MEMS-Mikrofone mit Versiegelung

Mehr Klangqualität für Sprachassistenten

13. Juni 2019, 11:50 Uhr | Von Julian Kornprobst
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

MEMS-Basistechnologie

Das typische Mikrofon-Design kombiniert einen MEMS-Sensor und ein ASIC (Bild 3). Der Sensor erzeugt ein elektrisches Signal, das für analoge Mikrofone verstärkt oder vom AD-Umsetzer (ADU) für digitale Mikrofone im ASIC verarbeitet wird. Das MEMS-Mikrofon, das den Ton in ein elektrisches Signal umwandelt, ist im Wesentlichen ein Kondensatormikrofon, bei dem die Bewegung einer Membran durch den Schalldruck die Spannung einer oder mehrerer Kondensatorplatten ändert.

Wenn die Membran aufgrund des ankommenden Schalldrucks vibriert, ändert sich der Spaltabstand und damit die Kapazität zwischen Membran und Gegenelektrode (Backplate). MEMS-Mikrofone wandeln diese Änderungen in elektrische Signale um.

Das Hauptproblem bei lauten Geräuschen ist das entstehende Druckniveau und die dadurch entstehende große mechanische Bewegung der Membran, die bei extremer Beanspruchung Verzerrungen verursacht.

Blockdiagramm für ein MEMS-Mikrofon mit Sensor und Logik
Bild 3. Blockdiagramm für ein MEMS-Mikrofon mit Sensor und Logik.
© Infineon Technologies

Das zweite Problem ist die Gestaltung des ASICs: Es muss das vom MEMS-Element erzeugte starke Signal verarbeiten können. Da Audioverarbeitungsalgorithmen von einem linearen Signal ausgehen, können Verzerrungen über 1 % die Audioqualität erheblich verschlechtern.

Verzerrungsfreiere Audiosignale liefert ein Dual-Backplate-Aufbau. Dabei wird die sich bewegende Membran zwischen zwei Kondensatorplatten (Dual-Backplate) platziert. Damit ergibt sich ein Differenzausgangssignal, was mehrere Vorteile hat. Ein MEMS-Mikrofon mit Dual-Backplate minimiert aufgrund seiner symmetrischen Konstruktion Verzerrungen. Den gleichen Effekt erzielt man mit zwei beweglichen Membranen, zwischen denen die Kondensatorplatte angeordnet ist. Der Ansatz wird Dual-Membran-Bauweise genannt.

Verkapselt zu weniger Rauschen

Gegenüber MEMS-Mikrofonen mit Single-Backplate verbesserte die Einführung von Dual-Backplates die Linearität des aufgezeichneten Signals deutlich. Den nächsten Entwicklungsschritt vollzog Infineon nun mit kapazitiven MEMS-Mikrofonen mit einer versiegelten Dual-Membran. Die »Einkapselung« des Kondensators ermöglicht eine praktisch rauschfreie Erfassung von Audiosignalen.

Eine Verkapselung um die Dual-Membran reduziert das Eigenrauschen
Bild 4. Eine Verkapselung um die Dual-Membran reduziert das Eigenrauschen.
© Infineon Technologies

Im Vergleich zu MEMS-Mikrofonen mit nur einer Backplate konnten mit der Dual-Backplate-Technologie die SNR- und AOP-Spezifikationen bereits deutlich verbessert werden. Die Verkapselung bringt nun eine weitere Verbesserung. Erste Versuche zeigen eine Steigerung des SNR-Wertes von 70 dB auf 75 dB bei einem AOP von bis zu 140 dBSPL (Bild 4). Darüber hinaus ist die neue verkapselte Technologie robust gegenüber Feuchtigkeit bzw. Schmutz und bietet IP57-Schutz für raue Umgebungen. Für Systemlösungen entstehen keine höheren Kosten, da für das Mikrofon selbst keine externen Schutzvorkehrungen mehr getroffen werden müssen.

Erste Premium-MEMS-Mikrofone mit dem neuen versiegelten Dual-Membran-Design werden Ende 2019 verfügbar sein. Für Kunden sind erste Entwicklungsmuster für erweiterte Audioaufnahmen, aktive Geräuschunterdrückung, Kommunikations- und Sprachbenutzeroberflächen verfügbar. Die Mikrofone fallen mit 4,0 x 3,0 x 1,2 mm3 sehr kompakt aus. Für die Implementierung in Smartphones sind noch kleinere Varianten geplant. Die neue Generation von MEMS-Mikrofonen erschließt und ermöglicht neue Audioanwendungen mit nochmals spürbar höherer Qualität:

Anwendung 1: Virtual Reality

Die Hardware für Virtual Reality ist heute verfügbar und wird in zunehmendem Maße genutzt. Die Möglichkeiten, dazu passende 360°-Klangeindrücke zu erzeugen, ließen jedoch bisher zu wünschen übrig.

