Um wiederum sauber aus seinem bestehenden Arbeitsvertrag aussteigen zu können, suchte Schneider das Gespräch mit seinen beiden Hoechst-Chefs. Der eine, ein Engländer, reagierte souverän. Er, Schneider, solle sich nach seinem Urlaub bei ihm melden, um die Übergabe zu besprechen. "Der andere, ein Deutscher, war weniger entspannt", berichtet der heutige geschäftsführende Gesellschafter der Umformtechnik Radebeul.
Seine Forderung: Er solle die vollen neun Monate des Arbeitsvertrags erfüllen. Für HR-Expertin Pietrus nichts Ungewöhnliches. High Potentials wie Verkaufsleiter würden öfters unmittelbar nach der Kündigung freigesetzt, wenn sie zur Konkurrenz wechseln wollten und oft obendrein mit einem Arbeitsverbot belegt. Bei Schneider lägen die Dinge jedoch anders, weil er nicht innerhalb der Branche die Position wechseln wollte. Als Kompromiss handelte er am Ende eine dreimonatige Übergabephase heraus und zum 1. Oktober im selben Jahr trat Schneider seinen neuen Job als Geschäftsführer einer Etikettierfirma an.
"Absolute Transparenz ist wichtig", meint Schneider im Rückblick. Hätte er damals pokern wollen und hätte er nicht alle Fakten genannt, wäre das Ausscheiden bei Hoechst zum Fiasko geworden. Doch bei aller Offenheit krankte es an einer Stelle: "Das Zeugnis", sagt Pietrus. Selbst, wenn ein Beschäftigungsverhältnis von beiden Seiten fair beendet werde, verzögere sich doch immer wieder die Übergabe des Arbeitszeugnisses, hat die Skillsoft-Personalchefin beobachtet.
"Das scheint entweder beiden Seiten unangenehm zu sein oder nicht wichtig genug", sagt die HR-Frau. Auch Schneider tappte in die Falle und schrieb sein Zeugnis eigenhändig, sein ehemaliger Personalleiter "übersetzte" es dann in rechtlich korrekte Formulierungen. Aber das dauerte fast ein Jahr. Pietrus rät: "Tippen Sie nie ihr eigenes Zeugnis, sondern bestehen Sie bei der Kündigung darauf." Üblich sei es inzwischen, dass Absätze zu Arbeitsumfang und -leistung oder Umgang mit Kollegen, Kunden und Chefs vorformuliert sind. Vorgesetzte wählten dann wie nach Noten aus und auf dieser Basis formulieren Personalabteilungen entsprechende Arbeitszeugnisse.
Schneider ist inzwischen selbst Inhaber eines 150 Mitarbeiter großen Unternehmens. Und kennt nun auch die andere Seite. "Kündigt eine Führungskraft, bin ich nicht nachtragend", sagt der Unternehmer. Meist zeichne sich das ohnehin im Vorfeld ab. Einen Grund dafür vermutet der Mittelständler in den Persönlichkeiten. "Es gibt Menschen, die für den Aufbau eines Unternehmens topp sind." Andere seien hingegen besser, wenn es um die Verbesserung von Bestehendem gehe. Da seien Jobwechsel normal, sagt der Stratege. Auch Pietrus weiß, dass viele Chefs dank Vorahnungen oder feinen Antennen selten ein Abgang überrascht. "Manchmal helfen Weiterbildungen und dazu passende Beförderungen, um die Kündigung abzuwehren. Wer hier vorbereitet ist und im Gespräch mit seinen Leuten bleibt, kann souveräner reagieren", bestätigt Pietrus.