Interview mit Elena Schultz, AMA Service

»Die stärkste Sensor+Test seit Corona«

6. Juni 2024, 10:00 Uhr | Nicole Wörner
Elena Schultz, AMA Service: »Die Ausstellerstruktur der Sensor+Test basiert auf einer gesunden Mischung aus großen und sehr vielen kleinen Unternehmen. Das sorgt für eine hohe Stabilität.«
© AMA Service GmbH

Wenige Tage vor der Sensor+Test blicken die Veranstalter optimistisch auf eine von zunehmend hoher Internationalität geprägte Veranstaltung voraus. Hintergründe dazu und Ausblicke auf die Situation der Sensorik und Messtechnik allgemein gibt Elena Schultz, Geschäftsführerin der AMA Service GmbH.

Diesen Artikel anhören

Markt&Technik: Frau Schultz, die Sensor+Test steht in den Startlöchern. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge – so kurz vor dem Termin?

Elena Schultz: Vor uns liegt die stärkste Sensor+Test seit dem Corona-Einbruch. Wir zählen aktuell knapp 380 Aussteller, die jetzt bereits Innovationen in großer Menge auf der Internetseite der Messe vorstellen. Dazu gibt es ein sehenswertes Programm an Vorträgen und Präsentationen auf den beiden Foren, die den Besuchern wichtige Impulse für ihre Projekte bieten. Die Aktivitäten für Nachwuchsförderung und Fachkräftegewinnung werden kräftig fortgesetzt. Beide Kongresse, die gemeinsam mit der Messe an den Start gehen – die 22. GMA/ITG-Fachtagung Sensoren und Messsysteme und die European Test and Telemetry Conference ETTC – haben attraktive Programme zu bieten. Wir gehen also in bester Stimmung in den Endspurt und freuen uns schon gewaltig auf die drei Tage in Nürnberg.

Das Schwerpunktthema in diesem Jahr lautet „Innovative Calibration“. Wie setzen Sie das auf der Messe um?

Zunächst einmal sehen wir dieses Thema als einen Dauerbrenner, den wir nicht nur in diesem Jahr hervorgehoben behandeln werden. Mit zunehmender Digitalisierung steigt auch die Zahl der Sensoren und Messstellen stetig an. Herkömmliche Kalibrierkonzepte werden den unaufhaltsam wachsenden Kalibrierbedarf absehbar nicht mehr bewältigen können. Die in diesem Jahr erstmals angebotene Calibration Area soll den Handlungsbedarf verdeutlichen und innovativen Ansätzen zur Lösung dieser wichtigen Aufgabe eine Plattform geben. Das Thema hat außerdem auch wissenschaftliche und gesetzliche Komponenten, die von renommierten Experten vorgetragen und diskutiert werden. Dazu laden wir an den ersten beiden Messetagen ganz besonders in das Technology Forum in Halle 2 ein.

Für die Aussteller und Besucher aus der DACH-Region ist die Sensor+Test fast schon ein Muss. Aber auch die Internationalität scheint zu steigen – 2023 lag der Anteil internationaler Aussteller immerhin bei 36 Prozent. Wie sieht es in diesem Jahr aus?

Tatsächlich hat die Internationalität in diesem Jahr nochmals stark zugelegt. Wir steuern inzwischen auf eine Marke von 50 Prozent zu. Leider ist dies auf die aktuelle Schwäche der einheimischen Wirtschaft zurückzuführen, die auch unsere Aussteller trifft. Weil aber die absolute Zahl der internationalen Teilnehmer deutlich zunimmt, ist der Trend eindeutig. Interessant sind dabei die Verschiebungen. 2024 werden erstmals die Unternehmen aus dem Reich der Mitte die Liste der am stärksten vertretenen Länder anführen. Wir erwarten zudem erstmals seit Corona wieder eine große Delegation aus China, so dass auch besucherseitig mehr Internationalität zu sehen sein wird.

Wäre auf lange Sicht eine Kooperation mit China denkbar? Oder ein Export des Messe- und Kongress-Konzepts ins Ausland?

Wir werden uns weiter voll auf die Sensor+Test in Nürnberg konzentrieren. Aber wir kooperieren schon seit vielen Jahren sehr gut mit den Kollegen von der Sensor China und der Sensors Converge in den USA. Wir halten das für deutlich zielführender im Sinne unserer Branche, als wenn wir versuchen würden, zu diesen etablierten Veranstaltungen in Wettbewerb zu treten.

Die Sensor+Test findet auch in diesem Jahr wieder parallel zur SMTconnect und zur PCIM Europe statt. Meines Erachtens ist das für die Besucher ein echter Mehrwert. Welches Feedback erhalten Sie diesbezüglich? Und werden Sie dieses „Kombi-Konzept“ in Zukunft beibehalten?

