Zwischen Hype und wirklichem Potenzial

Zukunftstechnologie Natrium-Ionen-Batterie

10. Januar 2024, 15:12 Uhr | Engelbert Hopf
© angkhan/stock.adobe.com

Im Rekordtempo werden vor allem in China Produktionskapazitäten für Natrium-Ionen-Batterien installiert. IDTechEx rechnet 2025 mit einer Fertigungskapazität von 10 GWh, andere gehen bereits in drei Jahren von einer Fertigungskapazität von über 100 GWh aus.

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Nun geht es daran, den Hype in einen Markterfolg umzumünzen. 

Je weiter die Elektrifizierung der Welt voranschreitet, Stichwort All-Electronic Society, desto klarer wird die hohe Abhängigkeit der Energiespeicherindustrie von kritischen Rohstoffen wie Lithium oder Kobalt. Eine Diversifizierung der Batteriechemie ist darum entscheidend für ein langfristiges Kapazitätswachstum. Ein »One-Size-Fits-All« wird es dabei nicht geben, es gab und gibt keine Batteriechemie, die alle Eigenschaften für jede Applikation besitzen würde. Das gilt auch für die in jüngster Zeit gehypte Natrium-Ionen-Batterie. Sie wird die bestehenden und zukünftigen Lithium-Ionen-Technologien zwar in vielen Anwendungen ergänzen, aber eben nicht verdrängen.

Die Zukunft von Natrium Ionen Akkus

Entscheidend für den Erfolg der Natrium-Ionen-Batterie ist die Tatsache, dass die Natrium-Ionen-Technologie eine Drop-in-Technologie für die aktuellen Lithium-Ionen-Produktionslinien ist. Damit würden sich auch Gigafactories sehr schnell auf Natrium-Ionen-Zellen umrüsten lassen. Die Tatsache, dass Natrium-Ionen-Batterien kaum eine neue Anlagentechnik erfordern, sondern lediglich andere Ausgangsmaterialien und Produktionsparameter, ist deshalb auch einer der Kernpunkte der vor Kurzem veröffentlichten Marktstudie »Natrium-Ionen-Batterien 2023 bis 2033: Technologie, Akteure, Märkte und Prognosen«, die das Marktforschungsinstitut IDTechEx im Sommer veröffentlich hat.

Aktuell laufen nach diesem Report weltweit vor allem Pilotanlagen und kleinere Fabriken, die bislang nur wenige GWh an Natrium-Ionen-Batterien pro Jahr herstellen. Aber allein die von verschiedenen Rohstoffherstellern öffentlich angekündigten Kapazitäten, so die Analysten, summieren sich in den nächsten drei Jahren auf weit über 100 GWh. Vor diesem Hintergrund prognostiziert IDTechEx, dass bis 2025 voraussichtlich etwa 10 GWh an Natrium-Ionen-Batterien installiert sein werden. Der Erfolg oder Misserfolg eines einzelnen Akteurs kann sich zu Beginn massiv auf den Markt auswirken. Für den Zeitraum von 2025 bis 2033 erwartet IDTechEx ein durchschnittliches jährliches Wachstum im Bereich der Natrium-Ionen-Batterien von 27 Prozent.

Alternative zu Blei- und Lithium-Ionen-Batterien

Gespeist wird dieses Wachstum unter anderem von der Tatsache, dass es derzeit einfach keine marktreife, kostengünstige Batterietechnologie gibt, die mit ihrer Energiedichte zwischen Blei- und Lithium-Ionen-Batterien liegt. Berücksichtigt man aktuell die verschiedenen, benötigten Chemiestoffe, so die Analysten von IDTechEx, dann liegen die durchschnittlichen Zellkosten für Natrium-Ionen-Batterien bei 87 US-Dollar/kWh. Zum Vergleich: Lithium-Eisenphosphat kommt nach Einschätzung von Prof. Dr. Markus Hölzle, Materialspezialist am ZSW in Baden-Württemberg, auf etwa 118 Euro/kWh, und eine Lithium-Batterie in Form von NMC811-Zellen (Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxide) würde mit etwa 146 Euro/kWh zu Buche schlagen. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts, so die Einschätzung der Marktforscher, dürften die Produktionskosten für die neuen Batterien, die hauptsächlich aus Eisen und Mangan bestehen, wahrscheinlich bei etwa 40 US-Dollar/kWh gesunken sein. Auf Packungsebene dürfte das in etwa 50 US-Dollar/kWh entsprechen.

Natrium-Ionen-Batterien für E-Autos

Welche Einsatzmöglichkeiten drängen sich aus heutiger Sicht für Natrium-Ionen-Batterien auf? In E-Fahrzeugen steht bislang vor allem die volumetrische Energiedichte im Vordergrund. Je mehr Platz eine Batteriezelle bei einer bestimmten Energiedichte einnimmt, desto weniger Zellen lassen sich in dem Fahrzeug unterbringen, was die Reichweite einschränkt. Anders sieht es bei der Netzspeicherung aus. Da hat der Platzbedarf des Batteriepacks im Allgemeinen keinen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Energiespeichers. Vielmehr liegt die Priorität bei dieser Applikation bei den Kosten pro kWh und Zyklus.

