Der Verein deutscher Ingenieure (VDI) kritisiert die Eckpunkte des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung und fordert eine »kräftige Nachbesserung«, insbesondere bei der Höhe der CO2-Bepreisung sowie im Verkehrs- und Gebäudebereich. Sonst seien die Ziele 2030 nicht erreichbar.
Das Paket enthalte aus Sicht des VDI zwar gute Ansätze, aber angesichts “der klimapolitischen Versäumnisse in den vergangenen Jahren sind wir zu viel gravierenderen Maßnahmen verdammt", kommentiert VDI-Direktor Ralph Appel.
Die Einführung einer Bepreisung der CO2-Emissionen sei ein wichtiger Schritt, den auch der VDI immer wieder angemahnt habe. Die zu erwartenden Kosten der Schäden durch den Treibhauseffekt müssten heute bei der Nutzung fossiler Energieträger jedoch eingepreist werden und sollten sich an der Höhe der zu erwartenden Schadenskosten orientieren. Die im Eckpunktepapier genannten 10 Euro pro Tonne in 2021 und maximal 60 Euro pro Tonne im Jahr 2026 liegen nach Meinung des VDI jedoch zu weit unter den von Experten und Klimaforschungsinstituten berechneten Preis von bis zu 180 Euro.
Als Enttäuschung bezeichnet der VDI besonders die Eckpunkte im Verkehrsbereich, der als einziger Sektor bisher nicht zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen in Deutschland beigetragen habe. Dies gelte umso mehr, da die Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung für höhere Preise im Verkehrssektor deutlich höher sei als in anderen Bereichen.
Somit sei keine steuernde Wirkung der CO2-Bepreisung zu erwarten, “insbesondere in den ersten Jahren mit den sehr niedrigen CO2-Preisen”. Auch die im Klimaschutzprogramm vorgeschlagenen Maßnahmen zur energetischen Sanierung im Gebäudebestand reichten Laut VDI bei weitem nicht aus und fordert, die Sanierungsrate im Vergleich zum Status quo mindestens zu verdoppelt, wenn nicht sogar zu verdreifachen.
Negativ bewertet der VDI auch, dass zwar die Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Papier bekräftigt werden, aber Hinweise gänzlich fehlten, wie der Ausbau der besonders wichtigen Windenergie in Deutschland wiederbelebt werden solle. Die Energiewende sei neben einer Reduktion des Energieverbrauchs schließlich nur durch die Substitution von fossilen Energieträgern durch Strom aus erneuerbaren Energien möglich. Nur wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Verbindung mit der Realisierung der Stromtransportleitungen rechtzeitig gelinge, können die Klimaschutzziele erreicht werden.
"Insgesamt hat Deutschland in den letzten Jahren deutlich zu wenig für den Klimaschutz getan", meint Appel. Beweis dafür seien die massive Verfehlung des CO2-Reduktionsziels für 2020. "Wenn wir jetzt nicht deutlich ambitionierter den Klimaschutz voranbringen, werden die weiteren Maßnahmen noch viel gravierender ausfallen oder wir werden für viel Geld Zertifikate im Ausland einkaufen müssen. Sinnvoller ist, dieses Geld in Investitionen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der energieeffizienten Technologien zu investieren. Das kurbelt auch die Konjunktur in Deutschland an und kann mehr Arbeitsplätze schaffen. Große Teile der Bevölkerung und auch der Wirtschaft sind mit dieser Einsicht weiter, als viele Politiker vermuten. Ich wünsche der Bundesregierung daher den Mut, die erforderlichen Nachbesserungen im Klimapaket zeitnah vorzunehmen."
VDE präsentiert zwei Studien zur Zukunft “grüner” Stromversorgung
Der VDE hat derweil zwei neuen Studien zu technischen Lösungen für eine emissionsfreie Stromversorgung veröffentlicht. Dazu Ansgar Hinz, CEO des VDE: „Was bei den Forderungen von Fridays for Future oft vernachlässigt wird, ist dass wir bei 100 Prozent Solar- und Windenergie die Stromversorgung in Deutschland erst einmal komplett auf den Kopf stellen müssen, um keinen Blackout zu erleben. Die Anforderungen an unsere Stromnetze, getrieben durch den stetig steigenden Anteil netzgekoppelter Leistungselektronik in Windenergieanlagen, Photovoltaikanlagen, Batteriespeichersystemen aber auch durch die Anforderungen der Elektromobilität, verlangen jetzt nach Lösungen“, erklärt er. Auch wenn er sehr mit den Fridays for Future sympathisiere, müsse doch maßvoll an das Thema herangegangen und „endlich mal wieder die Ingenieure gehört werden”.
In der Studie „Gleichspannung in der elektrischen Energieverteilung“ präsentiert der VDE nun mehrere Ansätze, wie mithilfe moderner Leistungselektronik neue, effiziente und flexible Infrastrukturen in den Verteilungsnetzen umgesetzt werden können. Neben den jetzigen technischen Möglichkeiten identifiziert die Studie auch den weiteren Forschungsbedarf.
In der zweiten Studie „Perspektiven der elektrischen Energieübertragung in Deutschland“ wollen die VDE-Experten aufzeigen, wie das heutige Übertragungsnetz zukünftig sich stetig ändernden Aufgaben und Herausforderungen evolutionär anpassen kann. Sie analysieren hierfür die technische Weiterentwicklung von Komponenten, Anlagen, Systemen und Verfahren. Hierzu gehören z.B. der witterungsabhängige Freileitungsbetrieb, Hochtemperaturleiterseile, Kabel, gasisolierte Leitungen (GIL) und supraleitende Systeme inklusive neuartiger Verlegungstechniken. In ihrer Analyse haben die VDE-Experten ihre Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Technologien auf einen Zeitraum von etwa 20 Jahren ausgerichtet.
Die beiden Studien sind im VDE Shop erhältlich und für VDE-Mitglieder kostenlos.