In heute erwünschten Hochleistungskulturen sollen Mitarbeiter neue Aufgaben motiviert und zupackend meistern, hohes Arbeitspensum vorausgesetzt. Dass das oft in Überforderung umschlägt, belegen die gestiegenen Zahlen zu psychischen Erkrankungen. Was sagt die Resilienzforschung?
Es ist durchaus sehr subjektiv, was eine Person als Stress erlebt. Individuelle Denk- und Verhaltensmuster spielen beim Stressempfinden eine große Rolle. Mitarbeiter zeigen sie außer am Arbeitsplatz auch zu Hause, denn sie sind ein Teil ihrer Persönlichkeit.
Deshalb lassen sich, wenn es um den Krankmacher „Stress“ geht, Berufliches und Privates schwer trennen und Unternehmen kommen mit einer Gesundheitsprävention, die sich rein auf ein gesundheitsgerechtes Gestalten des Arbeitsumfelds konzentriert, allein nicht weit. Sie müssen vielmehr den Menschen als Ganzen im Blick haben.
Das haben viele Unternehmen erkannt. Deshalb orientieren sich ihre Präventionskonzepte heute nur noch selten ausschließlich am Ziel „Krankheit vermeiden“. Ihnen liegt vielmehr ein Präventionsansatz zugrunde, der sich an solchen Zielen wie „Steigern der Vitalität und Lebensfreude“ und „selbstbewusster/-bestimmter leben“ orientiert.
Entsprechend boomten im vergangenen Jahrzehnt Maßnahmen zum Bewahren der Work-life-Balance der Mitarbeiter – angefangen bei Stressmanagement-Seminaren bis hin zu Entspannungskursen. Zudem offerieren die Betriebe ihren Mitarbeitern heute mehr Möglichkeiten, ihre Arbeitszeiten flexibel zu gestalten. Auch Kinderbetreuungsangebote und Angebote zur Kurzzeitpflege von Angehörigen sind nicht ungewöhnlich.
Das alles sind zielführende Maßnahmen zum Bewahren der Lebensbalance und Leistungskraft der Mitarbeiter. Doch inzwischen erkennen immer mehr Unternehmen: Mit ihnen allein können wir die bei unseren Mitarbeitern Stress auslösenden Faktoren nur bedingt beheben. Denn eine Fiktion wäre es anzunehmen, dass der aktuelle Wettbewerbs- und Veränderungsdruck, der auf den Unternehmen lastet, in den kommenden Jahren sinkt. Also wird auch die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter steigen – ebenso der Druck, sich neuen Herausforderungen zu stellen und eine große Verhaltensflexibilität zu zeigen. Deshalb müssen die Mitarbeiter künftig über die Kompetenz verfügen,
Im Betriebsalltag registriert man oft, dass Menschen auf dieselbe Belastung unterschiedlich reagieren. Während zum Beispiel ein Mitarbeiter wegen der „stressigen Arbeitsbedingungen“ einen Burn-out erleidet und für längere Zeit ausfällt, klagt ein anderer zwar auch ab und zu „Das ist ja stressig“, doch dann macht er sich wieder voller Elan und Zuversicht ans Werk. Warum dies so ist, damit beschäftigt sich die Resilienzforschung und kommt zum Schluss: Manche Menschen haben eine höhere „Widerstandsfähigkeit“ als andere. Sie haben sozusagen eine „dickere Haut“, wenn es um den Umgang mit herausfordernden Situationen geht. Deshalb perlen Belastungen an ihnen scheinbar ab, während sie bei anderen zu einer Überforderung führen.
Die Resilienzforschung zeigt zudem: Die genannten Fähigkeiten und Eigenschaften schlummern in fast allen Menschen. Ohne eine externe Unterstützung fällt es ihnen aber oft schwer, diese zu aktivieren. Denn dies setzt ein Bewusstsein darüber voraus: Wie reagiere ich regelmäßig in gewissen Situationen? Zum Beispiel bei neuen Herausforderungen? Oder wenn wichtige Entscheidungen anstehen? Außerdem: Warum reagiere ich so und nicht anders? Diese Fragen kann sich jeder Mensch alleine stellen. Doch faktisch tun dies viele nicht. Und wenn doch? Dann finden sie oft nicht die richtigen Antworten. Zum Beispiel, weil sie nicht registrieren, dass sie in vergleichbaren Situationen stets ähnlich reagieren. Oder weil ihnen ihr Verhalten so selbstverständlich erscheint, dass sie sich nicht vorstellen können, anders zu reagieren.
Deshalb offerieren Unternehmen, die ihre Mitarbeiter beim Steigern ihrer Resilienz unterstützen möchten, diesen oft nicht nur entsprechende Seminare; sie stellen ihnen auch einen Coach zur Seite. Er unterstützt sie dabei, ihre Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und gegebenenfalls zu verändern. Ein weiteres Ziel dieser Unterstützung ist es, die Selbst-Achtsamkeit der Mitarbeiter zu erhöhen – also ihre Sensibilität dafür, wann sie zum Beispiel in eine Situation geraten, in der eine Überforderung droht. Denn dann können sie meist noch gegensteuern und sich zum Beispiel Hilfe organisieren, so dass ein „Ausbrennen“ und somit Burn-out vermieden wird.
Die Autorin Nikola Doll arbeitet als Führungskräfte-Trainerin und -Beraterin mit ihrem Mann Klaus Doll für die Doll Organisationsberatung, Neustadt an der Weinstraße.