EnerKíte hat seine erste Flugwindkraftanlage an den Präzisionsfertiger Seipp & Kehl im hessischen Gemünden verkauft. Sie wird dort die Stromversorgung übernehmen und als Demo-Anlage für potenzielle weitere Kunden dienen.
Damit sei laut EnerKíte der Proof-of-Market erbracht. Darüber hinaus sei die Vertriebs-Pipeline prall gefüllt: Das Unternehmen arbeitet an neun weiteren Pilot-Projekten in Deutschland, Europa und der Welt. Dazu zählen neben Seipp & Kehl auch e.disnatur und Elli (Volkswagen Group Charging). Außerdem sind inzwischen sieben weitere Pilotprojekte in Vorbereitung. Sie befinden sich nicht nur in Deutschland (7 Projekte), sondern auch im europäischen (2 Projekte) und außereuropäischen Ausland (1 Projekt).
Strategisch besonders wichtig: Die Projekte decken nicht nur unterschiedliche geografische Märkte ab, sondern unterschiedliche Industrien und Marktsegmente. Die Pilotprojekte beziehen sich sowohl auf mittelständische Betriebe als auch auf Konzerne, betreffen Städte wie Kommunen und stammen von Energieversorgern oder aus dem Tourismus-Bereich. »Unsere innovative Lösung findet also an vielen Stellen Anklang, auch in Bezug auf deren Einsatzzweck. Es geht um Eigenstromversorgung, E-Mobilität, Mini-Grid (netzgebunden), Utility Scale und Inselnetze«, sagt Florian Breipohl, Geschäftsführer von EnerKíte.
Der Kaufvertrag mit Marc Schneider, Gesellschaftergeschäftsführer von Seipp & Kehl, ist mittlerweile unterschrieben, die Bestellung mit einer Anzahlung unterlegt. »Wir haben uns für den Windkraftanlagenhersteller EnerKíte besonders wegen der automatisierten Starts und der automatisierten Landung der Flugdrachen entschieden, denn darüber kann die sichere Versorgung gewährleistet werden, die wir für den Betrieb der eigenen Fertigung benötigen«, sagt Marc Schneider. Dabei seien für ihn vor allem die über einen Zeitraum von 20 Jahre konstanten Stromgestehungskosten entscheidend gewesen, denn so könne er langfristig planen, ohne von den Preisschwankungen am Strommarkt überrascht zu werden.
Im Vogelsbergkreis, der Heimat von Seipp & Kehl, stehen zwar viele Windräder, aber die sind für die Anforderungen des mittelständigen Zerspanungsbetriebs zu groß. Deshalb hat Seipp & Kehl wie viele Unternehmen Photovoltaikmodule auf dem Dach installiert. Das habe aber in der Nacht nicht so gut funktioniert und deshalb hat Marc Schneider sich nach einer Möglichkeit umgesehen, die eine stabile und vor allem auch preisstabile Versorgung der Produktion auch nachts gewährleistet. Dabei ist er auf die Flugwindkraftanlagen und insbesondere auf EnerKíte gestoßen: »Die auf 100 kW ausgelegte »EK100«-Anlage von EnerKíte ermöglicht uns jetzt die komplette Abdeckung unseres Grundbedarfs.«
Marc Schneider hat sich als Maschinenbauingenieur ausführlich mit der Technologie von EnerKíte auseinandergesetzt – und selbst auch schon einen substanziellen Betrag in EnerKíte investiert. Mit seinen Erfahrungen als Zulieferer für den Maschinen- und Anlagenbau, für die Luft- und Raumfahrt ebenso wie für die Automobilindustrie, ist er nicht nur Kunde. Er und sein Team würden mit ihren tiefen Fachkenntnissen laut EnerKíte auch beim Aufbau der Serienproduktion zur Seite stehen. Seipp & Kehl kann aus 69 Jahren Expertise schöpfen. Als Systempartner versteht sich die Firma auf das Drehen, Fräsen, Schleifen und Erodieren komplexer Bauteile, sowie auf die Komplettfertigung inklusive Montage ganzer Baugruppen.
