Ethernet gewinnt zunehmend an Verbreitung und Kosteneffektivität, wobei gängige Bitübertragungsschichten genutzt und immer höhere Übertragungsraten erreicht werden. Viele industrielle Kommunikationsprotokolle werden deshalb auf Ethernet-basierte Lösungen umgestellt. Die Ethernet-Kommunikation mit TCP/IP ist in der Regel nicht deterministisch, und die Reaktionszeiten liegen oft bei 100 ms. Industrial-Ethernet-Protokolle nutzen deshalb einen modifizierten MAC-Layer (Media Access Control), um sehr geringe Latenzen und ein deterministisches Reaktionsverhalten zu erzielen. Hinzu kommt die Flexibilität, die Ethernet bezüglich der Netzwerk-Topologie und der Anzahl der Knoten im System bietet. Nachfolgend sollen jetzt einige der populären Industrial-Ethernet-Protokolle genauer beschrieben werden.
EtherCAT war ursprünglich von Beckhoff für die Verarbeitung von Paketen im Durchlauf entwickelt worden und sollte Automatisierungs-Anwendungen ein echtzeitfähiges Ethernet zur Verfügung stellen. Ferner sollte es skalierbare Konnektivität für komplette Automatisierungssysteme bieten – von großen SPS bis zur I/O- und Sensor-Ebene.
Das für Prozessdaten optimierte EtherCAT nutzt Ethernet-Frames gemäß der Norm IEEE 802.3. Jeder Slave-Knoten verarbeitet seine Telegramme und fügt neue Daten in das durchlaufende Telegramm ein. Da dieser Vorgang per Hardware abgewickelt wird, verursachen die einzelnen Knoten nur eine minimale Verarbeitungs-Latenz, was für kürzest mögliche Reaktionszeiten sorgt. Als MAC-Layer-Protokoll ist EtherCAT für alle übergeordneten Ethernet-Protokolle wie TCP/IP, UDP, Web-Server usw. transparent.
Mit EtherCAT lassen sich in einem System bis zu 65.535 Knoten verbinden. Als EtherCAT-Master kann ein herkömmlicher Ethernet-Controller fungieren, was die Netzwerk-Konfiguration vereinfacht. Infolge der geringen Latenz der einzelnen Slave-Knoten sind mit EtherCAT flexible, kostengünstige und netzwerkkompatible Industrial-Ethernet-Lösungen realisierbar.
EtherNet/IP ist ein ursprünglich von Rockwell entwickeltes Industrial-Ethernet-Protokoll. Während es sich bei EtherCAT um ein Protokoll auf der MAC-Schicht handelt, ist EtherNet/IP, ein auf TCP/IP aufsetzendes Protokoll auf der Anwendungsschicht. EtherNet/IP nutzt die standardmäßigen Bitübertragungs-, Sicherungs-, Vermittlungs- und Transportschichten von Ethernet, verwendet aber das Common Industrial Protocol (CIP) über TCP/IP.
CIP stellt einen einheitlichen Bestand an Meldungen und Diensten für industrielle Automatisierungssysteme zur Verfügung und kann mit mehreren physischen Übertragungsmedien eingesetzt werden. Zum Beispiel wird CIP über CAN-Bus als DeviceNet bezeichnet, CIP über ein spezielles Netzwerk dagegen als ControlNet und CIP über Ethernet als EtherNet/IP. Bei EtherNet/IP wird die Kommunikation von einem Applikations-Knoten zum anderen über CIP-Verbindungen eingerichtet, die ihrerseits über eine TCP-Verbindung laufen. Mehrere CIP-Verbindungen lassen sich auf der Basis einer TCP-Verbindung aufbauen.
EtherNet/IP nutzt das standardmäßige Ethernet und die entsprechenden Switche und lässt damit eine unbegrenzte Zahl von Knoten in einem System zu. Hierdurch ist es möglich, viele verschiedene Endpunkte in einer Fabrik mithilfe ein und desselben Netzwerks zu verbinden. EtherNet/IP bietet einen kompletten Produzent/Verbraucher-Dienst und erlaubt eine höchst effiziente Peer-to-Peer-Kommunikation zwischen Slaves. Außerdem ist EtherNet/IP kompatibel zu vielen standardmäßigen Internet- und Ethernet-Protokollen, während es hinsichtlich seiner Echtzeitfähigkeit und seiner deterministischen Eigenschaften Einschränkungen aufweist.
