Hochentwickelte Sensorsysteme sind das Kernstück automatisierter und autonomer Fahrzeuge. Welche Sensorsysteme das sind, und wie sie sich vor Störungen schützen lassen, beschreibt dieser Beitrag.
Im Zuge der Entwicklung von teil- und vollautonomen Fahrzeugen in der Automobilindustrie nimmt die Vielfalt an komplexen und hochempfindlichen elektronikbasierten Systemen deutlich zu. Das Ziel: Die Straßen sollen noch sicherer werden, so dass weniger Unfälle passieren und Verkehrsstaus proaktiv entschärft werden können. Für einen zuverlässigen und sicheren Betrieb autonomer Fahrzeuge sind mehrere leistungsstarke, miteinander verbundene Sensoren und Subsysteme erforderlich.
Die elektrisch anspruchsvolle und laute Umgebung eines Elektro- oder Hybridfahrzeugs macht die technischen Herausforderungen noch komplexer. Zudem besteht ein erhebliches Risiko, dass die verschiedenen Systeme den Betrieb anderer sicherheitskritischer Systeme stören – sei es durch interne Quellen wie EMI, Transienten oder externe Einflüsse wie die straßenseitige C2X-Infrastruktur.
Hochentwickelte Fahrerassistenzsysteme bilden die Grundlage für das autonome Fahren und arbeiten im vollautonomen Modus mit fortschrittlichen und komplexen Anwendungen zusammen. Im teilautonomen Modus (Level 1 bis Level 3) warnen sie den Fahrer beispielsweise direkt vor drohenden Situationen. Die verschiedenen Ebenen der Automatisierung eines Fahrzeugs sind in Bild 1 dargestellt.
In einem autonomen Fahrzeug bestehen die Augen und Ohren des elektronischen Fahrers aus einer Vielzahl verschiedener Sensoren (Bild 2). All diese sind mit einem zentralen Computersystem vernetzt, das für die sichere Navigation des Fahrzeugs in jeder Fahrsituation verantwortlich ist.
Zu den Sensorsystemen zählen unter anderem ein Langstrecken-HF-Radar zur Erkennung von Fahrzeugen, Fußgängern und anderen sich bewegenden Objekten in größerer Entfernung vor dem Fahrzeug sowie ein Video-Subsystem mit einem maschinell lernfähigen Convolutional Network zur Erkennung von Fußgängern, Straßenschildern und Fahrspurabweichungen. Hinzu kommt außerdem ein 360°-Videokamerasystem zur Situationserkennung des Fahrzeugs in Bezug auf umliegende bewegte oder stehende Objekte.
Damit der Aufenthaltsort des Fahrzeugs dem System jederzeit exakt bekannt ist, muss eine leistungsstarke GNSS-Navigation für zentimetergenaue Positionsbestimmung und Dead-Reckoning-Funktionen (Koppelnavigationsfunktionen) vorhanden sein, wenn das Fahrzeug in stadttypischen Straßenschluchten oder durch Tunnels fährt.
Über die zuverlässigen und robusten Vernetzungsprotokolle CAN und Ethernet sind die Subsysteme mit einer akzeptablen Latenzzeit (<5 ms) verbunden. Bei Video- und Radar-Subsystemen geht der Trend immer mehr in Richtung maschinelles Lernen, um Objekte direkt am Ort der Erfassung zu erkennen und zu klassifizieren, ohne das zentrale System mit zusätzlicher Rechenleistung zu belasten.
Dieser Ansatz reduziert auch den Echtzeit-Latenz-Overhead, ein entscheidender Aspekt bei der Entwicklung von Fahrzeugen, die sich mit mehr als 30 m/s, also 112 km/h, bewegen. Die Latenz beeinträchtigt die schnelle Erkennung und Entscheidung des Systems und schließt daher die Verwendung von Cloud-Lösungen für alle Echtzeit-Fahraufgaben aus. So hat beispielsweise ein 4G-Mobilfunknetz eine typische Round-Trip-Latenz von 60 ms. Das bedeutet, dass das Fahrzeug bei der oben genannten Geschwindigkeit eine Strecke von 1,8 m zurücklegt. FlexRay und LIN sind zwei weitere, weit verbreitete Netzwerkprotokolle im Automotive-Bereich.
