Medizinische Stromversorgungen

Worauf kommt es an?

14. Juni 2016, 10:08 Uhr | von Volker Gräbner
Bild 2: Artesyn Embedded Technologies bietet ein vielfältiges Programm an Netzteilen für medizinische Geräte. Das Bild zeigt ein konfiguierbares Netzteil gemäß der Norm 60601-1 aus der Baureihe IMP, das bis zu 1500 W bereit stellt und mit einem Überbrückungsmodul ausgestattet ist, um die volle Leistungsabgabe bis zu 54 ms zu halten.
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Bei der Bereitstellung von elektrischer Energie für medizinische Anwendungen gibt es einen spezifischen Bereich im Zusammenhang mit Spannungseinbrüchen und Unterbrechungen der Stromversorgung, der eine außerordentlich genaue Beachtung erfordert.

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Bild 1: Die Norm IEC 60601-1 regelt die Sicherheit medizinischer Geräte. Fortec Power Supplies bietet eine breite Auswahl an Stromversorgungen für medizinische Anwendungen
Bild 1: Die Norm IEC 60601-1 regelt die Sicherheit medizinischer Geräte. Fortec Power Supplies bietet eine breite Auswahl an Stromversorgungen für medizinische Anwendungen
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Die allgemeinen Bestimmungen der Sicherheitsnorm IEC 60601-1 dürften für jeden Konstrukteur auf dem Gebiet von medizinischen Ausrüstungen bekanntes Terrain sein. Die Norm definiert die allgemeinen Sicherheitsanforderungen für Geräte »mit genau einem Anschluss an ein Versorgungsnetz, die gemäß Herstellerfestlegung zur Diagnose, Behandlung oder Überwachung eines Patienten bestimmt sind und in körperlichem oder elektrischem Kontakt mit dem Patienten stehen.« IEC 60601-1 wurde von den USA übernommen als UL 60601-1, und ebenso in den meisten größeren Industrieregionen wie Kanada (C22.2 Nr. 601.1), Europa (EN 60601-1), Japan (JIS T0601-1), Australien und Neuseeland (AS/NZ 3200.1).

Die Sicherheitsnorm 60601-1 bezieht sich auf eine außerordentlich breit gefächerte und diversifizierte Palette von Geräten, die für den Einsatz in einer medizinischen, zahntechnischen und Laborumgebung bestimmt sind (Bild 1). Typische Beispiele reichen von Kleingeräten wie Steuerungen von Infusionspumpen und Endoskopiekameras, bis hin zu wesentlich größeren Systemen wie Dialysemaschinen, CT- und MRT-Scannern sowie nuklearmedizinschen Systemen.

Fremdbezug oder Eigenfertigung?

Für die interne Konzeption eines AC/DC-Netzteils oder die Auswahl eines handelsüblichen Netzteils für ein medizinisches Produkt sind eine Vielzahl von Überlegungen zu berücksichtigen: z.  B. das Gesamt-Leistungsbudget des Systems, der Strom- und Spannungsbedarf, der Gesamtwirkungsgrad des Netzteils, seine physikalischen Abmessungen, Steuerungs- und Überwachungsfunktionen, Set-Up oder programmierbare Funktionsmerkmale und nicht zuletzt seine Kosten. Zusätzlich zu diesen Faktoren muss sichergestellt werden, dass das Netzteil eine höhere Isolation und einen niedrigeren Erdableitstrom aufweist als ein normales nichtmedizinisches Gerät, um die Sicherheitsnorm 60601-1 zu erfüllen. Da die Entwicklung von Hochleistungs-Schaltnetzteilen eine anspruchsvolle Aufgabe ist, die erhebliche Fertigkeiten sowie Ressourcen erfordert, und das medizinische Gerät einer strengen Überprüfung auf Konformität unterliegt, entscheiden sich die meisten Entwickler für ein standardmäßiges handelsübliches Netzteil, soweit verfügbar für ihre Anwendung, oder sie verlangen von einem auf Netzteile spezialisierten Hersteller ein spezifisch ausgelegtes Gerät.

