Nach dem Start von Bio-Sensing erscheint sehr wahrscheinlich die Meldung, dass die Firmware veraltet ist (Bild 23), sodass diese zunächst mithilfe des Programms BSL_USB_GUI.exe zu aktualisieren ist, was das Vorhandensein von .NET 3.5 (enthält .NET 2.0 und 3.0) voraussetzt.
Nach der Selektierung der Firmware-Datei (AFE4950V3.0.0.txt) muss der Flash-Vorgang für das Entwicklungskit initiiert werden, wozu die Taste S1 (BSL) auf dem Hauptmodul (Bild 20) zu drücken ist und das USB-Kabel mit dem PC verbunden wird. Daraufhin wird der Upgade-Firmware-Button im Programm aktiv geschaltet, und nach der Betätigung wird die Programmierung ausgeführt.
Das Programm Bio-Sensing ist für die Kommunikation mit dem Hauptmodul über die USB-Verbindung, für die Messungen und für die Darstellung der Messwerte und -kurven zuständig. Im Grunde genommen bildet es lediglich einen »Rahmen« für die Software, denn zahlreiche Python-Programme werden nach der Selektierung der gewünschten Funktion in der GUI einzeln ausgeführt. Die Programmschritte lassen sich in einem sich automatisch öffnenden Fenster (Windows-Eingabeaufforderung) verfolgen; dort werden auch Fehlermeldungen anzeigt. Das Navigieren in der GUI erscheint in Teilen umständlich und auch nicht immer logisch.
Zunächst ist das Python-Script devint.py im Script-Fenster über Files – AFE4950EVM – GUI (Bild 23) zu selektieren und in der oberen Menüleiste Run – Buffer anzuklicken, woraufhin eine zunächst unscheinbare Infoseite (Bild 24) auftaucht, die in der oberen Menüleiste jedoch die wichtigen Einstellungs- und Anzeigeoptionen zugänglich macht und auch die Startfunktion enthält:
Andere Optionen unter Run wie Loop oder Run Selection scheinen nichts zu bewirken oder resultieren in einer Fehlermeldung wie »No AFE495EVM Detected, Please check device connection«, was sich erst durch den Windows Task Manager beenden lässt, was mittlerweile nicht mehr Stand der Technik sein sollte. Die Wirkung einiger Funktionen – Filter, Plot Controls, Operation – ist zudem nicht feststellbar.
Die EKG-Signale zeigen den QRS-Komplex und lassen sich auch skalieren, um Details besser erkennen zu können. Das Signal ist von der (Roh-)Qualität her in Ordnung; die Aktivierung von Filtereinstellungen hatte jedoch keinerlei Einfluss auf die dargestellte Kurve.
Das PPG-Signal ist hingegen unbrauchbar. Das Opto-Modul reagiert zwar auf Berührungen und den Pulsschlag. Das gemessene Signal schaukelt sich in einem Sägezahnverlauf aber stets bis auf das Maximum von ca. 1,3 V auf, um dann im mV-Bereich um diese Werte zu mäandern (Bild 24 unten).
Das Verändern von Registereinstellungen, die Durchführung von Resets und auch das Neueinlesen der in einer Datei mitgelieferten Registereinstellungen haben dieses Verhalten leider nicht verbessert. Der Entwickler muss auch erst einmal da- rauf kommen, dass ein Import der Registereinstellungen über Programme\Texas Instruments\Bio-Sensing\AFE4950EVM\ Register Config\AFE4950_settings.cfg erfolgt, denn in der sehr oberflächlichen Dokumentation ist auch davon nichts zu lesen, sodass Texas Instruments an diesem Entwicklungssystem noch einiges verbessern muss, um mit den anderen mithalten zu können.
Der Test der drei Entwicklungssysteme gestaltete sich ungewohnt langwierig, denn die Hersteller reagierten sehr unterschiedlich auf Anfragen. Eine einzige Firma reagierte sofort, andere leiteten die Kontaktversuche von einem Mitarbeiter zum anderen weiter, ohne dass etwas passierte. Es gab auch den Fall, dass gleich sämtliche Anfragen ignoriert wurden.
