Wie wird eine Entstörung bei einer Grenzwertüberschreitung der Störaussendungsprüfung nach CISPR 16-2-1 durchgeführt? Welchen Einfluss hat der Prüfaufbau? Und welche Rolle spielen die daraus resultierenden Schleifenimpedanzen? Praxisnahe Hilfestellung bietet folgender Beitrag.
EMV-Prüfnormen haben zum Ziel, reale Störmechanismen reproduzierbar nachzustellen. Häufig überwiegt jedoch vor allem die Reproduzierbarkeit und weniger die realistische Nachbildung von Phänomenen. Zum Verständnis, wie Entstörmaßnahmen gezielt wirken, müssen Anwender die Prüfaufbauten im Detail verstehen. Bei Kenntnis und grober Modellbildung des Prüfaufbaus wird die EMV-Entstörung bis zu einem gewissen Grad berechenbar.
Die leitungsgeführte Störaussendungsprüfung erfolgt nach dem Standard CISPR 16-2-1; der Aufbau der Prüfung ist in der Norm festgelegt. Bei der leitungsgeführten Störaussendungsprüfung wird der Prüfling an den Versorgungsanschlüssen an Stromversorgungsnetz-Nachbildungen (AMN = Artificial Mains Network) und an den Netzwerkanschlüssen an asymmetrische Netznachbildungen (AAN = Asymmetric Artificial Network) angeschlossen. Unter Netzwerkanschlüssen versteht man Signalanschlüsse, die mit einem Netzwerk wie etwa Ethernet oder mit dem KNX-Bus verbunden sind. Punkt-zu-Punkt-Verbindungen wie USB-Anschlüsse fallen nicht unter die geprüften Schnittstellen.
Der Standard CISPR 16-2-1 sieht verschiedene Möglichkeiten zum Aufbau der Funkstörspannungsprüfung vor. Alle Aufbauten haben gemeinsam, dass die Netznachbildungen die Störspannung gegen eine gemeinsame Referenzmasseplatte, die sich in einem Abstand von 40 cm zum Prüfling befindet, messen. In Bild 1 sieht man durch die vertikale Referenzmasseplatte (40 cm Abstand zum Prüfling) auf den Prüfaufbau.
Die Netznachbildungen befinden sich in einem Abstand von 80 cm zum Prüfling. Bild 2 zeigt die relevanten Distanzen nochmals in zweidimensionaler Ansicht. Alle verwendeten Netznachbildungen sind mit 50 Ω abzuschließen – entweder durch die Impedanz des Messempfängers oder mittels eines externen Widerstands. AANs haben eine Impedanz von 150 Ω gegen die Massefläche, AMNs haben eine S-förmige Impedanz-Kurve, die bei ca. 1 MHz 50 Ω erreicht (Bild 3). Die Netznachbildungen messen sowohl Gleichtakt- (CM, Common Mode) als auch Gegentakt- (DM, Differential Mode) Störer. Eine Unterscheidung aus dem Ergebnis der Funkstörspannungsprüfung ist nicht möglich.
Soll für den Prüfling ein geeignetes Gleichtakt-Netzfilter entworfen werden, muss der Anwender die Schleifenimpedanzen im Prüfaufbau verstehen. Bild 2 gibt einen Überblick über die Impedanzen im Prüfaufbau. Zur Vereinfachung der Schleifenimpedanzen wird angenommen, dass die Netznachbildung eine Impedanz von 25 Ω (zweimal 50 Ω parallel L + N) für Gleichtakt-Ströme hat. Als Kopplung zwischen Prüfling und der Referenzmasse können verschiedene Fälle auftreten:
Der Prüfling hat keine weiteren Schnittstellen und koppelt über die Streukapazität. Anhand des Beispiels aus Bild 2 ergibt sich somit eine Streukapazität von 22 pF bei einer Koppelfläche des Prüflings von 1 m2. Dies wurde aus der Formel für den Plattenkondensator hergeleitet.
Der Prüfling wird durch eine Funktionserdung oder den Einbau in einem metallenen Chassis bzw. einer leitfähigen Bodenplatte leitfähig direkt geerdet. Beispiel: Ein Hutschienengerät wird leitfähig auf eine geerdete Sammelschiene im Anlagenschaltschrank montiert.
Der Prüfling hat geschirmte Netzwerkleitungen, die mit einer 150-Ω-AAN während der Emissionsprüfung abgeschlossen sind.
