Festkörperbatterien gelten als nächster Schritt bei der Weiterentwicklung der Akkus für Elektrofahrzeuge. Sie versprechen eine höhere Reichweite und ein geringeres Brandrisiko. Doch deren Ausfallmechanismus blieb bislang im Dunkeln. Forscher am Faraday-Institution wollen diesen nun geklärt haben.
Heutige Lithium-Ionen-Akkus, die in Elektrofahrzeugen verwendet werden, enthalten einen flüssigen organischen Elektrolyten, durch den die ladungsführenden Lithiumionen während des Ladens und Entladens der Batterie wandern. Diese Flüssigkeit stellt ein inhärentes (wenn auch wohl gehandhabtes) Sicherheitsrisiko dar, da er brennen kann. Der Tausch des flüssigen Elektrolyten durch einen Feststoff würde dieses Brandrisiko beseitigen.
Festkörperbatterien andererseits können jedoch schon nach relativ wenigen Ladezyklen bei Strömen, wie sie im normalen Betrieb auftreten, ausfallen. Dies ist eines der Hindernisse für ihre flächendeckende Vermarktung. Die Ausfallmechanismen genau zu verstehen ist eine notwendige Voraussetzung, um solche Ausfälle zu vermeiden.
Wie Forscher unter der Leitung von Professor Peter G. Bruce vom Lehrstuhl für Materialwissenschaften und Chemie (Department of Materials and Chemistry) der Universität Oxford und Principal Investigator des SOLBAT-Projekts des Faraday-Institution in einem Beitrag im Fachmagazin Nature Materials berichten, haben sie einen wichtigen Schritt nach vorne getan, um diese Ausfallmechanismen zu verstehen.
Eine wohlbekannte Herausforderung besteht darin, zu verhindern, dass beim Laden und Entladen des Akkus Dendriten wachsen. Solche Dendriten, verzweigte Netzwerke aus metallischem Lithium, können schließlich den festen, keramischen Elektrolyten durchstoßen und so die Batteriezelle kurzschließen.
Ebenfalls bekannt ist, dass sich an der Grenzfläche zwischen Anode und Elektrolyt Hohlräume (Voids) bilden. Welche Rolle sie diese aber bei der Bildung von Dendriten spielen, war bislang ungeklärt. Diese Studie kombiniert modernste elektrochemische und bildgebende Verfahren, um die Hohlraumbildung als Funktion des Lade-Entlade-Zyklus und ihre Rolle beim Dendritenwachstum und Zellversagen grundlegend zu verstehen.
Bedeutsamerweise korrelieren die Parameter im Ausfallmodell mit den wichtigsten physikalischen Eigenschaften, die sich als »Hebel« nutzen lassen, um die Hohlraumbildung und das Zellversagen zu unterbinden.
Bedeutung der kritischen Stromdichte
Es ist schwierig, das Lithium-Plating vom normalen Ablösen von metallischem Lithium (Stripping) zu trennen, wenn man mit einer Batteriezelle mit den üblichen zwei Elektroden experimentiert. In dieser Studie nutzen die Forscher eine Batteriezelle mit drei Elektroden, um die Prozesse des Platings und des Strippings an der Schnittstelle zwischen Anode und Elektrolyt über den Batteriezyklus zu trennen. Als Festelektrolyt wurde Argyrodit (Li6PS5Cl) gewählt. Die Leitfähigkeit derartige Sulfide ist höher als bei Oxiden und sie werden von mehreren Unternehmen, die Festkörperbatterien kommerzialisieren möchten, als Elektrolyt der Wahl verfolgt. Argyrodit hat den Vorteil, dass es weniger spröde ist als andere stark leitfähige Sulfide.
Die Forscher fanden heraus, dass es wichtig sei, dass die Zellen beim Laden und Entladen unter der sogenannten kritischen Stromdichte bleiben. Über diesem Wert beginnen sich beim Stripping an der Grenzfläche zwischen dem metallischen Lithium der Anode und Festelektrolyt Hohlräume zu bilden. Geschieht das über mehrere Lade/Entladezyklen, summieren sich die Hohlräume. Interessanterweise ist dies auch dann der Fall, wenn die Stromdichte unter dem Schwellenwert für die Dendritenbildung liegt.
Summieren sich die Hohlräume, nimmt die Kontaktfläche zwischen Lithium und Festelektrolyt ab. In der Folge steigt die lokale Stromdichte an, bis sie einen Wert erreicht, bei dem sich Dendriten auf der Metalloberfläche bilden. Dies führt letztendlich zu einem Kurzschluss und Zellversagen. Dies kann mehrere Zyklen dauern, aber die Studie zeigt, dass die Zelle unvermeidlich versagt, wenn die Gesamtstromdichte größer als diese kritische Stromdichte ist. Wie diese Erkenntnisse zeigen, ist nicht nur die Stromdichte für die Dendritenbildung ausschlaggebend, auch Stripping-Ströme sind zu berücksichtigen.
»Diese Forschung vertieft unser grundlegendes Wissen darüber, warum sich Festkörperbatterien in gewohnter Weise verhalten. Wir glauben, dass unser verbessertes Verständnis dazu beitragen wird, Ansätze zu liefern, um einige der Probleme an der Lithiummetall-Anode in Festelektrolyt-Zellen zu vermeiden«, kommentierte Professor Peter G. Bruce.
Neben dem SOLBAT-Projekt, das sich mit den grundlegenden wissenschaftlichen Hürden für die kommerzielle Umsetzung von Festkörperbatterien befasst, hat das Faraday-Institut im Jahr 2018 drei weitere große, multidisziplinäre Forschungsprojekte gestartet. Ziel ist es, die Lebensdauer der Batterien zu erhöhen, mehrskalige Batteriemodelle zu entwickeln sowie Recycling- und Wiederverwertungsstrategien festzulegen. Hinzu kommen im Laufe des Jahres 2019 weitere Forschungsprojekte: Lithium-Ionen-Kathodenmaterialien der nächsten Generation, Elektrodenherstellung, Natrium-Ionen-Batterien und alternative Zellchemikalien über Lithium-Ionen hinaus.
Originalpublikation
Jitti Kasemchainan, Stefanie Zekoll, Dominic Spencer Jolly, Ziyang Ning, Gareth O. Hartley, James Marrow & Peter G. Bruce, Critical Stripping Current Leads to Dendrite Formation on Plating in Lithium Anode Solid Electrolyte Cells, Nature Materials, 29 July 2019, DOI: doi.org/10.1038/s41563-019-0438-9