Start-ups aus internen Innovationen

Mit KI zum EMV-gerechten Leiterplatten-Design

12. März 2025, 13:30 Uhr | Andreas Knoll
Mit seinen EMV-Funktionen besetzt Denpaflux eine Nische im EDA-Bereich.
© Denpaflux

In der Münchner Europazentrale von TDK findet man ein besonderes Büro. Statt üblicher Büroatmosphäre herrscht hier Start-up-Spirit – ein Ort, an dem zukunftsweisende Ideen auf Industrie-Expertise treffen. In diesem Umfeld entstand auch Denpaflux, ein Start-up, das die EMV-Welt revolutionieren will.

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Gegründet wurde Denpaflux am 1. April 2022 unter dem Namen Mitai. Mit AI will Mitai EMV-gerechtes Design für elektronische Produkte ermöglichen. Zweieinviertel Jahre später, am 1. Juli 2024, verließ das Unternehmen den Konzernverbund von TDK, um künftig auf eigenen Füßen zu stehen. Um diesen Schritt angemessen zu würdigen, wurde das Venture umbenannt. »Der TDK-Konzern unterhält zusätzlich zu einem 350-Millionen-Dollar-CVC-Fond (Corporate Venture Capital) ein Corporate Venture Building (CVB) Program, das aus seinen Reihen entstandene Start-ups fördert«, erläutert Reinhard Neureiter, Founder und CEO von Denpaflux. »Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter kann mit einer Geschäftsidee an den CVB herantreten.« Meist sind es drei bis vier potenzielle Gründer, die einen Vorschlag einreichen. Diese bekommen weitere drei bis vier Mitarbeiter an die Seite gestellt, um innerhalb von zwölf Wochen die Idee in Interviews mit bis zu 200 externen Marktteilnehmern zu validieren.

»Bei den Start-ups handelt es sich um Speed Boats, die ins Wasser gelassen werden, um sich dort schnell und maximal adaptiv bewegen zu können«, verdeutlicht Neureiter. »Die Idee dahinter ist, dass sie irgendwann ein fundamentales Business von TDK bilden und so TDK selbst dazu verhelfen könnten, innovativ zu bleiben.« Je nach Entwicklung eines Start-ups wird es entweder zu einer »echten« Business-Division von TDK, verkauft oder eingestellt. Ausgründungen in eigenständige Unternehmen helfen dabei, die nötige Geschwindigkeit für Start-ups zu ermöglichen. »Unser Angebot von KI-unterstützten Dienstleistungen für EMV-gerechtes Design für elektronische Produkte erfordert eine andere Herangehensweise als die Entwicklung von Hardware-Komponenten«, erklärt Neureiter. »TDK will sich die Tatsache zunutze machen, dass Start-ups mit ihrer People Power schnell und kreativ Lösungen ausprobieren können«, führt er weiter aus. »Dafür gibt das Unternehmen ihnen einen geschützten Freiraum. Dort gilt die Maxime: ‚fail fast, learn fast, execute faster‘.«

Die ursprüngliche Idee des Teams war es, bei TDK ein Kompetenzzentrum und eine Anlaufstelle für EMV aufzubauen. »Das EMV-Thema ist ja bei TDK in jeder Dimension vorhanden«, sagt Neureiter. »In rund 180 Kundengesprächen haben wir innerhalb der besagten zwölf Wochen 15 EMV-Probleme identifiziert, die immer wieder auftreten und für die wir eine systematische Lösung erarbeiten wollten. Getrieben wurde Mitai aber letztlich immer mehr durch Kunden- und nicht durch konzerninterne Erfordernisse.« Zugutegekommen sei dem Start-up dabei, dass EMV-gerechtes Design an den Hochschulen nicht ausreichend gelehrt werde und darum in vielen Unternehmen zu wenig Know-how bereitsteht. »Insgesamt haben wir 18 Ideen getestet, unter anderem ein fahrendes EMV-Labor«, fasst Neureiter zusammen. »Die vier stärksten haben wir zu dem kombiniert, was Mitai bisher war und Denpaflux heute ist.«

Das Geschäftsmodell von Denpaflux

Doch in welches Geschäftsmodell hat Denpaflux die vier Ideen letztlich integriert? »Wir haben ein EMV-Analysetool für den Entwicklungsprozess erstellt, das EMV-Beratung mit KI kombiniert und auf dessen Basis wir passende Dienstleistungen anbieten«, sagt Marc Haag, Commercial Director bei Denpaflux. »Entscheidend ist die Kombination aus unserer Service-Plattform im Internet für modernen Kundendialog und unserem Analyseansatz aus KI und EMV-Experten, die zu einer wirkungsvollen Empfehlung führt. Wir wollen Entwicklern eine Gesamtlösung an die Hand geben, mit der sie schon in einer sehr frühen Phase ihres Designprozesses EMV-Probleme in ihrem Design erkennen und lösen können. Unser Konzept ist einzigartig am Markt.« Hardware-Entwickler können das Design in die Web-Plattform laden, um es bezüglich EMV von KI und Experten analysieren zu lassen.

