Anders als im Straßenverkehr fehlt es beim Fliegen bislang an klimaneutralen Antriebsalternativen. Ein Ausweg könnte synthetischer Sprit sein, der aus überschüssigem Öko-Strom gewonnen werden kann.
Flughäfen, Airlines und Flugzeughersteller stehen am Klima-Pranger. In der Diskussion um den CO2-getriebenen Klimawandel verweisen sie defensiv auf langfristige Selbstverpflichtungen bis 2050, Emissionshandel und freiwillige Ausgleichsprogramme. Weil es derzeit keine Alternative zum Verbrennen großer Mengen energiereichen Kerosins gibt, wenn man Jets mit mehr als 500 Tonnen Startgewicht in die Luft bekommen will, ist nun der Treibstoff zum Hoffnungsträger geworden. Er kann als Ethanol aus Biomasse gewonnen werden oder auch - mit hohem Energieaufwand - aus dem unbegrenzt verfügbaren Wasserstoff. Eine weitere Alternative sind Solarreaktoren, in denen Synthese-Gas als Kerosinvorstufe hergestellt werden kann.
Elektrisch angetriebene Passagierjets hält Lars Wagner, Technikvorstand beim Münchner Triebwerksbauer MTU, für ferne Zukunftsmusik. »Für 150 bis 270 Passagiere ist das mit den heutigen Batterietechniken nicht machbar«, sagt er. Die Akkus wären viel zu schwer. Auch Wagner hält daher den Einsatz alternativer Kraftstoffe für den besten Weg, denn die aktuellen Triebwerke müssten dafür nicht umgebaut werden. Wenn man den zur Treibstoffproduktion notwendigen Strom zudem nachhaltig erzeuge – etwa durch Sonnenkraft in der Wüste – könne man die CO2-Bilanz der herkömmlichen Triebwerke um 80 bis 90 Prozent verbessern.
Bereits im Februar 2008 hat ein Jumbo der Gesellschaft Virgin Atlantic einen ersten Demonstrationsflug absolviert, bei dem aus Pflanzen hergestellter Bio-Sprit dem konventionellen Kerosin beigemischt war. Bis zum Juni 2019 folgten laut dem Airline-Weltverband IATA mehr als 180 000 kommerzielle Verkehrsflüge, gleichwohl fehlt es immer noch weltweit an Produktionsanlagen.
Die IATA setzt sich dafür ein, den Luftverkehr bei der Verteilung des »grünen« Treibstoffes gegenüber anderen Verkehrssektoren zu bevorzugen. Mindestens für Autos werden die künstlichen Kraftstoffe von Umweltschützern kritisch gesehen, weil die Energieverluste bei der Produktion des Wasserstoffs sehr hoch ausfallen. Weit effizienter sei es, den Ökostrom direkt in die (Batterie-)Fahrzeuge zu laden.
Der Lufthansa-Konzern erprobt seit 2011 alternative Kraftstoffe, die dem fossilen Kerosin beigemischt werden. Inzwischen ist aber längst klar, dass die Anbauflächen der Welt in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion niemals ausreichen würden, um den Energiehunger der beständig wachsenden Airline-Branche mit Bio-Sprit zu stillen. Im Februar wurde daher eine Zusammenarbeit mit der norddeutschen Raffinerie Heide vereinbart, wo im Rahmen eines mit 4,2 Millionen Euro Steuergeld geförderten Forschungsprojekts künftig Windstrom zur Produktion synthetischen Kerosins genutzt werden soll.
Eine erste Pilotanlage soll bis Ende 2023 starten und dann 5 Prozent des Bedarfs am Flughafen Hamburg abdecken, sagt Raffinerie-Geschäftsführer Jürgen Wollschläger. Das wären jährlich um die 20 000 Tonnen Öko-Kerosin. »Wir haben hier die Chance, als Raffinerie Teil der Energiewende zu werden«, meint Wollschläger. Derzeit eruiere man mit den Projektpartnern unter Leitung der Universität Bremen die Parameter für das Anlagen-Design und habe auch noch verfahrenstechnische Probleme zu lösen. Die Windenergie zur Abspaltung des Wasserstoffs wird voraussichtlich aus Offshore-Windparks kommen, die Details stehen noch nicht fest. Für den Raffinerie-Chef ist aber klar: »Wir wollen ein wirtschaftlich tragfähiges Projekt und dazu gehört auch ein preislich konkurrenzfähiges Produkt.»«
Der europäische Flugzeugbauer Airbus sieht teilelektrische Antriebe oder auch Wasserstoff-Brennstoffzelle im Flugzeug als langfristige Alternativen. Die nachhaltig produzierten Kraftstoffe würden aber dringend benötigt, um die kurz- und mittelfristigen Klimaziele der Luftfahrt zu erreichen, versichert das Unternehmen, das sich in den verschiedenen Programmen und Initiativen zur Dekarbonisierung der Branche verpflichtet hat. Klimaneutrale Kraftstoffe hätten zudem den Charme, dass mit ihnen die heute noch gebauten, konventionellen Flugzeuge bis zum Ende ihres oft mehr als 30 Jahre währenden Funktionszyklus geflogen werden könnten und die Airlines den Übergang sehr viel besser organisieren könnten.