PROFINET ist ein verbreitet genutztes Industrial-Ethernet-Protokoll, auf das bedeutende Equipment-Hersteller wie Siemens oder GE setzen. Man unterscheidet zwischen drei Klassen: PROFINET Klasse A ermöglicht den Zugriff auf ein PROFIBUS-Netzwerk per Proxy, ein als Brücke fungierendes Ethernet und PROFIBUS mithilfe eines Fern-Prozeduraufrufs auf TCP/IP. Die Zykluszeit beträgt ca. 100 ms, und der Einsatz erfolgt üblicherweise für Parameterdaten und zyklische I/O-Vorgänge. Zu den typischen Anwendungen gehören Infrastrukturen und Gebäudeautomation.
Das auch als PROFINET Real-Time (PROFINET RT) bezeichnete PROFINET Klasse B bringt ein softwarebasiertes Echtzeitkonzept ins Spiel und weist eine auf etwa 10 ms reduzierte Zykluszeit auf. Klasse B wird vorwiegend für die Fabrik- und Prozessautomatisierung verwendet.
PROFINET Klasse C (PROFINET IRT) ist isochron und echtzeitfähig und erfordert besondere Hardware zum Reduzieren der Zykluszeit auf weniger als 1 ms. So wird im echtzeitfähigen Industrial Ethernet genügend Performance für Bewegungssteuerungs-Operationen geboten.
PROFINET RT kann in SPS-Anwendungen eingesetzt werden, während sich PROFINET IRT sehr gut für Bewegungssteuerungs-Anwendungen eignet. Branch und Star sind die gängigen Topologien, die für PROFINET zum Einsatz kommen. PROFINET-Netzwerke setzen eine sorgfältige Planung der Topologie voraus, damit das System die geforderte Performance erreicht.
POWERLINK war ursprünglich von B&R entwickelt worden. Ethernet POWERLINK wird auf der Basis von IEEE 802.3 implementiert und lässt deshalb in Sachen Netzwerk-Topologie, Cross-Connect und Hot-Plug die freie Wahl. Für den Datenaustausch in Echtzeit bedient es sich eines Polling- und Zeitschlitz-Mechanismus. Ein POWERLINK-Master (Managed Node) steuert die Zeitsynchronisation mit einem im zweistelligen Nanosekunden-Bereich liegenden Paket-Jitter.
Ein System dieser Art eignet sich für sämtliche Arten von Automatisierungssystemen, von der Kommunikation zwischen verschiedenen SPS über die Visualisierung bis hin zu Bewegungs- und I/O-Steuerungen. Die Hindernisse, die zur Implementierung von POWERLINK überwunden werden müssen, sind dank der Verfügbarkeit quelloffener Stack-Software sehr niedrig. Darüber hinaus ist CANopen Bestandteil des Standards, sodass das Aufrüsten von Systemen von früheren Feldbus-Protokollen einfach ist.
Sercos III ist die dritte Generation des Serial Real-time Communication System (Sercos). Es verbindet die Paketverarbeitung im Durchlauf für die Realisierung von Echtzeit-Ethernet mit der standardmäßigen TCP/IP-Kommunikation, um Industrial Ethernet mit geringer Latenz zu bieten.
Ganz ähnlich wie bei EtherCAT, verarbeitet auch ein Sercos-III-Slave die Pakete, indem im Durchlauf Daten entnommen bzw. eingefügt werden, um eine geringe Latenz zu erzielen. Sercos III teilt die Eingangs- und Ausgangsdaten in zwei Frames auf. Mit Zykluszeiten ab 31,25 µs ist Sercos III doppelt so schnell wie EtherCAT und PROFINET IRT. Sercos III unterstützt die Ring- und die Line-Topologie. Ein entscheidender Vorteil der Ring-Topologie ist die Kommunikations-Redundanz. Auch wenn es im Ring durch den Ausfall eines Slaves zu einer Unterbrechung kommt, erhalten die übrigen Slaves die Sercos-III-Frames mit den Eingangs- und Ausgangsdaten. Sercos III lässt bis zu 511 Slave-Knoten in einem Netzwerk zu und wird vorwiegend bei Servoantrieben eingesetzt.