Letztendlich konnten drei Entwicklungssysteme ausführlich erprobt werden, weshalb Dank für die Unterstützung angebracht ist an Herrn Christian Gruber von Maxim Integrated/Analog Devices, an Herrn Borut Kastelic vom Distributor EBV Elektronik für das AS7050 EVK von AMS sowie an Herrn Korbinian Morhat von der Agentur Golin, der das AFE4950EVM-System von Texas Instruments beschaffen konnte.
Jedes der getesteten Entwicklungssysteme hat seine Vor- und Nachteile, rundum überzeugen konnte jedoch keines, was möglicherweise auch daran liegen mag, dass die Systeme relativ neu auf dem Markt sind und einen sehr großen Funktionsumfang bieten. Erfahrung mit den Entwicklungssystemen scheint noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden zu sein, was sowohl den Support als auch die Dokumentationen betrifft.
Das MAX86178 EVS von Maxim Integrated/Analog Devices weist den größten Funktionsumfang und die beste Signalqualität aller drei getesteten Entwicklungssysteme auf. Daten wie Pulsschlag, Sauerstoffsättigung oder auch nachvollziehbare Werte bei der bioelektrischen Impedanzanalyse liefert es leider nicht. Die Flexkabel-Konstruktion mit dem aufgesetzten BLE-Funkmodul wirkt provisorisch und erweist sich für die Kommunikation mit der PC-Software als nicht zuverlässig.
Eine gute Host-Software, die Vitalparameter auch separat anzeigt und nicht nur für Windows, sondern auch für macOS und Linux verfügbar ist, wird von AMS Osram für das AS7050-System zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es Apps für Android und iOS, die die Messdaten (Raw Data) sowie die daraus berechneten Werte für HRM, SpO2 und GSR darstellen. Erfreulich ist, dass sämtliche Software und die Dokumentationen für das System ohne vorherige Vereinbarung (NDA) frei zum Download zur Verfügung stehen. Die Ausführung mit den Fingerelektroden ist ein praktisches Alleinstellungsmerkmal.
Allerdings sind die Messergebnisse damit weniger zufriedenstellend. Es wäre interessant, das AMS-Entwicklungssystem mit handelsüblichen Elektroden zu testen, was im zeitlichen Rahmen des Tests leider an den hierfür notwendigen Steckverbindungen scheiterte – die waren nicht verfügbar. Sobald die Steckverbinder geliefert wurden, werden die Vergleichsmessungen mit Standardelektroden nachgeholt und darüber in einer der nächsten Ausgaben berichtet.
Das AFE4950EVM von Texas Instruments ist ein kompaktes Entwicklungssystem mit ausführlichen Schaltungs- und Entwicklungsunterlagen. Leider ist die Dokumentation des Eval Kits sehr lückenhaft, und es lässt sich teilweise nur vermuten, wie die Software, die sich aus einzelnen Python-Programmen zusammensetzt, funktioniert und wie sie richtig einzusetzen ist. Der Aufbau und die Bedienung der Software ist verwirrend, zumal einige Funktionen überhaupt nicht zu funktionieren scheinen und auch hängen bleiben. Die gemessenen EKG-Signale sind in Ordnung, was leider nicht auf das optische Signal zutrifft, das keinen PPG-Verlauf erkennen lässt. Von Texas Instruments, die eine Vielzahl von sehr guten Medical Devices entwickelt haben, erwartet man eigentlich ein besser funktionierendes System.
Der Autor
Klaus Dembowski
ist Entwicklungsingenieur für Low-Power- und Energy-Harvesting-Systeme. Er wurde 2011 und 2017 von der Redaktion der Elektronik für seine Fachaufsätze »Sensornetze mit energiesparender Funktechnik« und »Funkelektroden zur Messung bioelektrischer Signale: EKG ohne Kabel« als »Autor des Jahres« ausgezeichnet. Sein Fachaufsatz »Raspberry Pi: Unterschätzte One-Wire-Schnittstelle« war 2021 der meistgelesene Fachaufsatz auf elektroniknet.de.
dembowski@tuhh.de