Auf Basis von Low-Code-Software und KI

Digitales Assistenzsystem für die Industrie 4.0

13. Februar 2023, 21:36 Uhr | Andreas Knoll
Anwendungsbild (Montagearbeitsplatz): Der digitale Arbeitsplatzassistent der Zukunft powered by CLEVRAssist App
Anwendungsbild (Montagearbeitsplatz): Der digitale Arbeitsplatzassistent der Zukunft powered by CLEVRAssist App
© CLEVR

Weil die digitale Transformation hin zur Industrie 4.0 ausgerechnet in Zeiten des Fachkräftemangels geschieht, bedarf es technischer Assistenzsysteme für die Aus- und Weiterbildung. CLEVR hat daher eine Applikation entwickelt, die als Herzstück eines Assistenzarbeitsplatzes fungieren kann.

Die industrielle Fertigung anspruchsvoller Produkte, die Instandhaltung oder Installation moderner Maschinen oder Anlagen sowie der technische Service – alle Produktionsabläufe brauchen qualifizierte Mitarbeiter, damit Wertschöpfungs- und Arbeitsprozesse reibungslos laufen können. Digitale Assistenzsysteme schaffen die Möglichkeit, Menschen situativ, individuell und intelligent genau dafür anzuleiten und auszubilden – besonders in Zeiten von Fachkräftemangel. CLEVR, ein Unternehmen für Technologielösungen, hat seine Software- und Branchen-Expertise genutzt und die Applikation »CLEVRAssist« entwickelt, die als Herzstück einer neuen Generation digitaler Assistenzsysteme für die Industrie 4.0 fungieren kann. Die CLEVR-App, entwickelt auf der Mendix-Low-Code-Plattform, bildet die Prozesse für digitale Assistenz präzise ab und steuert die Kommunikation zwischen dem lernenden Menschen und dem Assistenzarbeitsplatz. Dabei sammelt sie in Echtzeit Daten von Peripheriegeräten, integriert KI-basierte Analyse von Bewegungsdaten und gibt individuelle Handlungsempfehlungen an die Nutzer aus.

CLEVRAssist entstand in einem gemeinsamen Forschungsprojekt aus der Zusammenarbeit mit dem Festo-Lernzentrum, der Aus- und Weiterbildungs-Institution von Festo, sowie dem Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI). Gemeinsam entwickelten die drei Partner einen prototypischen industriellen Assistenzarbeitsplatz, der echtes interaktives und situatives Lernen möglich macht: Während Festo den teilautomatisierten Montagearbeitsplatz mit allen benötigten Automatisierungskomponenten konzipierte, erarbeitete das DFKI die Sensorik sowie die KI-basierte Analyse für menschliche Bewegungsdaten. CLEVR entwickelte als Spezialist für Industrie-Lösungen sowie als Partner von Mendix und Siemens die Low-Code-Anwendung CLEVRAssist, die als Herzstück alle Arbeitsplatzdaten zusammenführt und die Echtzeit-Kommunikation mit den Lernenden steuert.

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Intelligent-adaptive Qualifizierungskonzepte von Festo

Klaus Herrmann und Sarah Rübel stellen den digitalen Arbeitsplatzassistenten vor, powered by CLEVRAssist App
Klaus Herrmann und Sarah Rübel stellen den digitalen Arbeitsplatzassistenten vor, powered by CLEVRAssist App
© CLEVR

»Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel ist eine zentrale Frage, wie sich Menschen durch digitale Assistenzsysteme weiter qualifizieren lassen«, formuliert Klaus Herrmann, Forschungsleiter des Festo-Lernzentrums, die gemeinsame Aufgabe im Projekt. »Dazu muss diese neue Generation von Assistenz- und Lernsystemen kontextsensitiv und intelligent-adaptiv sein. Die aktuelle Herausforderung und Innovation besteht darin, die Handlungen und Bewegungen des Menschen am Arbeitsplatz in Echtzeit zu erfassen, sie einzuschätzen und auf dieser Basis individuelle Empfehlungen und Informationen zu geben, die einen fehlerfreien Ablauf ebenso ermöglichen wie die situative Wissensvermittlung an die Mitarbeiter – und zwar individuell nach ihrem Lernniveau.«

Das Festo-Lernzentrum ist ein wichtiger Qualifizierungspartner der Industrie. Es erfasst betriebliche Ausgangspositionen und entwickelt ganzheitliche Lösungen für unterstütztes Arbeiten und situatives Lernen in Unternehmen – und zwar so, dass Assistenz und Lernen passgenau verknüpft sind. Im gemeinsamen Projekt konzipierte Festo einen prototypischen industriellen Assistenzarbeitsplatz, bei dem Nutzer Schritt für Schritt durch den teilautomatisierten Prozess geführt und angeleitet werden. Komponenten wie Pic-By-Light, Beamer- oder Laser-Projektion, Kamera-Inspektion, Identifikation durch RFID, Barcode oder QR-Code unterstützen dabei nicht nur die verschiedenen Arbeitsschritte, sondern melden manche Aktivitäten auch an das Assistenzsystem zurück. So werden die Daten am Arbeitsplatz von den Automatisierungskomponenten erhoben, und das System erkennt beispielsweise, ob ein bestimmtes Teil in der passenden Länge verbaut oder ob ein Drehmomentschlüssel richtig eingesetzt wurde– ein prototypischer industrieller Arbeitsplatz, der Assistenz und Lernen zusammenbringt.