Vorabzulassungen beschleunigen den Prozess

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Bild 2: Artesyn Embedded Technologies bietet ein vielfältiges Programm an Netzteilen für medizinische Geräte. Das Bild zeigt ein konfigurierbares Netzteil gemäß der Norm 60601-1 aus der Baureihe IMP, das bis zu 1500 W bereit stellt und mit einem Über
Bild 2: Artesyn Embedded Technologies bietet ein vielfältiges Programm an Netzteilen für medizinische Geräte. Das Bild zeigt ein konfigurierbares Netzteil gemäß der Norm 60601-1 aus der Baureihe IMP, das bis zu 1500 W bereit stellt und mit einem Überbrückungsmodul ausgestattet ist, um die volle Leistungsabgabe bis zu 54 ms zu halten.
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Wenn die Hersteller von medizinischen Produkten Netzteile verwenden, die bereits vorab nach der Sicherheitsnorm 60601-1 zugelassen sind, kann dies die Konformitätsprüfung ihrer eigenen Produkte beschleunigen und die Produkteinführungszeit verkürzen (Bild 2). Mit diesen Vorabzulassungen vermindert sich für sie auch das Risiko von unvorhergesehenen Entwicklungsproblemen in einem Bereich außerhalb ihres Fachgebiets, die den Zeitplan durcheinanderbringen könnten.

Weltweit gibt es zahlreiche Hersteller medizinischer Netzteile, von denen viele technisch hervorragende Produkte liefern. Bei der Auswahl eines spezifischen Lieferanten besteht die beste Lösung fast immer darin, ein Unternehmen zu suchen, das eine möglichst große Palette von Netzteilen fertigt, vorzugsweise über nachgewiesenes Know-how in AC/DC- und DC/DC-Umwandlungstechniken verfügt und eine durchgängige Erfolgsgeschichte in der Lieferung von Standard- und kundenspezifischen, nach medizinischen Vorschriften zugelassenen Produkten an die führenden Hersteller von Medizingeräten nachweisen kann.


Strenge Anforderungen

Da es heute recht viele Netzteile gibt, welche die Norm 60601-1 erfüllen, sieht es auf den ersten Blick so aus, als ob man für die Auswahl eines geeigneten Netzteils nur zu prüfen bräuchte, dass das Produkt alle Anforderungen der Anwendung erfüllt. Ganz so einfach ist es jedoch nicht. IEC 60601-1 ist ein Musterbeispiel für eine sogenannte Grundnorm; sie deckt alle allgemeinen Anforderungen für elektrische Medizingeräte ab, aber auch eine Reihe von dazugehörigen Normen, die als Ergänzungsnormen bezeichnet werden. Eine von diesen ist die IEC 60601-1-2, die die strengen Anforderungen festlegt, die Netzteile für medizinische Geräte hinsichtlich elektromagnetischer Verträglichkeit (EMV) erfüllen müssen.

Selbstverständlich entsprechen alle Netzteile, die die 60601-1 erfüllen, auch den EMV-Anforderungen der IEC 60601-1-2 (andernfalls würden sie nicht zugelassen) – diese Anforderungen sind seit 2004 tatsächlich eine verbindliche Vorgabe für den Vertrieb. Allerdings herrscht durchaus Uneinigkeit, wenn es darum geht, die Anforderungen der IEC 60601-1-2 in Bezug auf Spannungseinbrüche zu erfüllen – die ihrerseits Gegenstand eines weiteren ergänzenden Paares von IEC-Normen mit den Nummern 61000-4-11 und 61000-4-34 sind. IEC 61000-4-11 und IEC 61000-4-34 sind ein aufeinander abgestimmtes Normenpaar und legen fest, wie Geräte Spannungseinbrüche, Spannungsschwankungen und kurzzeitige Versorgungsunterbrechungen der AC-Stromquelle aushalten müssen. Die Normen geben dieselben Werte und Zeiträume für Spannungseinbrüche vor und gelten für ein- und dreiphasige Ausrüstungen. IEC 61000-4-11 gilt für Ausrüstungen bis 16 A pro Phase und trägt diesem Umstand dadurch Rechnung, dass es vier unterschiedliche Klassifikationskategorien festlegt (Tabelle).

KlassifizierungErläuterung
ANormale Leistung innerhalb der vom Hersteller, Interessenten oder Käufer vorgegebenen Grenzen
BTemporärer Funktionalitätsverlust oder Leistungsabfall, der nach dem Ende der Störung abklingt, und von dem aus der Prüfling seine normale Leistung ohne Bedienereingriff wieder erlangt
CTemporärer Funktionsverlust oder Leistungsabfall, zu dessen Behebung ein Bedienereingriff erforderlich ist
DIrreparabler Funktions- oder Leistunsverlust aufgrund von Hardware- oder Softwareschaden, oder Datenverlust

 

