Günther H. Oettinger, Vizepräsident der EU-Kommission:

»Wir brauchen eine Europäisierung der Fördersysteme!«

11. Juli 2014, 9:21 Uhr | Heinz Arnold
Günther H. Oettinger, Vizepräsident der EU-Kommission
© PPC AG

In Deutschland könne die Abschaltung von AKWs durch andere Energieträger kompensiert werden, erklärte EU-Energiekommissar Günther Oettinger im Interview mit Energie&Technik. Deutschland müsste sich aber darüber im Klaren sein, dass es gerade dabei ist, eine doppelte Infrastruktur aufzubauen.

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Energie & Technik: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die EU-Mitgliedsländer die Förderung von Ökostrom auf die einheimischen Erzeuger beschränken dürfen. Kann jetzt auch die EU-Kommission nichts mehr gegen das EEG unternehmen, dem der Bundestag zugestimmt hat?

Günther Oettinger: Die Novelle des EEG ist eng mit der EU-Kommission abgestimmt worden, noch enger als das bei anderen Novellen der Fall war. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs brachte sicher eine deutliche Verringerung des Konfliktpotenzials im Hinblick auf das Thema Importstrom und seine Nachweismöglichkeiten. In den vergangenen Tagen haben die deutsche Regierung und die Kommission nun eine endgültige Einigung über die Reform des EEG erzielt, also einen Kompromiss bezüglich der noch offenen Fragen des Importstroms und Eigenstroms gefunden. Es ist gut für alle Beteiligten, dass nun Klarheit herrscht und die dringend notwendige Reform des EEG voranschreiten kann.

Widerspricht es nicht dem Grundgedanken des europäischen Binnenmarktes, wenn die Mitgliedsstaaten Grünstrom fördern können wie sie wollen?

Es stimmt schon: Wir müssen den Binnenmarkt vollenden und ein Fördersystem für Erneuerbare Energien schaffen, bei dem es keinen Unterschied macht, ob der Ökostrom von einem Windrad in Husum oder in Süddänemark produziert wird. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Wäre das Urteil des Europäischen Gerichtshofs so ausgefallen, wie das Votum des Generalanwalts, dann hätte das einen Umstieg mit der Brechstange erzwungen. So wird es keine Revolution geben, aber eine Evolution. Das Urteil gibt uns und den Mitgliedsstaaten die Chance, bis Ende des Jahrzehnts eine Öffnung der Fördersysteme einzuleiten. Ich halte es für notwendig, dass wir bis zum Jahr 2020 eine Europäisierung der Fördersysteme erreichen, also eine Art Europäisches EEG einführen.

Nun sehen die Strukturen in den Mitgliedsstaaten recht unterschiedlich aus, in Frankreich wird noch lange Atomstrom dominieren, in Polen Kohlestrom. Wie kann das funktionieren?

Wir haben eine europäische Landkarte, auf der die Infrastruktur und deren erforderliche Entwicklungen für alle Mitgliedsstaaten klar aufgezeigt sind. Wir müssen in der Qualität und Kapazität der Strom- und Gasversorgung dorthin kommen, wo wir bei anderen Infrastrukturen wie Autobahnen, der Luftfahrt und im Datenverkehr schon sind.

Was die Strukturunterschiede in den Mitgliedsstaaten angeht, müssen wir selbstverständlich die Kompetenzverteilung achten. Der Vertrag von Lissabon legt ausdrücklich fest, dass die Entscheidung, wie die Energie produziert wird - ob mit oder ohne Kernkraftwerke, ob mit Wasserkraft oder Kohle - Sache der Mitgliedsstaaten ist. Eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Regionen zu schlagen, halte ich für möglich und dringend erforderlich. Außerdem müssen wir dazu kommen, die Kosten der jeweiligen Methoden der Energieerzeugung vollumfänglich zu betrachten und aufzuzeigen.

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