Echtzeit Activity Tracking und Process Mining mit KI vom DFKI

Klaus Herrmann, stellvertretender Leiter des Festo Learning Centers, präsentiert der Staatssekretärin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Kornelia Haugg den digitalen Arbeitsplatzassistenten der Zukunft powered by CLEVRAssist.
Klaus Herrmann präsentiert der Staatssekretärin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Kornelia Haugg den digitalen Arbeitsplatzassistenten der Zukunft powered by CLEVRAssist.
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Aber nicht alle menschlichen Aktivitäten lassen sich durch technische Peripheriegeräte erfassen. Das DFKI übernahm deshalb die Aufgabe, auf Sensorbasis menschliche Bewegungen am Assistenzarbeitsplatz zu erfassen, Bewegungsmuster durch Künstliche Intelligenz (KI) zu identifizieren und zu analysieren sowie - auf dieser Basis - kontextsensitiv und personalisiert Empfehlungen für den nächsten Arbeitsschritt an die Nutzer zurückzumelden. Es entwickelte eine KI-Komponente, die in einem Echtzeit Activity Tracking die Positionsdaten von Sensorpunkten an Handgelenken, Ellenbogen und/oder Rumpf sammelt und auf Basis neuronaler Netze ein Process Mining betreibt. Es füttert so seine Process Engine mit Bewegungsdaten, um entscheidende Bewegungsmuster herauszukristallisieren und dem Menschen auf dieser Basis individuelle Handlungsempfehlungen geben zu können. »Durch diese Bewegungsmuster lassen sich die Aktivitäten am Assistenzarbeitsplatz verlässlich wiedererkennen und die lernenden Menschen präzise mit Handlungsempfehlungen unterstützen«, erläutert Sarah Rübel, Researcherin am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH). »KI ermöglicht hier situatives Lernen, das ihre Praxiserfahrung und die realen Bedingungen in Echtzeit berücksichtigt.«

Software als Herzstück: Die Low-Code-Applikation von CLEVR

Sven Jerusalem, Leiter Business Development bei CLEVR
Sven Jerusalem, CLEVR: »Digitale Assistenzsysteme der neuen Generation werden in vielen Szenarien großen Nutzen schaffen.«
© CLEVR

Die App CLEVRAssist bringt als Herzstück schließlich alle Datenflüsse zusammen und übernimmt die Kommunikation mit dem Anwender. Die Software-Applikation nutzt dazu im Wesentlichen drei Ebenen:

• Im Zentrum steht die Cloud-basierte Mendix-Plattform, die beispielsweise Applikationszugriffe regelt und für Sicherheit sorgt.
• Über eine IoT-Schnittstelle sammelt sie alle Daten aus den Peripheriegeräten des Arbeitsplatzes, also die Daten, die im konkreten Fall über interaktive Komponenten wie Pick-by-Light, Sensoren im Roboterarm oder einen Messschieber zurückgemeldet werden.
• Die CLEVRAssist-App bildet diese Daten in ihren Prozessen digital ab, integriert die KI-basierten Empfehlungen und lässt sich auch ohne großen Aufwand über standardisierte API-Schnittstellen an bestehende Cloud-Umgebungen, an ERP- oder CRM-Systeme anbinden.

Die CLEVR-Applikation übernimmt die Kommunikation und Interaktion mit den lernenden Menschen am Assistenzarbeitsplatz und folgt dabei didaktischer Best Practice – inklusive dynamischer Anpassung der persönlichen Assistenzstufen des Lernenden oder Arbeitenden.

Beitrag zu industrieller Wertschöpfung

»Mit der Entwicklung der CLEVRAssist-Applikation und unserem gemeinsamen industriellen Assistenzarbeitsplatz haben wir zusammen mit unseren Partnern gezeigt, was moderne digitale Assistenzsysteme ausmacht«, fasst Sven Jerusalem, Leiter Business Development bei CLEVR, das Projekt zusammen. »Digitale Assistenzsysteme dieser neuen Generation werden in vielen Szenarien großen Nutzen schaffen: Industrieunternehmen können nicht nur in der technischen Ausbildung von ihnen profitieren, sondern auch in der Produktion – gerade an anspruchsvollen Arbeitsplätzen oder in der Variantenfertigung, wo Abläufe sich nur leicht unterscheiden, aber es auf Qualität und Fehlerfreiheit ankommt.«

Die CLEVRAssist-App könnte in Zukunft auch VR- und AR-Technologie nutzen, um beispielsweise Service-Techniker oder auch das technische Handwerk bei Installationen und Reparaturen zu unterstützen. Die digitalen Assistenzsysteme dieser neuen Generation bringen das Lernen genau dahin, wo es direkt zur Wertschöpfung beiträgt.


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