Preis der Natrium-Ionen-Batterie

Im Bereich E-Mobility besteht das größte Potenzial der Natrium-Ionen-Batterien aus heutiger Sicht im Bereich der Elektrofahrzeuge mit Standardreichweite. Also einer vergleichsweise geringen Batteriekapazität im Vergleich zu teureren Modellen gleichen Bauart. Speziell in dieser Anwendung könnten Natrium-Ionen-Batterien mit ihrer höheren Ladegeschwindigkeit und ihrem geringen Kapazitätsverlust bei niedrigen Temperaturen eine sehr attraktive Alternative zu klassischen Lithium-Ionen-Produkten darstellen. Jüngstes Beispiel dafür ist der BYD Seagull, der in China bereits mit Natrium-Ionen-Batterien über die Straße rollt. Er soll auch in Europa angeboten werden und dann mit einer Elektroreichweite von 305 km unter 10.000 Euro kosten. Bei CATL geht man davon aus, dass der Preis für eine Natrium-Ionen-Batterie für einen Kompaktwagen mit 50 kWh bei 3000 bis 4000 Euro liegen dürfte. Zum Vergleich: Im Fall einer Lithium-Ionen-Batterie würde sich der Batteriepreis bei bis zu 8000 Euro bewegen. Ein weiterer Vorteil: Dank der alternativen Speichertechnologie könnte man den Einsatz Performance-starker Lithium-Ionen-Batterien im Bereich Elektrofahrzeuge auf Anwendungen konzentrieren, wo ihre speziellen Eigenschaften wirklich zum Tragen kommen.

Top-10-EV-Battery-Manufacturers
Eine Analyse des südkoreanischen Markforschungsinstituts SNE Research zeigt, dass die Top 10 der Batterielieferanten für Elektrofahrzeuge im Jahr 2022 von chinesischen Herstellern dominiert wurde. In Summe entfallen auf chinesische Hersteller 56 Prozent des Marktanteils. Mit einem raschen Aufbau der Fertigungskapazitäten für Natrium-Ionen-Batterien dürfte sich dieser Anteil wohl noch weiter erhöhen.
© SNE Research

Bleibt die Frage: Wer treibt die neue Batterietechnologie aktuell am intensivsten voran? Zwar gibt es mit Faradion und Natron Energy durchaus auch in den USA und Großbritannien Unternehmen, die sich mit Natrium-Ionen-Batterien beschäftigen, die größte Dynamik dürfte aber derzeit in China herrschen. Mit HiNa Battery Technology und CATL sind die beiden größten genannt, die bereits in Serie entsprechende Batterien produzieren. Dazu kommen weitere Unternehmen wie etwa ZooInasm oder Cham Battery Technology. Wer das Internet durchforstet, der findet dort auch Anbieter wie Selian Energy, die unter dem Markennamen Hakadi bereits Natrium-Ionen-Zellen der Zellgrößen 21700 und 18650 unter anderem in Europa verkaufen.

Vorteile der Natrium-Ionen-Batterie

Doch wo steht die Natrium-Ionen-Batterie heute Performance-technisch? Nach Angaben von IDTechEx konnte die erste Generation bei Faradion mit 155 Wh/kg aufwarten, die 2. Generation soll mehr als 190 Wh/kg bieten. HiNa Battery Technology legt noch einen drauf. Nach 145 Wh/kg in der ersten Generation, soll die 2. Generation 180 bis 200 Wh/kg bieten. Cham Battery Technology hat bislang noch keine Angaben zu seiner zweiten Generation gemacht, die erste lag bei 150 Wh/kg. Und der französische Hersteller Tiamat Energy konnte in der 1. Generation 120 Wh/kg vorweisen, für die 2. Generation sind schon 140 bis 180 Wh/kg angestrebt. Damit liegen die Firmen mit der zweiten Generation in etwa auf dem Niveau aktueller Lithium-Eisenphosphat-Batterien.

Und in Deutschland? Hier geht man aktuell noch der Frage nach, ob es gelingen könnte, eine von China unabhängige Fertigung von Natrium-Ionen-Batterien in Deutschland aufzubauen. Dazu Dr. Florian Degen, Bereichsleiter für Strategie- und Unternehmensentwicklung am Fraunhofer FFB: »In Deutschland und Europa sind die Voraussetzungen für den Erfolg von Natrium-Ionen-Batterien gegeben. Für den Aufbau einer NIB-Industrie wird entscheidend sein, wie sich die Preise und die Lieferkette für LIB-Materialien zukünftig entwickeln. Umso wichtiger ist es nun, die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschung zu fördern, damit deutsche Hersteller frühzeitig in die Produktion von Natrium-Ionen-Batterien einsteigen und diese Technologie als Ergänzung auf dem Batteriemarkt dienen kann.«


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