Für die Infotainment- und Videoübertragungsanforderungen im Fahrzeug entwickelt sich HDBaseT zu einem leistungsfähigen Netzwerkprotokoll. HDBaseT kombiniert die Vorteile von HDMI und Ethernet und überträgt Audio, Video, Ethernet, 100-W-Power-over-Ethernet (PoE), Systemsteuerung und USB über ein einziges Kabel. Dieses Automotive-Protokoll ist für den Einsatz in verschiedenen Domänen optimiert. Zur Verbindung von Geräten wird ein einziges ungeschirmtes Kabelpaar mit einer Länge von bis zu 15 m empfohlen. Die Integration der verschiedenen Übertragungselemente in ein einziges Kabel spart zudem erhebliches Kabelgewicht, Installationsaufwand und Materialkosten.
Für den sicheren und zuverlässigen Betrieb eines autonomen Fahrzeugs müssen alle miteinander verbundenen und voneinander abhängigen Systeme kontinuierlich und fehlerfrei arbeiten. Sollte sich der Ausfall eines Sensors abzeichnen oder die Subsystem-Überwachung eine unzureichende Leistung feststellen, muss sofort eine Alarmmeldung an den Zentralrechner erfolgen, um einen ausfallsicheren Stopp zu veranlassen.
Für den Betrieb der elektronischen Sensoren und der zugehörigen Subsysteme werden hochentwickelte analoge und digitale Komponenten genutzt. Diese sind anfällig für Störungen durch transiente elektrische Spannungen, elektromagnetische Störungen (EMI) und elektrostatische Entladungen (ESD).
Transienten treten an Stromversorgungsschienen durch schnelle dU/dt-Schaltwechsel auf und erzeugen Spannungsspitzen, die ein Vielfaches der nominalen Versorgungsspannung betragen. Hochleistungs-Elektromotoren und andere induktive Lasten können während des Betriebs kurze Überspannungsspitzen verursachen. Der Antriebsstrang stellt bei Elektrofahrzeugen natürlich eine Quelle von Transienten dar. Aber auch kleinere Motoren, wie zum Beispiel für die Lenkunterstützung,
Komfort- und Karosseriesteuerung oder die elektrische Feststellbremse können erhebliche Transienten erzeugen. Diese Transienten können entweder über gemeinsame Versorgungsschienen in ein Subsystem eindringen oder in benachbarten Kabeln induziert werden, beispielsweise in den Kabeln, die die Sensoren mit den Subsystemen oder die Netzwerkverbindung der Subsysteme mit dem Zentralrechner verbinden. Ohne geeignete Schutzmaßnahmen können Transienten dazu führen, dass sich Mikroprozessoren zurücksetzen oder sperren. In extremen Fällen können sie auch kritische Komponenten physisch beschädigen.
Induzierte EMI können zudem ein unvorhersehbares und fehlerhaftes Systemverhalten verursachen und von den verschiedensten Quellen stammen. Dazu zählen unter anderem Wireless Access Points und Smartphones. Auch hier sind Schutzmaßnahmen erforderlich, um zu verhindern, dass elektromagnetische Interferenzen von erheblicher Größenordnung den Betrieb eines kritischen Systems stören.
Statische Entladung ist für empfindliche elektronische Bauteile von enormer Bedeutung. Darauf muss in der gesamten Lieferkette und während der Produktion besonders geachtet werden. Aber auch im finalen Schaltkreis muss ihr Schutz vor elektrostatischen Entladungen gewährleistet sein. Wie auch Transienten verursachen statische Entladungen massive Spannungsspitzen und können durch eine elektrische Aufladung aus der Straßenreibung mit Gummireifen oder dem Körperkontakt mit Stoffen entstehen. Fahrzeuge, die in Gegenden mit niedriger Luftfeuchtigkeit eingesetzt werden, sind ebenfalls anfällig für statische Aufladung.
Bild 3 zeigt die wichtigsten Funktionsblöcke eines ADAS-Kommunikations- und Steuerungssubsystems, einschließlich der Schutzbausteine, die zum Einsatz kommen sollten.
