Schaltnetzteile

Kenngrößen richtig messen

3. April 2018, 13:30 Uhr | Heidrun Seelen, Frank Cubasch, Magic Power Technology
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Messungen auf der Primärseite

Messungen auf der Primärseite sind in aller Regel komplizierter durchzuführen. Neben der höheren Netzspannung per se, sind durch die Beschaltung mit einem Gleichrichter und nachfolgendem Sieb- beziehungsweise Zwischenkreiskondensator die Eingangsströme stark nichtlinear. Diese weisen zudem einen ungewöhnlichen Scheitelfaktor bezogen auf den Spannungsverlauf der Quelle auf (Bild 5a). Der auch als Crest-Faktor bezeichnete Quotient aus Spitzenwert zu Effektivwert liegt bei sinusförmiger Spannung und ohmscher Last bei √(2). Der eingesetzte Siebelko übernimmt maßgeblich zwei Funktionen. Zum einen glättet er die Eingangsspannung für die nachgeschaltete Pulsweitenmodulation (PWM), zum anderen puffert er bei Netzunterbrechungen. 

Die Ladespannung orientiert sich am Scheitelwert. Dadurch erreicht der Stromflusswinkel nur kleine Werte. In Bild 5a sind dies pro Halbwelle nur 2 ms, also entsprechend nur 35° bis 40°. Dadurch steigt der Spitzenwert des Stromes im Vergleich zur sinusförmgen Stromaufnahme (siehe Bild 5b) drastisch.

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Bild 5: Eingangsseitiger Strom- und Spannungsverlauf bei einem 120-W-Netzteil mit PFC der Klasse A mit Stromflusswinkel 2 ms (links) und mit aktiver PFC der Klasse D mit Stromflusswinkel 10 ms.
© Magic Power Technology
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und mit aktiver PFC der Klasse D mit Stromflusswinkel 10 ms.
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Damit die Versorgungsnetze nicht zu stark »verschmutzt« werden, hat der Gesetzgeber dies unter anderem in der IEC 61000-3-2 begrenzt. Vereinfachend wird in diesem Zusammenhang oft von Phasenverschiebung gesprochen, wobei dies den Sachverhalt nicht genau beschreibt. Gemäß der Norm werden bis zu 40 Oberwellen gemessen. Je nach Art des Endprodukts sind unterschiedliche Grenzwerte definiert (Klasse A bis D), die entweder einen Absolutwert des Stroms für jede Oberwelle vorgeben oder sich prozentual auf die reale Ist-Eingangsleistung beziehen (Tabelle 1). Entsprechend der jeweiligen Eingruppierung in eine Klasse (A bis D) werden entweder alle Oberwellen berücksichtigt (A und B) oder nur ungeradzahlige Oberwellen (C und D). Geprüft werden müssen Produkte mit einer Betriebsspannung von 230 V, einem maximalen Strom von 16 A und mit Anschluss an das öffentliche Versorgungsnetz. Außerdem müssen sie im Leistungsbereich von 75 W bis 1000 W (Klasse D, 600 W) arbeiten. Es wird empfohlen genau zu prüfen, ob die Vorschrift im jeweiligen Fall zum Tragen kommt und welche der Klassen (A bis D) anzuziehen ist. Für die Auswahl der Stromversorgung bedeutet dies am Ende wesentliche Unterschiede in Design, Größe und letztendlich auch Kosten.

PFC-KlasseProdukteLimits der OberwellenGeradzahlige OberwellenUngeradzahlige OberwellenBereich der Eingangsleistung
Asonstiges

Absolutwert

JaJa75 W – 1000 W
Btragbare ElektrowerkzeugeAbsolutwertJaJa75 W – 1000 W
CBeleuchtungleistungsbezogener Wert2. OberwelleJa75 W – 1000 W
DPC & TVleistungsbezogener WertNeinJa75 W – 600 W

 

Tabelle 1: Grenzwerte und Gruppierung der IEC 61000-3-2.

Für kleinere Leistungen lassen sich die Grenzwerte der Klasse A ohne aktive Korrektur einhalten. Für Klasse D ist in der Regel eine Korrekturstufe vor dem Siebelko notwendig. Diese auch aktive PFC-Stufe (Power Factor Correction) genannte Schaltung setzt die Eingangsspannung auf eine Gleichspannung von etwa 380 V hoch und entnimmt dem Netz einen sinusähnlichen Strom, der phasengleich zur Versorgungsspannung ist.

Bei identischer Leistung ist zu erkennen, dass ein Netzteil mit einer PFC der Klasse A einen geringeren Stromflusswinkel mit höherem Spitzenstrom aufweist als ein vergleichbares Netzteil mit aktiver PFC, die einen Strom proportional zur Spannung entnimmt.

Die Betrachtung der entsprechenden harmonischen Oberwellen gemäß IEC 61000-3-2 aus Bild 5 ergibt ein Ergebnis, das in Bild 6 zu sehen ist. Wie wirkt sich dies nun auf Messungen der Eingangsleistung in der Praxis aus?

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Bild 6: Harmonische Oberwellen der Messungen aus Bild 5; links mit PFC der Klasse A, rechts mit aktiver PFC der Klasse D.
© Magic Power Technology
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rechts mit aktiver PFC der Klasse D.
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Eingangsleistung

Die Messergebnisse von verschiedenen Messinstrumenten an einem Netzteil mit und einem ohne PFC geben einen Überblick (Tabelle 2). Bei Netzteilen mit PFC lässt sich die Eingangsleistung noch mit überschaubarem Aufwand relativ genau messen. Bei einem Schaltnetzteil ohne PFC führt die Nutzung eines RMS-Amperemeters jedoch zu verfälschten Werten. Eine Netzspannung von 110 V macht die Messung nicht einfacher, da hier naturgemäß höhere Ströme fließen.

MessgerätNetzteil mit aktiver PFCNetzteil ohne PFC
Vektor-Wattmeter (Referenz)136,20 W135,57 W
Amperemeter (RMS) × 230 V140,8 W211,6 W
Stecker-Wattmeter134 W138 W

 

Tabelle 2: Eingangsleistung im Betrieb bei verschiedenen Messverfahren.

Im Betrieb unter Last befindet sich der Wandler im kontinuierlichen Betrieb, das heißt, man kann davon ausgehen, dass keine Lücken in der Stromaufnahme zu sehen sind. Anders stellt sich die Situation bei der Messung der Leerlaufleistung dar. Bei Werten von aktuell <0,5 W ist eine kontinuierliche Entnahme nicht wahrscheinlich. Dies führt zu den Ergebnissen aus Tabelle 3. Einfache Messgeräte liefern hier ein völlig falsches Ergebnis. 

MessgerätNetzteil mit aktiver PFCNetzteil ohne PFCBemerkung
Vektor-Wattmeter (Referenz)402,46 mW355 mWals Energiezähler über 15 min. geschaltet
Vektor-Wattmeter399 mW372 mWals Wattmeter geschaltet
Amperemeter (RMS) x 230 V19,78 W13,48 W 
Stecker-Wattmeter0 W0 W 

 

Tabelle 3: Eingangsleistung im Leerlauf bei verschiedenen Messverfahren.


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  2. Messungen auf der Primärseite
  3. Hold-up-Zeit und Temperaturmessungen

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