Vitis AI ist ebenfalls neu, ein Punkt, der durch die Übernahme von DeePhi Tech im letzten Jahr möglich wurde. Die „Domain Specific Architectures“ von Deephi sind programmierbare Prozessoren – CNN-DPU, eine LSTM-CPU und eine MLP-DPU –, die innerhalb von Vitis als feste IP-Blöcke verfügbar sind und über TensorFlow programmiert werden können. Die dafür notwendigen Tools sind alle in Vitis integriert: Compiler, Optimizer (Proonen), Quantizer und Profiler (überprüft die Effizienz der DPU).
Ebenfalls neu ist die Tatsache, dass Xilinx mit Vitis einen Open-Source-Ansatz verfolgt. Über eine Apache-Lizenz stehen folgende acht Bibliotheken mit mehr als 400 Funktionen einschließlich der DNN-Modelle als Open Source zur Verfügung: Vitis Basic Linear Algebra Subprograms (BLAS) Library, Vitis Solver Library, Vitis Security Library, Vitis Vision Library, Vitis Data Compression Library, Vitis Quantitative Finance Library, Vitis Database Library und Vitis AI Library. Sie ermöglichen den Software-Entwicklern den Aufruf von vorbeschleunigten Funktionen über ein Standard-Application-Programming-Interface (API). Das Front-End von HLS soll laut Roane in Zukunft auch als Open Source zur Verfügung stehen. Xilinx setzt bei Vitis außerdem auf Standards; so können Entwickler jetzt beispielsweise Microsoft Visual Studio, GitHub oder Jenkins ohne Probleme nutzen.
Damit gehören SDSoC und SDAccel der Vergangenheit an, es wird keine neuen Versionen geben. Entwickler, die bislang SDSoC genutzt haben, müssen sich etwas in der Programmierweise umstellen; für die SDAccel-Entwickler dürfte der Umstieg leichter werden. Der Aufwand lohnt sich aus Roanes Sicht aber auf alle Fälle, denn mit Vitis stehen den Entwicklern alle Funktionalitäten von SDAccel und SDSoC zur Verfügung, plus die erweiterten Bibliotheken und AI-Tools sowie die Tatsache, dass derselbe Code in der Cloud und im Edge laufen kann, ohne Änderungen.
Noch ein Clou: »Vitis steht den Entwicklern kostenlos zur Verfügung. Vitis liegt derzeit ausgewählten Kunden im Rahmen des Early-Access-Programms für Bausteine der Xilinx-Versal-Serie zur Verfügung, die allgemeine Verfügbarkeit erfolgt nächsten Monat«, erklärt Victor Peng, President und CEO von Xilinx.
Analysten sind ebenfalls überzeugt, dass Xilinx mit Vitis der große Wurf gelungen ist. So erklärt Dave Altavilla, Principal Analyst bei HotTech Vision And Analysis: »Ich denke, dass Vitis eine kritische Eintrittsbarriere für Entwickler beseitigt, die die Leistungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit von FPGA-Technologien aufgrund der Komplexität des Designs in älteren HLS-Methoden nicht nutzen konnten. Da Vitis Entwicklern und Designern nun die Möglichkeit gibt, mit nativen Programmiersprachen und Frameworks wie Python und TensorFlow zu arbeiten, um direkt auf konfigurierbare und anpassungsfähige Engines innerhalb der Xilinx-Produkte zuzugreifen, macht es programmierbare Logik-Designs viel zugänglicher für eine breitere Kundenbasis in einer Vielzahl von Branchen und Märkten.
Darüber hinaus wird Vitis auch Entwicklern, die mit großen Cloud-Diensten wie Amazon AWS und Microsoft Azure arbeiten, die bisher vielleicht keine Xilinx-Cloud-Instanzen in Betracht gezogen haben, die Möglichkeit geben, ihre Technologien nun auf flexibleren, anpassungsfähigeren Xilinx-Cloud-Compute-Lösungen einzusetzen. Auch dies sollte dem Unternehmen einen ganz neuen, breiteren Kundenkreis eröffnen.«