Tabelle: Klassifikationskategorien für Ausfallsicherheit


Klassifikationskategorien

Sofern die Ausrüstung nicht für lebenswichtige Unterstützungsfunktionen bestimmt ist, liegt die Entscheidung über die für die Konformitätsprüfung zu verwendende Klassifikationskategorie beim Entwickler der Ausrüstung. Der Entwickler muss zudem entscheiden, was unter »voller Funktionalität« zu verstehen ist, und somit per definitionem ebenfalls, was »Funktionsverlust« bedeutet. Dadurch entsteht unvermeidlich eine Grauzone. Die meisten Standard-Open-Frame-Netzteile für Medizingeräte mit niedriger bis mittlerer Leistung, die bei weitem das größte Marktsegment ausmachen, sind zu klein und preiswert, als dass sie der Klassifizierungsstufe A entsprächen. Um längere Überbrückungszeiten bei Volllast ohne Verminderung der Ausgangsspannungsänderung zu erreichen, sind zusätzlich erhebliche Hold-up-Kapazitäten oder größere Eingangskomponenten für den Betrieb bei niedrigerer Spannung erforderlich. Darüber hinaus nennen Netzteilhersteller zuweilen detaillierte EMV-Charakterisierungsdaten, um die Entwickler bei der Entscheidung zu unterstützen, welche Klassifikation für die Konformitätsprüfung ihres Geräts zu verwenden ist. Dies ist hilfreich zur Einschränkung der Produktauswahl.

Den Entwicklern von medizinischen Geräten stehen zahlreiche Techniken zur Verfügung, um die strenge Klassifizierungsstufe A zu erfüllen. Sie können ein überdimensioniertes Netzteil für die Anwendung einsetzen oder den Ausgang mit höherer Kapazität versehen – was aufgrund der verschiedenen Designkriterien an Grenzen stößt. Wenn es sich aus kaufmännischer Sicht rechnet, kommen auch kundenspezifische Netzteile in Betracht. Eine weitere Lösung ist ein modulares Netzteil. Dieses stellt eine flexible und kostengünstige Möglichkeit dar, die Ausgangsleistung schrittweise zu erhöhen und zusätzliche Kapazität zur Verfügung zu stellen, um die Überbrückungszeit bei einem AC-Eingangsspannungsabfall zu verlängern. Einige der höherwertigen modularen Netzteile auf dem Markt, die für medizinische Geräte zugelassen sind, bieten optionale Leistungsüberbrückungsmodule, welche die Zeit, in der die Ausgangsspannung gehalten wird, erheblich verlängern.

Kostspielige Strenge

Für ein Netzteil zu enge Spezifikationen vorzuschreiben, um die Anforderungen der IEC 60601-1-2 in Bezug auf Spannungseinbrüche zu erfüllen, kann eine kostspielige Entscheidung sein. Die Entwickler von medizinischen Geräten sind gut beraten, das Gesamt-Leistungsbudget des Systems und das erforderliche Funktionalitätsniveau sorgfältig zu beurteilen, bevor sie sich für ein spezifisches Netzteil entscheiden.

Über den Autor:

Volker Gräbner ist Produktmanager bei Fortec Power Supplies.

Energie für den Klinikbereich

Für leistungshungrige Anwendungen der Medizintechnik bringt der Spezialdistributor Emtron electronic (ein Tochterunternehmen von Fortec) die Stromversorgungsgeräte der Typfamilie »GSM220B« auf den Markt. Das 220-W-Gerät des Herstellers Mean Well entspricht den Vorschriften der gängigen Normen für Medizintechnik-Stromversorgungen IEC 60601-1 3rd Edition sowie ES/EN 60601-1-11 für Geräte und medizinisch elektrische Systeme zur Versorgung in häuslicher Umgebung. Es bietet die Einstufung gemäß 2xMOPP und erfüllt BF-Anforderungen an medizinische Geräte für den Einsatz im direkten Kontakt mit Patienten. Nicht zuletzt auch wegen eines außerordentlich niedrigen Ableitstroms von weniger als 100 µA. Auch in Sachen Energieeffizienz ist die Gerätefamilie auf dem Stand der Technik – sie erfüllt die aktuellen Regelungen, die in den Standards EISA 2007/DoE Level VI und ErP/CoC der EU in der Version 5 festgeschrieben sind.

Mit diesem Profil eignet sich die Typfamilie beispielsweise für mobile Workstations, für den Klinikbereich, für Betten mit elektrischen Vorrichtungen in Krankenhäusern, Säuglingsinkubatoren, biomedizinische Mess- und Testgeräte sowie für alle medizinischen Geräte und darüber hinaus für jegliche elektrischen Geräte, bei denen eine niedrige Leerlaufleistungsaufnahme ein wichtiges Kriterium darstellt.

 


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