Festkörperbatterie / MIT

Diese Anode dehnt sich nicht aus

6. Februar 2020, 15:22 Uhr | Ralf Higgelke
Für die Anode entwickelten Forscher am MIT eine dreidimensionale Nanoarchitektur, bei der sie hexagonale MIEC-Röhren, die nur teilweise mit metallischem Lithium gefüllt sind, wabenförmig anordneten.
© MIT News

Festkörperbatterien haben inhärent das Problem, dass sich die festen Elektroden beim Laden und Entladen mechanisch verformen. Darunter leidet deren Zyklenfestigkeit. Nun hat ein Forscherteam am MIT eine Anode entwickelt, die dieses Problem elegant umgeht.

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Festkörperbatterien gelten als der nächste Evolutionssprung bei Lithium-Ionen-Akkus, denn ihre Energie- und Leistungsdichte verspricht viel höher zu sein als bei heutigen Li-Ion-Batterien, die mit Flüssigkeiten oder polymerem Gel als Elektrolyt arbeiten. Allerdings ist dies als eine komplexe Herausforderung.

Einerseits dehnen sich die Elektroden beim Laden aus und schrumpfen beim Entladen wieder. Dieser mechanische Stress erschwert es den Feststoffen, den mechanischen und elektrischen Kontakt zueinander über die Lebensdauer hinweg aufrechtzuerhalten. So neigt der Festelektrolyt dazu, abzubrechen oder sich von der Elektrode abzulösen. Andererseits ist keiner der bislang vorgeschlagenen Festelektrolyte wirklich chemisch stabil, wenn er mit dem hochreaktiven metallischen Lithium in Kontakt kommt. Mit der Zeit neigen diese daher dazu, sich zu zersetzen.

Forschungen von Ingenieuren des Massachusetts Institute of Technology (MIT) sowie der Hong Kong Polytechnic University, der University of Central Florida, der University of Texas in Austin und den Brookhaven National Laboratories in Upton, New York, könnten zu wiederaufladbaren Batterien führen, die mehr Leistung pro Gewicht liefern und länger halten. Grundlage dafür ist das lang angestrebte Ziel, reines metallisches Lithium als Anodenmaterial zu verwenden. Das Konzept stammt aus dem Labor von Ju Li, Professor der Battelle Energy Alliance für Nuklearwissenschaften und -technik und Professor für Materialwissenschaften und –technik, und wurde in einem Beitrag in der Zeitschrift Nature beschrieben [1].

Metallisches Lithium in der Wabe

Die meisten Versuche, die oben erwähnten Herausforderungen zu lösen, konzentrierten sich darauf feste Elektrolytmaterialien zu entwickeln, die absolut stabil gegenüber metallischem Lithium sind. Dies hat sich aber als schwierig erwiesen. Stattdessen wählten Professor Li und sein Team ein Design, das zwei zusätzliche Klassen von Festkörpern nutzt – sogenannte Mischleiter (Mixed Ionic-Electronic Conductors; MIEC) sowie »Elektronen- und Li-Ionen-Isolatoren« (ELI). Beide sind im Kontakt mit metallischem Lithium chemisch absolut stabil.

Für die Anode entwickelten die Forscher eine dreidimensionale Nanoarchitektur, bei der sie hexagonale MIEC-Röhren, die nur teilweise mit metallischem Lithium gefüllt sind, wabenförmig anordneten. Dadurch bleibt im Inneren der Röhren jeweils zusätzlich Raum, in den sich das Lithium während des Ladevorgangs ausdehnen kann. Es bewegt sich wie eine Flüssigkeit, obwohl es seine feste Kristallstruktur beibehält. Diese Expansion findet vollständig im Inneren der Wabenstruktur statt und verhindert den mechanischen Stress. Gleichzeitig ändern sich aber weder die äußeren Abmessungen der Anode noch die Grenze zwischen ihr und dem Elektrolyt. Das andere Material, der ELI, dient als zentrales mechanisches Bindemittel zwischen den MIEC-Wänden und dem festen Elektrolyt.