Denpaflux
Denpaflux visualisiert potenzielle EMV-Probleme interaktiv und zeigt konkrete Verbesserungsmöglichkeiten auf. Dies ermöglicht Entwicklungsteams, ihre Entwicklungseffizienz zu steigern und die EMV-Tests auf Anhieb zu bestehen.
© Denpaflux

Das Design muss dafür nicht abgeschlossen sein, ganz im Gegenteil. Es empfiehlt sich, die Analyse schon in einem frühen Stadium durchzuführen und iterativ zu wiederholen, Arbeitsschritt für Arbeitsschritt. »Wir sind gemeinsam mit Kunden und Experten EMV-Probleme durchgegangen und haben daraus Regeln entwickelt, anhand derer die Analyse stattfindet«, erläutert Haag. »Sobald die Designdaten hochgeladen sind, wird in der Plattform überprüft, wo es zu EMV-Problemen kommen kann: unter anderem korrekte Platzierung kritischer Leiterbahnen und Bauelemente, Ground-Absicherung, Unterbrechungen, Impedanzen sowie Signal-Rausch-Abstände.«

Anwender bekommen so eine Analyse von dem EMV-Experten mit der größten Erfahrung im betreffenden Problemfeld (zum Beispiel Wi-Fi, Power Electronics, High Speed Signal Processing), der bei seiner Arbeit von unserer KI unterstützt wird. Ein elektrischer Test findet nicht statt, sondern eine virtuelle Analyse; geprüft wird das Design, und die gefundenen Probleme werden grafisch beschrieben, Empfehlungen zur Lösung werden visuell und in Textform ausgegeben. Zudem ermittelt die Lösung von Denpaflux, wie schwerwiegend mögliche Fehler und Risiken sind. In komplizierten Einzelfällen geht das Team von Denpaflux für seine Kunden auch ins EMV-Labor, um die Produkte auf Herz und Nieren zu prüfen.

Haag Marc
Marc Haag, Denpaflux: »Wir wollen Elektronik-Entwicklern eine Gesamtlösung an die Hand geben, mit der sie schon in einer frühen Phase EMV-Probleme in ihrem Design erkennen und lösen können.«
© Denpaflux

»Wichtig war es uns, ein leicht nutzbares Tool zu entwickeln, das sich nicht nur für EMV-Experten eignet, sondern für Entwicklungsingenieure allgemein, und das mehrere Phasen des Produktlebenszyklus unterstützt«, verdeutlicht Haag. »Unsere vorrangige Intention ist es, EMV-Consulting als Service auf Basis des unternehmenseigenen KI-Ansatzes anzubieten. Wir orientieren uns beim Vorgehen an dem Weg anderer großer Start-ups wie zum Beispiel Amazon.« Auch externe Nutzer dürfen mit unseren hausinternen Tools interagieren: »Sie können die Tools zunächst für eine bestimmte Anzahl von Projekten oder einen Zeitraum von zwölf Monaten als Development Cockpit verwenden und hier die Handlungsempfehlungen der Experten von Denpaflux entgegennehmen.« Es werden verschiedene Produktpakete angeboten, die Kunden maßgeschneidert unterstützen – von einmaliger Hilfe über projektbegleitende Unterstützung bis hin zur umfassenden Betreuung bei allen Entwicklungsaktivitäten. Wenn bestimmte branchenspezifische EMV-Standards gelten, erarbeitet Denpaflux gemeinsam mit den Kunden, was sie berücksichtigen müssen, um die angestrebte Zertifizierung zu erhalten. Die Analyse stellt dann sicher, dass das Design die Zertifizierungsstandards einhält.

Denpaflux
Reinhard Neureiter, Denpaflux: »TDK will sich die Tatsache zunutze machen, dass Start-ups mit ihrer People Power schnell und kreativ Lösungen ausprobieren können.«
© Denpaflux

Momentan wird das Design per Drag-and-drop in die Web-Plattform geladen; perspektivisch soll es aber beim Designprozess im Hintergrund mitlaufen können, indem Schnittstellen zu den CAD-Programmen bereitgestellt werden. Dass ein solches Tool samt den dazugehörigen EMV-Dienstleistungen notwendig ist und zunehmend Resonanz erhalten wird, davon ist Neureiter überzeugt: »Über 70 Prozent aller Designs fallen in der ersten EMV-Prüfung durch«, betont er. »Und selbst wenn keine Zertifizierung angestrebt wird, führen EMV-Probleme immer wieder zu teuren Fehlern in Elektronikkomponenten – das wollen und können wir verhindern.« 

Denpaflux auf der Messe embedded world 2025: Halle 2, Stand 412


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