Es fehlt ja auch an konkreten Brücken, also neuen Stromtrassen, über die Ländergrenzen hinweg, um den freien Austausch zu gewährleisten. Die DENA-I-Studie hatte hier schon 2005 konkrete Ausbaubedarfe für Deutschland genannt. Bisher ist kaum etwas davon gebaut worden. Wann muss beziehungsweise kann etwas in dieser Richtung geschehen?
Klar ist: Es muss sehr bald etwas geschehen, auch vor dem Hintergrund der Energieversorgungssicherheit und der Integration von Erneuerbaren. Derzeit gibt es zum Beispiel keine ausreichenden Verbindungen von den Windfarmen im Norden Deutschlands zu Industriegebieten und Wirtschaftsräumen im Süden des Landes, wo der Strom gebraucht wird. Die Reihenfolge beim Ausbau der Erneuerbaren muss ganz klar lauten: Erst die Errichtung der nötigen leistungsstarken Infrastruktur, dann der Bau neuer Windräder und Solaranlagen.
Der Ausbau des Übertragungsnetzes in Deutschland ist ebenfalls hochumstritten. Erst kürzlich fanden Proteste gegen den Bau der HGÜ-Trasse durch Thüringen und Bayern statt. Ist das Grund zur Besorgnis auf der EU-Ebene?
Ich wiederhole: Ohne leistungsstarke Infrastruktur ist der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien nicht sinnvoll. Wenn wir auf Windstrom setzen, dann brauchen wir auch Leitungen, um diesen zu transportieren. In der Nordsee nützt uns der Strom wenig, denn Schweinswale rasieren sich nicht. Es ist wichtig, dass sich sowohl die deutschen Bundesländer als auch die EU-Staaten bezüglich ihrer energiepolitischen Ziele und des Netzausbaus besser abstimmen.
Deutschland und weitere sechs Mitgliedsstaaten fordern bis 2030 ambitionierte Ziele für Energieeinsparungen: 40 Prozent bezogen auf 1990 sind anvisiert. Wird die EU diese Ziele die Energieeffizienz aufweichen?
Die Forderung, dass wir ehrgeizige Ziele haben sollten, teile ich. Aber einen Zielwert von 40 Prozent halte ich für nicht realistisch – und er ist in dem Brief ja auch gar nicht erwähnt. Sieben Mitgliedsstatten haben den Brief unterschrieben – also haben 21 ihn nicht unterschrieben. Die Frage ist also: Wie erreichen wir eine Mehrheit im Rat? Wir brauchen eine Energieeffizienzpolitik mit Zielen bis 2030, die mehrheitsfähig ist.
Was wäre denn mehrheitsfähig?
Wir werden noch vor dem Sommer eine Mitteilung vorlegen und analysieren, wo wir derzeit in Sachen Steigerung der Energieeffizienz stehen. Aller Voraussicht nach werden wir auch gleichzeitig einen Vorschlag für eine Zielsetzung bis 2030 präsentieren. Wie hoch der Wert sein wird, ist noch Gegenstand von Beratungen. Wir sollten auch überlegen, ob es sinnvoll ist, künftig eine Verbindung zwischen dem Zielwert und der wirtschaftlichen sowie demografischen Entwicklung herzustellen.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Was wäre ihr künftiger Lieblingsposten in der EU?
Die Ressortverteilung ist in erster Linie Sache des künftigen Präsidenten der Kommission. Ich persönlich bin offen. Zum einen bin ich sehr gerne für Energie zuständig und kann mir vorstellen, es auch zu bleiben. Zum anderen interessiere ich mich aber auch für andere Themenbereiche, die mit der Wirtschaftspolitik und der Wettbewerbsfähigkeit Europas zu tun haben.