»Das sich ausdehnende und zusammenziehende Lithium in diesen Röhrchen bewegt sich nach vorne und hinten, ähnlich wie die Kolben im Zylinder eines Automotors«, erläutert Professor Li. Er ergänzt: »Da diese Strukturen einen Durchmesser von etwa 100 bis 300 Nanometern haben und eine Höhe von einigen zehn Mikrometern, ist das Ergebnis wie ein Verbrennungsmotor mit 10 Milliarden Kolben mit metallischem Lithium als Arbeitsmedium. Da die Wände dieser wabenförmigen Strukturen aus chemisch stabilem MIEC bestehen, verliert das Lithium nie den elektrischen Kontakt mit dem Material«. So kann die gesamte Festkörperbatterie im Laufe ihres Einsatzes mechanisch und chemisch stabil bleiben. Das Team konnte das Konzept experimentell bestätigen, indem es eine Testvorrichtung hundert Lade- und Entladezyklen durchlaufen ließ, ohne dass die Feststoffe dabei zerbrochen wären.

Dieses neue System könnte zu sicheren Anoden führen, die bei gleicher Speicherkapazität nur ein Viertel so viel wiegen wie ihre konventionellen Pendants bei den Lithium-Ionen-Batterien. In Kombination mit neuen Konzepten für Leichtbauversionen der anderen Elektrode, der Kathode, könnten diese Arbeiten dazu beitragen, das Gesamtgewicht von Lithium-Ionen-Batterien erheblich zu reduzieren. Das Team hofft beispielsweise, dass dies zu Mobiltelefonen führen könnte, die nur einmal alle drei Tage aufgeladen werden müssten, ohne die Telefone schwerer oder größer zu machen.

Neues Kathodenkonzept

Ein neues Konzept für eine leichtere Kathode wurde von einem anderen Team unter der Leitung von Prof. Li in einem Artikel beschrieben, im Dezember 2019 in der Zeitschrift Nature Energy erschien [2]. Dieses Material würde den Anteil von Nickel und Kobalt, die teuer und giftig sind, in der Kathode reduzieren.

Die neue Kathode ist nicht mehr allein auf den Kapazitätsbeitrag dieser Übergangsmetalle im Batteriezyklus angewiesen. Stattdessen würde sie sich mehr auf die Redox-Kapazität von Sauerstoff stützen, der viel leichter und im Überfluss vorhanden ist. Allerdings werden die Sauerstoffionen dabei mobiler, was dazu führen kann, dass sie aus den Kathodenpartikeln entweichen. Die Forscher verwendeten geschmolzenes Salz, um die Oberfläche der Partikel mit einer Schutzschicht aus mangan- und lithiumreichem Metalloxid zu überziehen. Dadurch sinkt der Verlust an Sauerstoff drastisch.

Obwohl die Oberflächenbeschichtung sehr dünn ist – nur fünf bis 20 Nanometer auf einem 400 Nanometer großen Partikel – schützt sie das darunterliegende Material zuverlässig vor den zerstörerischen Auswirkungen des Sauerstoffs. »Die gegenwärtigen Versionen verbessern die verfügbare Energiedichte um mindestens 50 Prozent und bieten eine wesentlich bessere Zyklenfestigkeit«, erklärte Professor Li.

Noch hat das Team nur kleine Geräte im Labormaßstab gebaut, aber man geht davon aus, dass sich dies sehr schnell erweitern lasse, glaubt Li. Die benötigten Materialien, meist Mangan, sind deutlich billiger als das von anderen Systemen verwendete Nickel oder Kobalt. Daher könnten diese Kathoden nur ein Fünftel so viel kosten wie herkömmliche Kathoden.

Originalpublikationen

[1] Chen, Y., Wang, Z., Li, X. et al. Li metal deposition and stripping in a solid-state battery via Coble creep. Nature (2020). https://doi.org/10.1038/s41586-020-1972-y

[2] Zhu, Z., Yu, D., Yang, Y. et al. Gradient Li-rich oxide cathode particles immunized against oxygen release by a molten salt treatment. Nat Energy 4, 1049–1058 (2019). https://doi.org/10.1038/s41560-019-0508-x

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