 „Kombi-Konzept“ ist ein guter Begriff, und inzwischen hat sich das Nürnberger Dreigestirn tatsächlich gut etabliert. Das liegt vor allem daran, dass viele Besucher gleich mehrere Aufgaben auf einen Streich absolvieren können und die Effizienz loben. Weil die Branchen miteinander vernetzt sind, haben auch die Aussteller der drei Messen zusätzliche Möglichkeiten, ihre Beziehungen zu pflegen. Auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen der anderen Messen ist hervorragend. Insofern sehen wir in der aktuellen Kombination fast nur Vorteile für alle Messeteilnehmer und hoffen, dass sie uns noch lange erhalten bleibt.

Beim AMA Innovationspreis haben sich junge Unternehmen erfreulich stark präsentiert – von den 25 Bewerbungen kamen überdurchschnittliche zehn von Ausgründungen und Start-ups. Sehen Sie diesen Trend auch auf der Messe – aussteller- und (erwartet) besucherseitig?

Diese äußerst positive Entwicklung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der AMA Verband sich nicht wirtschaftlich, sondern technisch definiert. Sehr viele Universitäts- und Forschungsinstitute sind Verbandsmitglieder und tauschen sich regelmäßig in den Kongressen aus, die die Sensor+Test begleiten. Viele junge Wissenschaftler bekommen damit eine direkte Verbindung zu Verband und Messe. Wenn sie dann später auf der Basis ihrer Forschungsarbeiten Unternehmen gründen, dann kennen und nutzen sie die Chancen, die ihnen der AMA Innovationspreis und die Sensor+Test für einen erfolgreichen Markteinstieg bieten. Dazu gehört auch der vom Bund geförderte Gemeinschaftsstand „Young Innovators“. Für dessen Fortsetzung im kommenden Jahr haben wir gerade wieder grünes Licht bekommen. Insofern gehen wir davon aus, dass die Präsenz innovativer junger Unternehmen auf unserer Messe dauerhaft stark bleiben wird.

Vergleicht man die Sensor+Test mit anderen Messen, zeigt sie sich in Teilen deutlich stabiler. Woran liegt das?

Die Ausstellerstruktur der Sensor+Test basiert auf einer gesunden Mischung aus großen und sehr vielen kleinen Unternehmen. Das sorgt für eine hohe Stabilität. Wenn bei uns ein Aussteller kurzfristig stornieren muss, ist das wirtschaftlich nicht so schlimm, wie auf anderen Messen, die mit großen Ausstellungsflächen arbeiten. Für die kleineren Aussteller bietet es zudem den Vorteil, dass sie mehr auffallen, wenn sie nicht neben einem großen Stand versteckt sind. Ein weiterer wichtiger Grund ist das breite Anwendungsspektrum, für das unsere Branche Lösungen bietet. Sensorik und Messtechnik sind und bleiben eben erfolgreiche Schlüsseltechnologien, selbst wenn manche Teile der Wirtschaft gerade nicht so gut laufen.

Seit Jahren munkelt man, dass die Sensor+Test zur reinen „Sensor“ zurückkehrt – wie es vor vielen Jahren schon einmal war. Wie wahrscheinlich ist das?

Das wird nicht geschehen! Sensorik und Messtechnik gehören einfach zusammen, die kann man nicht trennen. Die Sensoren von heute sind doch inzwischen oftmals bereits kleine Messsysteme. Wo sollte denn da die Trennlinie sein? Tatsächlich ist eher ein immer stärkeres Zusammenwachsen der auf unserer Messe präsentierten Technologien zu sehen als ein Auseinanderdriften. Die Sensor+Test ist für Unternehmen, die sich auf Messtechnik spezialisieren, von unschätzbarem Wert. Sie bietet eine optimale Plattform, um ihre Lösungen einem breiten Publikum aus verschiedenen Branchen wie Automotive, Aerospace, Rail, Maschinenbau und Medizin vorzustellen. Im Gegensatz zu anderen Fachmessen, wo Messtechnik oft eine Nische darstellt, ist die Sensor+Test explizit auf dieses Thema ausgerichtet. Die Vielfalt der Einsatzgebiete und die Fokussierung auf messtechnische Lösungen eröffnen den Ausstellern ein breites Spektrum an potenziellen Kunden und Geschäftsmöglichkeiten, erleichtern die Akquise und führen zu qualitativer Leadgenerierung. Viele Aussteller erkennen das und nutzen die Sensor+Test als Quelle für ihre Projekte.