CC-Link IE ist die Industrial-Ethernet-Technik des ursprünglich von Mitsubishi entwickelten CC-Link. Von CC-Link IE gibt es zwei Versionen, nämlich CC-Link IE Control und CC-Link IE Field. CC-Link IE Control ist für die Kommunikation von einer Steuerung zur anderen vorgesehen und lässt bis zu 120 Knoten pro Netzwerk zu. CC-Link IE Field dagegen ist für die I/O-Kommunikation und die Bewegungssteuerung gedacht und ermöglicht bis zu 254 Knoten pro Netzwerk.
CC-Link IE nutzt die Ethernet-Sicherungsschicht, und seine Control Frames sind direkt in das Ethernet-Frame eingebettet. CC-Link unterstützt nur die Ring-Topologie ohne Switche. Während dies einerseits für Netzwerk-Redundanz sorgen kann, wird andererseits nur eine begrenzte Anzahl Knoten in einem Netzwerk unterstützt, und die Zykluszeit hängt davon ab, wie viele Knoten insgesamt im Netzwerk vorhanden sind.
Modbus/TCP als Ergänzung zu Modbus wurde ursprünglich von Schneider Electric entwickelt und nutzt das Modbus-Messaging über TCP/IP, aufsetzend auf Ethernet. Modbus/TCP lässt sich einfach auf dem standardmäßigen Ethernet-Netzwerk implementieren, bietet aber keine Gewähr für Echtzeitfähigkeit und deterministische Kommunikation.
Um den Herstellern von Industrieanlagen eine wirtschaftliche und flexible Möglichkeit zur Implementierung einer Vielzahl industrieller Kommunikations-Protokolle in die Hand zu geben, hat Texas Instruments viele seiner System-on-Chip-Produkte mit einem Programmable-Realtime Unit Industrial Communications Subsystem (PRU-ICSS) ausgestattet, das durch geringe Latenz gekennzeichnet ist.
Das PRU-ICSS stellt eine kosteneffektivere, flexiblere und zukunftssicherere industrielle Kommunikationslösung dar als FPGAs, ASICs und weitere alternative Lösungen. Durch die Integration des PRU-ICSS in einen Single-Chip-Baustein gibt die flexible Hardwareplattform von TI den Herstellern die Möglichkeit, kosteneffektivere sowie deterministische, effiziente und softwareprogrammierbare industrielle Automatisierungssysteme zu realisieren.
Wir stehen am Beginn der dritten industriellen Revolution, bei der die Automatisierung als Motor für die Wirtschaft fungiert. Damit die industrielle Automatisierung erfolgreich sein kann, bedarf es eines zuverlässigen und effizienten Kommunikations-Netzwerks, mit dem sich die verschiedenen Komponenten einer Fabrik so verbinden lassen, dass sie effizient zusammenarbeiten.
Die Popularität und die große Verbreitung von Ethernet wird auch weiterhin Beweggründe liefern, bestehende Fabriken auf Industrial Ethernet aufzurüsten. Es wurden bereits viele verschiedene Industrial-Ethernet-Protokolle, die jeweils ihre spezifischen Vor- und Nachteile haben, im Feld implementiert. Künftige Industrial-Ethernet-Protokolle werden weiterentwickelt und zusammengeführt werden, um harte Echtzeitfähigkeit, deterministische Kommunikations-Verbindungen mit mehr Zuverlässigkeit sowie integrierte Merkmale für die funktionale Sicherheit zu bieten.
Ethernet verlangt darüber hinaus nach einer einheitlichen Hardware-Plattform, für die sich beispielsweise die System-on-Chip-Prozessoren (SoC) Sitara AMIC110, AM437x und AM57x von Texas Instruments mit integriertem PRU-ICSS anbieten, um die Voraussetzungen für ein kostengünstiges und flexibles System zu schaffen, das mehrere Protokolle unterstützen kann, und die vorausschauende Implementierung neuer Protokolle für die industrielle Kommunikations-Engine der industriellen Automatisierung anzutreiben.