithmen. Es kommt darauf an, dass die Software beim Auswerten der Daten und beim Minimieren der Fehler genauso zuverlässig und präzise ist wie die Hardware.« 


  1. Flexibilität ist ein Muss
  2. Konsolidierung auf 48-V- und HV-Batterien
  3. Safety und Security

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