Nicht immer fließt Geld, wenn es um Startup-Förderung geht. Anstelle von Risikokapital bietet Infineon Halbleiter, Netzwerk, Know-how und Büroinfrastruktur an. Lamin Ben-Hamdane, Leiter des Co-Innovationsprogramms von Infineon, über die Vorteile der Technologiepartnerschaft.
Markt&Technik: Herr Ben-Hamdane, wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit Startups aus? Welche Vorteile haben die Startups, welche Vorteile ergeben sich für Infineon?
Lamin Ben-Hamdane: Wir unterstützen Startups bereits ab einem sehr frühen Stadium. Als Technologiepartner, nicht als Investor. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie in Wachstumsmärkte vordringen, die auch für uns großes Potenzial bieten. Daher muss die neue Applikation zu unseren Produkten passen. Wir lernen, indem die Startups neue Anwendungen für unsere Komponenten kreieren. Damit erhalten unsere Produktexperten frühe wertvolle Einblicke in die Märkte der Zukunft und – im Idealfall – neue Kunden. Wenn die Startups wachsen, wachsen wir als Lieferant mit. Dafür geben wir ihnen die Zeit und den Nährboden, den sie brauchen. Wir öffnen Türen für sie zu unseren Kunden, nicht nur in der Region Asien-Pazifik, sondern auch in Europa, den USA und China. In jedem Fall bekommen unsere Produktexperten durch die Kooperation frühe wertvolle Einblicke in Märkte der Zukunft. Einen eigenen Investitionsfonds halten wir hingegen nicht vor.
Wie finden Sie für Infineon interessante Startups?
Die Kernfrage für unsere Entscheidung ist immer, ob die Aktivität zu uns passt und uns potenziell weiterbringt. Manchmal kommen die Anregungen auch über VCs. Wir haben sowohl Zugang zu Investitionsdatenbanken, arbeiten aber auch mit Agenturen zusammen, die Startups für uns identifizieren. Zusätzlich besuchen wir Messen und sprechen mit Investoren. Räumlichkeiten für die Startups gibt es in Singapur. Sie können bis zu zwölf Monate von den Gründern genutzt werden. Wir sind in verschiedenen Regionen der Welt aktiv und arbeiten jeweils eng mit dem lokalen Ökosystem zusammen: Silicon Valley, das Innovation Center Singapur und München sind die drei Hauptstandorte, wir beschränken uns aber nicht darauf. Es gibt auch an vielen anderen Standorten Kooperationen. Während einer Kooperation erhalten die Startups unsere Unterstützung, mit Know-how, Produkten, Marketing und Netzwerkkontakten. Ausgewählte Ingenieure leisten aktiv Unterstützung, und der Name Infineon öffnet zusätzlich so manche Tür, die den Startups ohne unseren Namen vielleicht verwehrt wäre.
Wir sind global immer auf der Suche nach interessanten Startups und halten dazu auch engen Kontakt zu den Entrepreneurship-Zentren der Hochschulen. Auch über Technologie-Scouts, Initiativen wie BayStartup oder Datenbanken bekommen wir oft Anregungen; oft werden wir auch von Startups selbst angesprochen.
Wie viele Startups betreuen Sie pro Jahr und welche Zielmärkte sind für Infineon interessant?
Hier in München arbeiten wir mit 15 bis 20 Startups pro Jahr zusammen. Startups mit einer spannenden Hardware-Idee und Zielmärkten wie KI und Digitalisierung, Sustainability und Dekarbonisierung finden wir besonders spannend. Die Startups sollten das Potenzial haben, global zu skalieren.
Ein aktuelles Beispiel ist unsere Kooperation mit dem britischen Startup Jiva Materials. Im Mittelpunkt steht das Demo- und Evaluierungsboard »Soluboard«, eine recycelbare und biologisch abbaubare Leiterplatte, die den Elektronikschrott und den CO2-Fußabdruck verringern hilft. Wir setzen Soluboard ein, um den CO 2-Fußabdruck von Demo- und Evaluierungsboards zu reduzieren.
Das Substrat, auf dem die Leiterplatte basiert, basiert auf Naturfasern und einem halogenfreien Polymer. Das pflanzliche PCB-Material von Soluboard wird aus Naturfasern hergestellt, die einen deutlich geringeren Kohlenstoff-Fußabdruck aufweisen als die herkömmlichen Glasfasern. Die organische Struktur ist von einem ungiftigen Polymer umschlossen, das sich beim Eintauchen in heißes Wasser auflöst und nur kompostierbares organisches Material zurücklässt. Auf diese Weise wird nicht nur Leiterplattenabfall vermieden, sondern auch die auf der Leiterplatte verlöteten elektronischen Bauteile können wiederverwertet werden.
Erste Infineon-Evaluation-Kits auf Basis des Soluboard sind in Kooperation von Jiva Materials und der Division Green Industrial Power von Infineon entstanden. Pro Quadratmeter einer herkömmlichen Leiterplatte können 10,5 kg Kohlenstoff und 620 g Kunststoff eingespart werden. Wir haben drei verschiedene Demo-Boards mit Soluboard-Technologie hergestellt und planen, das Angebot in den nächsten Jahren noch zu erweitern. Das Ziel dabei ist, die Herausforderungen bei Design und Zuverlässigkeit zu verstehen, mit denen Hersteller beim Einsatz des neuen Materials in ihren Kernanwendungen konfrontiert sind. Diese neuen Erkenntnisse werden zur Entwicklung nachhaltiger Designs beitragen und unseren Kunden zugutekommen.