Dennoch konnte man über die Jahre beobachten, dass der Messtechnik-Bereich auf der Messe immer kleiner wurde…

Das stimmt. Aber das liegt in der Natur der Dinge. Die Sensorik blüht auf, es gibt enorm viele Zukunftsthemen, in denen die Sensorik die Basis für Innovationen ist. Denken Sie nur an die Wasserstoff-Technologien. Reine Messtechnik-Hersteller hingegen haben es schwerer. Der Markt ist im Umbruch – das zeigen allein schon die relativ vielen Übernahmen der jüngeren Vergangenheit. Traditionell ist die Messtechnik-Branche sehr Automotive-lastig orientiert. Angesichts der sich stark verlangsamenden Entwicklung im Bereich E-Mobility wird diese singuläre Ausrichtung langfristig zum Problem für die Hersteller. Sie müssen sich breiter aufstellen, sich auf andere Märkte erweitern, neue Produkte entwickeln, neue Kunden gewinnen. Doch in Zeiten knapper Budgets stehen die Unternehmen Marketingausgaben eher skeptisch gegenüber – das betrifft natürlich auch die Messen. Hier sind wir als Messeveranstalter gefragt. Wir müssen die Messe als Mehrwert positionieren und uns neue Konzepte ausdenken, mit denen wir die Messtechnik-Aussteller abholen. Wir müssen verständlich machen, dass eine Messe die effizienteste Möglichkeit ist, neue Kunden zu gewinnen, denn Lead-Generierung und Networking in der großen Community sind zwei der ganz großen Stärken einer Messe. Wir haben dazu bereits ein Schulungskonzept für Aussteller entwickelt, das auch sehr gut angenommen wird.

Wie sieht es in diesem Jahr mit den Messtechnik-Anbietern aus?

Vor allem deutsche Firmen haben lange mit der Anmeldung gewartet, waren verunsichert angesichts der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten. Anfang des Jahres, als klar wurde, dass die Messe bereits fast ausgebucht ist, kamen dann aber verstärkt Anmeldungen herein.

Sehen Sie generell eine Veränderung in der Messtechnik-Landschaft?

Ja, die Entwicklung geht klar in Richtung Software. Die reinen „Messtechnik-Boxen“, wie man sie traditionell vor Augen hat, weichen immer mehr den Software- und Cloud-basierten Messlösungen. Messtechnik-Hardware wird sicherlich im Bereich der Forschung und Entwicklung weiter dominieren, in der Industrie jedoch ist die Mess-Software stark im Kommen. Das wird den Messtechnik-Markt verändern. Und hier werden die Hersteller über kurz oder lang umdenken müssen. Irgendwann will der Kunde kein Messgerät mehr kaufen, sondern vielleicht nur noch einzelne Messwerte.

Das bedeutet aber auch, dass der Messtechnik-Hersteller in der Lage sein muss, Messwerte zu erfassen…

Ja, meines Erachtens wird es in Zukunft immer wichtiger, dem Kunden alles aus einer Hand anbieten zu können - Sensorik und Messtechnik. Damit wird der Messtechnik-Hersteller zunehmend zu einer Art Service-Anbieter und Datenlieferant. KI wird diesen Trend noch weiter vorantreiben.

Der Messtechnik-Hersteller als reiner Dienstleister - das sind düstere Aussichten für die Anbieter…

Nun, für den High-Tech-Bereich gilt diese Prognose nicht. Aber wir beobachten dennoch diese Tendenz. Bis wir aber wirklich an diesem Punkt angelangt sind, wird es sicherlich noch ein paar Jahre dauern. Und es ist ja auch nichts Schlechtes daran, wenn sich ein Messtechnik-Hersteller mehr in Richtung Systemhaus entwickelt.

Abschließend: Was gibt es über die besprochenen Aspekte sonst noch an interessanten Informationen rund um die Sensor+Test?

Vielleicht noch ein Blick in die Zukunft unserer Messe. Als unbestrittener jährlicher Höhepunkt der Branche wird sie immer mehr Aspekte des Technologietransfers aufnehmen. Wir starten damit in diesem Jahr auf dem Forum in Halle 2. In einer Special Session mit hochkarätigen Experten unter anderem von NIST, PTB und BAM geht es um die Kalibrierkonzepte der Zukunft. So etwas gibt es sonst nur hinter den Türen teurer Kongresse zu hören. Ob Aussteller oder Besucher: Das geht jeden an, der seine Instrumentierung kalibrieren muss. Außerdem bleiben wir bei dem wichtigen Zukunftsthema der Zusammenführung qualifizierter Fachkräfte mit den Unternehmen der Branche am Ball. Wir haben schon jetzt viele neue Ideen und Aktivitäten am Start und freuen uns auf das Feedback der Branche.

Das Interview führte Nicole Wörner.


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu AMA Service GmbH

Weitere Artikel zu AMA Verband für Sensorik und Messtechnik e.V.

Weitere Artikel zu Messeveranstalter

Weitere Artikel zu Sonstige Sensoren

Weitere Artikel zu Sensoren & -systeme

Weitere Artikel zu Messgeräte