Die Betrachtung der Schleifenimpedanz zeigt, dass der Gleichtakt-Strom, der zum Spannungsabfall über der Netznachbildung je nach Einsatz und Schnittstellen des Prüflings führt, stark schwankende Schleifenimpedanzen durchlaufen kann. Das bedeutet auch, dass Netzfilter an die Applikation im Prüfaufbau angepasst sein müssen.
Mit einer Beispielbetrachtung bei einer Störfrequenz von 150 kHz bei einer Koppelkapazität von 22 pF ergibt sich eine Impedanz von ca. 48 kΩ. Schließt man den Prüfling an die Referenzmasse an, so fällt diese Impedanz auf einen sehr geringen Wert, denn die ursprüngliche Koppelkapazität zwischen Prüfling und Schirmkabinenwand wurde kurzgeschlossen – die Stromschleife hat sich somit signifikant geändert.
Bei all diesen Betrachtungen muss berücksichtigt werden, dass es sich um sehr grobe Daumenkalkulationen handelt, um die Effekte der EMV-Prüfung zu erklären und zu verstehen. Ziel ist es, für die Kalkulation des Netzfilters die richtige Topologie und passende Größenordnungen an Bauteilen auszuwählen.
Oftmals wird der Anschluss eines sekundärseitigen Gerätes an einen Prüfling in der EMV-Risikobewertung des zu prüfenden Gerätes übersehen. Beispielsweise kann eine USB-Schnittstelle mit einem USB-Stick geprüft werden. In diesem Fall liegt keine galvanische Kopplung zur Referenzmasse vor. Schließt man aber statt einem USB-Stick ein Gerät mit Schutzleiter an den USB-Anschluss an, so wird die Schnittstelle über den USB-Schirm relativ niederimpedant geerdet. Wie im oben gezeigten Beispiel ändert sich somit die Schleifenimpedanz signifikant und die Ergebnisse der Störaussendung können sich stark ändern.
Da die Ergebnisse der Funkstörspannungsmessung aus einer Überlagerung von Gleichtakt- und Gegentakt-Störern bestehen, muss im EMV-Labor vor dem Filterdesign eine Unterscheidung der Störkomponenten erfolgen. Klassischerweise nutzt man hierzu eine HF-Stromzange und führt die Leitungen durch die Stromzange (Bild 4).
Das Ergebnis am Messempfänger zeigt den Störstrom durch beide Adernpaare als Gegentakt- und Gleichtakt-Strom. Achtung: Durch die Impedanzkurvenform der Netznachbildung und der Nichtlinearität der Stromzange können Verzerrungen zwischen Störstrom und Störspannung auftreten. Das Ergebnis im Frequenzbereich zwischen Gegentakt und Gleichtakt bleibt aber aussagekräftig, weil die Relation jeweils stimmt. Bei der Messung mit Stromzange ist es wichtig, dass diese Unterscheidung im Impedanzsystem der Funkstörspannungsmessung durchgeführt wird. Erfolgt die Messung am Labortisch, fehlt das Masse-Bezugsystem und damit fehlen auch die Koppel-Impedanzen des normativen Aufbaus. Dadurch ändern sich die Gleichtakt-Ströme und das Messergebnis weicht von der normativen Messung ab.
Sind der Aufbau der Funkstörspannungsprüfung und die daraus resultierenden Impedanzen verstanden und sind die Störströme in Gleichtakt und Gegentakt unterschieden, kann ein Filter beispielsweise nach der entworfen werden. Nachfolgend betrachten wir die Wirkung eines Filters im Gesamtsystem am Beispiel eines Netzteils.
Gleichtakt-Störer entstehen vor allem in Netzteilen mit galvanischer Trennung durch die Streukapazität des Trafos (Flyback-Übertrager). Die Leistungselektronik schaltet schnelle Taktflanken und erzeugt so eine sich schnell ändernde Spannung (hohes dV/dt). Durch die Koppelkapazität zwischen Primär- und Sekundärseite koppeln so Gleichtakt-Störungen in das System (Bild 2). Die Störquelle ist über die parasitäre Koppelkapazität des Trafos zur Sekundärseite des Netzteiles verbunden und generiert so Gleichtakt-Störungen. Ein gängiger Weg zur Reduktion dieser Gleichtakt-Störer in der Schaltung ist der Einsatz von Kondensatoren zwischen Primär- und Sekundärseite des Trafos.
Hierbei werden meist spannungsfeste Y-Kondensatoren genutzt, deren Kapazität laut Daumenregel um einen Faktor 100 höher sein sollte als die Streukapazität des Trafos. Eine geringe Streukapazität des Trafos reduziert die Kapazität der benötigten Kondensatoren von Primär- zu Sekundärseite, senkt die Einkopplung des Gleichtakt-Störstroms und reduziert somit auch den gesamten Filteraufwand. Ähnliche Effekte sind auch bei Motor-Umrichter-Systemen zu beachten – Stichwort: Motorstreukapazität.