Ambisonics Audiorecorder mit 19 Xensiv-MEMS-Mikrofonen
Bild 5. Ambisonics Audiorecorder mit 19 Xensiv-MEMS-Mikrofonen.
© Infineon Technologies

Zylia, ein polnischer Entwickler von Aufnahmetechnik, hat erstmals ein tragbares Aufnahmestudio entwickelt und arbeitet dafür mit den digitalen Xensiv-MEMS-Mikrofonen. Mit dem Ambisonics Audiorecorder Zylia ZM-1 (Bild 5) lässt sich »immersiver« Rundum-Ton für Virtual und Augmented Reality aufnehmen. Dafür wird eine Hi-Fi-Aufnahme der MEMS-Mikrofone mit Zylias digitalen Signalverarbeitungsalgorithmen und einer Mikrofon-Array-Technik kombiniert. Um alle relevanten Audiodetails zu erfassen, müssen Mikrofone eingesetzt werden, die nahezu Studiomikrofonqualität besitzen. Dafür sind MEMS-Mikrofone gut geeignet. Durch ihre kompakte Bauform kann auch der Formfaktor von Rundum-Audioaufnahmegeräten weiter miniaturisiert werden.

Anwendung 2: Transparenter Hörmodus

Mit VR-/AR-Brillen können Benutzer ihre Umgebung in eine interaktive audiovisuelle Klanglandschaft verwandeln und Klänge einfangen, berühren und formen. Durch die Integration von Premium-Mikrofonen in einen dazugehörigen Kopfhörer können Umgebungsgeräusche gedämpft oder verstärkt werden. Die aktive Geräuschunterdrückung stellt sicher, dass der Benutzer zum Beispiel im Flugzeug nur seine Lieblingstakte und keine Fluggeräusche hört.

Für Augmented Reality wurden bereits transparente Hörmodi entwickelt, mit deren Hilfe der Benutzer auswählen kann, wie viel von der aufgenommenen äußeren Klangumgebung sich in das »erweiterte Audioerlebnis« einfügt. Die Kopfhörer ergänzen den AR-Effekt durch realitätsnahe Replikation räumlicher Klangeigenschaften. Durch die Mischung der externen akustischen Umgebung mit dem richtigen Pegel und der spezifischen virtuellen Audiowelt sind ausgefeiltere Augmented-Reality-Anwendungen möglich.

Diese Art von Kopfhörer kann auch störende externe Geräusche unterdrücken, sodass sich der Zuhörer ungestört auf den Audioinhalt konzentrieren kann. Durch die Kombination von aktiver Geräuschunterdrückung und aktiver Sprachverbesserung ist auch das Verfolgen von Konversationen in einer lauten Umgebung möglich.

Für Videokonferenzsysteme werden zunehmend MEMS-Mikrofone in Kombination mit neuen Verfahren zur Audiosignalverarbeitung genutzt
Bild 6. Für Videokonferenzsysteme werden zunehmend MEMS-Mikrofone in Kombination mit neuen Verfahren zur Audiosignalverarbeitung genutzt.
© Infineon Technologies

Anwendung 3: Neue Kommunikationssysteme

Moderne Videokonferenzsysteme sorgen dafür, dass Teams auf der ganzen Welt in hoher Qualität kommunizieren können (Bild 6). Um die Leistung solcher Geräte weiter zu verbessern, werden hochwertige MEMS-Mikrofone zunehmend mit moderner Audioverarbeitung wie Blind-Source-Separation oder Beamforming kombiniert. Heutige Videokonferenzsysteme sind vollintegrierte Einheiten mit Codec, Anzeige, Kamera, Mikrofonen und Lautsprechern.

Zukünftig werden entsprechende Geräte auch Funktionen für Virtual und Augmented Audio und Video enthalten. Dafür werden neue MEMS-Mikrofone benötigt, die außerdem erweiterte Kommunikationsfunktionen in kleineren Geräten wie Smartphones ermöglichen.

Anwendung 4: Optimierte Sprachsteuerung

Sprachbefehle und Gespräche mit digitalen Sprachassistenten werden immer beliebter. Oft sind sie nur für standardisierte Laborbedingungen konzipiert. Die Folge: Im Alltag muss ein Sprachbefehl mehrfach oder sehr laut gegeben werden. Spracherkennungsunternehmen entwickeln Prozessoren und Algorithmen für Sprachbenutzeroberflächen kontinuierlich weiter, um die Funktionstüchtigkeit unter realistischen Szenarien zu erhöhen. In seiner neuesten Version kann Alexa eine leise Stimme erkennen und antwortet flüsternd, um schlafende Familienmitglieder nachts nicht zu stören. In Kürze wird es möglich sein, mit Sprachbefehlen Leuchten oder Fernsehgeräte in verschiedenen Räumen auszuschalten.

MEMS-Mikrofone und Audiosignalverarbeitung sind die Kernelemente für sprachgesteuerte Geräte, die nicht nur unter künstlichen Idealbedingungen, sondern auch noch im Alltag benutzerfreundlich sind. Entwicklungsunterstützung dafür gibt es bereits in Form von Technologieplattformen und Referenz-Designs.

 

Der Autor

Julian-Kornprobs von Infineon Technologies
Julian-Kornprobs von Infineon Technologies.
© Infineon Technologies

Julian Kornprobst

ist Product Marketing und Business Development Specialist für MEMS-Mikrofone bei Infineon Technologies. Nach dem Studium an der ETH Zürich war der gebürtige Wiener in der regionalen Infineon Zentrale in Singapur tätig. Seit Januar 2019 ist er in seiner jetzigen Position in München tätig.

 


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