Für jede Kommunikationsverbindung (2, 3, 4 und 5) ist ein Transienten- und ESD-Schutz erforderlich, der den elektrischen Spezifikationen und Datenraten des jeweiligen Protokolls entspricht. Das schnellste Protokoll ist Ethernet. Seine Datenübertragungsrate liegt typischerweise im Bereich von 100 Mbit/s bis 10 Gbit/s. Bei differenziellen High-Speed-Ethernet-Schnittstellen zählen die Verwendung von Polymer-ESD-Entstörern wie der AEC-Q200-qualifizierten AXGD-Xtreme-Guard-Serie von Littelfuse zu den empfohlenen Schutzmaßnahmen gegen ESD und transiente Überspannungen.
Bild 4 zeigt, wo ein Baustein der AXGD-Serie in der Ethernet-Verbindung von einem differenziellen Twisted Pair zum Ethernet PHY angeordnet wird. Mit einer schnellen Reaktionszeit und der Fähigkeit, 50-A-Transienten von bis zu 30 kV zu absorbieren, schützt die AXGD-Serie ein Differenzialpaar in einem einzigen Bauteil. Mit seinem besonders niedrigen Kapazitätswert hat der ESD-Schutz außerdem keinen Einfluss auf Ethernet-Datenübertragungsraten bis 1 Gbit/s.
Für die CAN-Transceiver-Schnittstelle werden Dioden-Arrays zum Schutz vor schnellen Transienten und ESD empfohlen. Bild 5 veranschaulicht die Verwendung eines Dioden-Arrays der AQ24CANA-Serie von Littelfuse.
Ein weiteres Beispiel für eine auf Zenerdioden basierende Diode zur Unterdrückung transienter Spannungen (TVS) ist die 600-W-TVS-Diode der SZ1SMB-Serie von Littelfuse. Die Serie SZ1SMB wird vorzugsweise in Stromversorgungen wie Position 1 in Bild 3 eingesetzt, und bietet vielfältige Anschlussmöglichkeiten, eine schnelle Ansprechzeit und kann hohe Stoßtransienten absorbieren.
Bei der Auswahl von Transienten- und ESD-Komponenten zum Schutz elektronischer Systeme im Automobilbereich sollte man sich mit den geltenden internationalen Normen vertraut machen. Die drei wichtigsten ISO-Normen sind ISO7637-2, ISO16750-2 und ISO10605:2008. Zusätzlich zu diesen Normen hat der Automotive Electronics Council (AEC) eine Reihe von Qualitätsstandards entwickelt, die die mechanischen, elektrischen und umweltbedingten Belastungskriterien für Komponenten in Automotive-Elektroniksystemen definieren. Zu den relevanten Normen zählen AEC-Q101 für diskrete Bauelemente wie Halbleiter und Dioden und AEC-Q200 für passive Bauelemente wie Kondensatoren, Widerstände und Induktivitäten.
Autonome Fahrzeuge könnten den Verkehr erheblich entlasten und unsere Straßen für Fahrer, Passagiere und Fußgänger sicherer machen. Der Schutz der elektronischen Systeme von autonomen Fahrzeugen vor den Auswirkungen von Transienten, elektromagnetischen Störungen (EMI) und elektrostatischen Entladungen (ESD) ist von entscheidender Bedeutung, um einen kontinuierlichen, verlässlichen und fehlerlosen Betrieb zu gewährleisten.
Mark Patrick
ist als Technical Marketing Manager für EMEA bei Mouser Electronics für die Erstellung und Verbreitung von technischen Inhalten in der Region verantwortlich. Bevor er das technische Marketing-Team leitete, war Patrick Teil des EMEA-Lieferanten-Marketing-Teams und spielte eine wichtige Rolle beim Aufbau und der Entwicklung von Beziehungen zu Fertigungspartnern. Vor seiner Tätigkeit bei Mouser arbeitete Patrick acht Jahre lang für Texas Instruments im Anwendungssupport und im technischen Vertrieb. Im Herzen ist er Ingenieur mit einer Leidenschaft für alte Synthesizer und Motorräder. Er schreckt auch nicht davor zurück, Reparaturen an diesen selbst durchzuführen. Patrick hat sein Studium in Elektronikingenieurwesen an der Coventry University absolviert.