Aus der Diskussion über Gleichtakt-Schleifenimpedanzen nach Bild 2 geht hervor, dass bei Prüflingen mit großer Fläche die Koppelkapazität trotzdem klein ist und sich dadurch eine sehr große Schleifenimpedanz ergibt. Das Erhöhen der Impedanz des Filters ist daher nicht zielführend. Vielmehr sollte man die Störung im Netzteil halten und eine Rückstromschleife über das Chassis oder eine kapazitiv gekoppelte »Schirmung« schaffen. Ist die Schleifenimpedanz hingegen schon sehr niedrig, beispielsweise weil eine geschirmte Schnittstellenleitung angeschlossen ist, so kann die Impedanz-Erhöhung mit einer Gleichtaktdrossel (CMC – Common-Mode-Choke) die Störungen sehr effektiv reduzieren. Bild 5 zeigt die Konfiguration aus einem Filter vor dem Prüfling mit einer Koppelplatte oder einem Chassis.
Die Distanz zwischen Filterplane und Elektronik ist deutlich geringer als die Distanz der 40 cm Koppelkapazität zur Referenzmasse. Der Störstrom wird also auf das Blech fließen und dann im Filter über die Y-Kondensatoren rückgekoppelt. Der Kreis des Gleichtakt-Störstroms schließt sich somit über das Filter – der Störstrom wird an der Netznachbildung AMN vorbeigeführt. Im Gerät selbst steigt der Störstrom an, denn die Schleifenimpedanz sinkt – daher ist im Gerät mit höheren Störungen zu rechnen, allerdings wird die Umgebung nicht mehr gestört. Um eine erfolgreiche Entstörung mittels EMV-Filter zu gewährleisten, sollten die Filterbauelemente nach den im nächsten Abschnitt folgenden Designempfehlungen aufgebaut werden.
Weil durch das Filter die Schleifenimpedanz kontrolliert wird, sollten die Bauteile möglichst effektiv platziert werden, um Übersprechen oder zusätzliche parasitäre Effekte möglichst gering zu halten. Bild 6 zeigt die wichtigen Punkte beim Aufbau eines Netzfilters.
Die Filterkomponenten im Bild sind über Drähte angeschlossen – dies soll verdeutlichen, dass keine leitenden Flächen oder Leiterbahnen unter die Filterbauteile gezogen werden sollen. Das verhindert ein Überkoppeln des Filters durch die Störung. Im Bildhintergrund und unterhalb der elektronischen Baugruppe ist in grau das Chassis angedeutet. Dieses bildet den Rückstrompfad für die Störströme, die dann über die direkt angeschlossenen Bolzen über die Y-Kondensatoren zurück in die Schaltung fließen. Um die Streuinduktivität der Kondensatoren möglichst gering zu halten, sollten diese direkt und auf kürzestem Weg per Bolzen zum Chassis verbunden werden. Bei mehrstufigen Filtern benötigt jede Y-Kondensator-Stufe einen eigenen Verbindungsbolzen, um ein Überkoppeln der abgeleiteten Störungen des ersten Kondensatorenpaares zu vermeiden. Der Ableitstrom führt zu einem HF-Spannungsabfall im Stehbolzen, der sich wiederum in die nächste Stufe der Y-Kondensatoren einkoppeln würde. In Richtung Netz wird die letzte Gleichtaktdrossel immer mit einem X-Kondensator abgeschlossen, um so mögliche, durch Magnetfelder in die Gleichtaktdrossel des Filters eingekoppelte differenzielle Störer kurzzuschließen. Zusätzlich werden differenzielle Störer der Elektronik über die Streuinduktivität der Gleichtaktdrossel gefiltert.
Hinweis: Die Nutzung des Chassis als Referenz funktioniert nur, wenn dieses auch störungsfrei ist. Ist das ganze Gehäuse, und damit die Referenzmasse, schon mit einem hohen Störpotenzial belastet, weil beispielsweise die getakteten Leistungshalbleiter zur Kühlung angeschraubt sind, können die Störungen über die Y-Kondensatoren zurückgekoppelt werden – eine Detailbetrachtung zur Lösungsfindung ist dann erforderlich.
Hat ein Gerät mehr als nur einen Netzanschluss, so müssen die anderen Schnittstellenfilter gegebenenfalls auch auf das Chassis bezogen und Leitungsschirme flächig (keine Pig-Tail-Ausführung) mit dem Chassis verbunden werden.