Die Grundidee besteht darin, Windenergie nicht über Windräder, sondern über Drachen bzw. Flügel an Leinen zu ernten. Zwar gewinnen auch große Windräder elektrische Energie aus Wind. Sie erzeugen jedoch den größten Teil der Energie nur über das äußere Drittel ihrer Flügel. Leider ist ihre Höhe sehr begrenzt. Ein Drachen kann dagegen in die Höhen aufsteigen, in denen praktisch immer Wind weht und nur sehr selten Flaute herrscht. Dort fliegt er Achten und steigt dabei auf und ab. Er fliegt an Leinen, die bei seinem Aufstieg eine Seilwinde drehen, die über einen Generator Strom erzeugen kann. In der Rückholphase arbeitet der Generator als Motor und zieht den Drachen wieder ein. Ist er unten angekommen, beginnt der neue Aufstieg und er produziert wieder Strom.
»90 Prozent der Zeit produziert der Flügel Strom, denn ihn wieder einzuholen benötigt nur wenig Zeit und kostet wenig Energie«, erklärt Breipohl.
Eine solche Flugwindkraftanlage funktioniert also ähnlich wie ein Windrad – nur ohne Fundament, Turm, Maschinenhaus und Rotor, was viele Tonnen Material frisst, das energieaufwändig hergestellt werden muss.
Dazu muss der Drachen zwei Grundbedingungen erfüllen: Er muss leicht sein, weil das Gewicht des Flügels sehr stark in den Ertrag eingeht. Zweitens muss er einen hohen Auftrieb haben. Deshalb setzt EnerKíte auf einen halbstarren Flügel.
Damit der Flügel bei Windstille am Boden gestartet und gelandet werden kann um in einer Höhe von 200-300 m bei einer Einschalt-Windgeschwindigkeit von 4 m/s bereits mit der Stromerzeugung zu beginnen, hat EnerKíte sämtliche Steuerkomponenten und Sicherheitseinrichtungen in der Bodenstation untergebracht. Damit kann robuster und zuverlässiger Maschinenbau betrieben werden, ohne den Ertrag zu verringern. Der Flügel wird hierfür über drei Leinen vom Boden aus gesteuert.
Deshalb sei es sinnvoll, mit Steuerleinen vom Boden aus zu arbeiten. Neben der Hauptleine wird der Flügel über zwei Steuerleinen gelenkt, die ebenfalls durch den Teleskopmast laufen und die über eine Waage an jeweils zwei Punkten am Flügel angreifen.
Womit wir bei der zweiten wichtigen Komponente wären, den Leinen. Denn der Luftwiderstand der Leinen geht ebenfalls in die Effizienzberechnung ein, laut Stephan Wrage mit bis zu 30 Prozent. Doch das macht Breipohl kein Kopfzerbrechen: »Wir haben nicht mehr Leinenfläche als ein Ein-Leiner, je größer die EnerKíte-Anlage, umso weniger fällt das überhaupt ins Gewicht.«
Und wie funktionieren nun Start und Landung? Der Drachen ist am Ende eines 10 m langen ausfahrbaren Teleskopmasts befestigt, der den Drachen durch Rotation auf Startgeschwindigkeit beschleunigt. Dann koppelt er vom rotierenden Mast ab und kreist von ihm angetrieben in die Höhe. Greifen die Höhenwinde, beendet der Mast seine Rotation und fährt ein.
»Wir Arbeiten allerdings kontinuierlich, das automatische Starten und Landen betrachten wir eher als Störfall, etwa wegen eines Unwetters, wegen Wartungsarbeiten oder weil tatsächlich ausnahmsweise einmal Totalflaute herrscht«, so Breipohl.
Was EnerKíte von anderen Anbietern von Flugwindkraftanlagen unterscheide, sei, dass das Unternehmen jede Systemkomponente von Grund auf nach den Anforderungen einer Flugwindkraftanlage entwickelt und optimiert habe.
»Wir haben nicht einfach bestehende Komponenten zu einem System zusammengestellt, da hätten wir viel zu viele Kompromisse eingehen müssen. In diesem System muss alles aufeinander abgestimmt und vernetzt sein, eine faszinierende Ingenieuraufgabe. Das hat zwar Entwicklungszeit gekostet, jetzt können wir aber das zuverlässigste, sicherste und leistungsfähigste System der Branche anbieten«, freut sich Florian Breipohl.