Coronavirus und Arbeitsrecht

Auch Betriebsversammlungen kritisch hinterfragen

9. März 2020, 12:29 Uhr | RA Thomas Niklas, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, Küttner Rechtsanwälte Köln
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Virtuelle Betriebsversammlung als Lösung?

Die Lösung des Problems, einerseits den gesetzlichen Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes Rechnung zu tragen und andererseits die Belegschaft keiner erhöhten Ansteckungsgefahr auszusetzen, könnte in der Durchführung virtueller Betriebsversammlungen liegen.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist die Betriebsversammlung nicht öffentlich. Hieraus schließen zahlreiche Stimmen in der juristischen Literatur, dass virtuelle Betriebsversammlungen, bei denen einzelne oder sogar die gesamte Belegschaft per Videotechnik zu(sammen)geschaltet sind, generell unzulässig sind. Dies vor allem deshalb, weil sich Dritte mittels technischer Hilfsmittel unbemerkt in die virtuelle Betriebsversammlung einschalten oder der Videoschaltung eines Mitarbeiters unbemerkt bei-wohnen könnten.

Wenngleich beide Argumente durchaus stichhaltig sind, führen sie meines Erachtens nicht zur generellen Unzulässigkeit virtueller Betriebsversammlungen. Denn auch bei „analogen“ Versammlungen bieten die heutzutage allseits präsenten technischen Geräte, insbesondere Smartphones mit Kameras, die Möglichkeit, nichtöffentliche Betriebsversammlungen in Echtzeit zu übertragen und somit Dritten zugänglich zu machen. Sofern die Videozuschaltung ein eigenständiges Einwählen eines jeden Teilnehmers erfordert und auch keine Aufzeichnungen erfolgen, scheiden auch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts regelmäßig aus. Schlussendlich scheitert die Durchführung virtueller Betriebsversammlungen aber zumeist an den technischen Voraussetzungen. Schließlich ist erforderlich, dass jeder (!) Mitarbeiter sich zuschalten kann.

Verbot von Großveranstaltungen träfe auch Betriebsversammlungen

Bereits Ende Februar 2020 wurden in der Schweiz bis auf weiteres alle Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Menschen verboten. Auch in Deutschland wird dies nun vom Bundesgesundheitsminister empfohlen.

Die gesetzliche Handhabe hierfür hätten die Behörden. Denn nach § 28 Infektionsschutzgesetz kann die jeweils zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten; sie kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind. Sofern ein pauschales Verbot der Gesundheitsämter – wie in der Schweiz – Großveranstaltungen jedweder Art verböte, wären hiervon dementsprechend auch betriebsinterne Veranstaltungen wie Betriebsversammlungen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes oder sonstige Mitarbeiterversammlungen betroffen.

Empfehlung

Die Einberufung der ordentlichen vierteljährlichen Betriebsversammlungen sollte aktuell in jedem Einzelfall kritisch hinterfragt werden. Wenngleich für die Einberufung der Betriebsrat verantwortlich ist, sollten Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam die Risiken abwägen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Hierbei können sich die Betriebsparteien an den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für Großveranstaltungen orientieren. Kommen die Betriebsparteien zu dem Ergebnis, dass eine Durchführung trotz Vorsichtsmaßnahmen zu riskant ist, ist zumindest ein Aufschieben unumgänglich.

Sofern gleichwohl arbeitgeberseitig oder seitens des Betriebsrats eine „Versammlung“ zur Information der Belegschaft durchgeführt werden soll, kann schließlich auf „allgemeine“ Mitarbeiterversammlungen außerhalb der Betriebsverfassung zurückgegriffen werden, die sodann per Videoschaltung durchgeführt werden. Denn in diesem Fall gelten nicht die strengen Vorgaben des Betriebsverfassungsrechts. Das Problem der technischen Umsetzbarkeit verbleibt jedoch, sofern die gesamte Belegschaft erreicht werden soll.

 


  1. Auch Betriebsversammlungen kritisch hinterfragen
  2. Haftung bei erhöhter Ansteckungsgefahr
  3. Virtuelle Betriebsversammlung als Lösung?

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