Leistungshalbleiter-Bauelemente-Trends

Technologien richtig einsetzen

12. November 2019, 14:02 Uhr | Von Dr. Gerald Deboy, Senior Principal Power Discretes and System Engineering, und Dr. Peter Friedrichs, Senior Director Silicon Carbide Technology, beide bei Infineon Technologies
Bild 1: Vergleich der Materialeigenschaften von Si, SiC und GaN
© Bilder: Infineon Technologies

Geht es um elektronisch getaktete Leistungswandler, steht eine große Auswahl von Halbleiterschaltern bereit, darunter IGBTs, Si-MOSFETs und Bauelemente auf Basis von Siliziumkarbid (SiC) oder Galliumnitrid (GaN), sogenannte »wide bandgap devices«. Sie sind aber nicht so einfach austauschbar.

Diesen Artikel anhören

Die Umwandlung elektrischer Energie in verschiedene Wechsel- und Gleichspannungspegel hat im Laufe ihrer Geschichte mehrere grundlegende Paradigmenwechsel erlebt. Der vielleicht bedeutendste war die Entwicklung von Schaltnetzteilen, die einen weitaus höheren Wirkungsgrad als zuvor ermöglichen und Funktionen bieten, die bis dato unmöglich waren, z.B. isolierte DC/DC-Wandlung ohne Motor-Generator-Sets. Heute ermöglichen Schaltleistungswandler komplexe Funktionen in Bereichen wie drahtloses Laden, Mobilfunk, erneuerbare Energien und intelligente Motoren in allen Bereichen – von der Industrie über Elektrofahrzeuge bis hin zu kleinen Haushaltsgeräten.

Halbleiterschalter sind für die Funktion eines Leistungswandlers von entscheidender Bedeutung. Neben den auf Silizium basierenden Technologien wie MOSFETs und IGBTs stehen für besonders anspruchsvolle Anwendungen heute auch SiC- und GaN-Leistungshalbleiterbauelemente zur Verfügung. Im folgenden Beitrag stellen wir die Eigenschaften der verfügbaren Halbleiter dar und diskutieren ihre jeweiligen Vorteile und Herausforderungen.

Fortschritte bei der Verbesserung
von Halbleitern

Unter der Maxime, Energie und Kosten zu sparen und die Umweltbelastung zu verringern, sind Verbesserungen der Leistungswandler in vielen Bereichen zu einem Schwerpunkt geworden. Ein höherer Wirkungsgrad spart Energie und führt zu kleineren, leichteren und günstigeren Produkten bei gleichem Leistungsdurchsatz oder liefert bei gleichem Temperaturanstieg mehr Leistung. Die Vorteile zeigen sich überall dort, wo die Energie- und Kühlkosten hoch sind oder wo – wie in Datencentern – der Druck besteht, die Rechenleistung in einer gegebenen Infrastruktur zu erhöhen. Die Vorteile von WBG-Halbleitern (Wide Bandgap) zeigen sich bereits bei der Erzeugung und Verteilung erneuerbarer Energien, Energiespeicherung und unterbrechungsfreien Stromversorgungen (USV) sowie bei traditionell frequenzgeregelten Motorantrieben. Die pro Volumen umgewandelte Leistung oder die Leistungsdichte ist auch eine wichtige Kennzahl in vielen Anwendungen wie Mobilfunkinfrastrukturen, EV/HEVs und Edge-Computing am Rand von Netzwerken. Die Entwicklung von Halbleiterschaltern hat sich an diesen Anforderungen und der Nachfrage nach Gehäusen ausgerichtet, die eine zunehmend automatisierte Serienmontage unterstützen. WBG-Halbleiter auf Basis von SiC- und GaN-Materialien sind nahezu ideale Schalter. In vielen Anwendungen sind jedoch neueste Si-MOSFETs und High-Voltage-IGBTs attraktive Alternativen in Bezug auf den Trade-off zwischen Kosten und Leistungsfähigkeit.

Materialoptionen

Vereinfacht gesagt verwenden Leistungswandler vier wesentliche Schaltertypen: Si-IGBTs, Si-MOSFETs, SiC-MOSFETs oder GaN-HEMTs. Auch Hybridtechnologien kommen zum Einsatz. Dazu zählen IGBTs mit integrierten parallelen SiC-Schottky-Dioden oder eine Kombination aus IGBTs und SiC-Schaltern in mehrstufigen Topologien wie Neutral Point Clamp (NPC oder Active NPC), bei denen für jede Schalterposition das Bauelement mit den am besten passenden Eigenschaften gewählt werden kann. Bild 1 zeigt die grundlegenden Materialeigenschaften von Si, SiC und GaN im Vergleich.

Infineon Technologies
Bild 2: Mögliche Anwendungsschwerpunkte verschiedener Leistungshalbleiterbauelemente als Funktion von Leistung und Taktfrequenz
© Infineon Technologies

Die größere Bandlücke bei SiC und GaN führt zu einer höheren elektrischen Durchbruchsfeldstärke und reduziert damit den Einschaltwiderstand bei gegebener Spannungsklasse um mehrere Größenordnungen, während die höhere Elektronenbeweglichkeit die für einen gegebenen Einschaltwiderstand erforderlichen Ladungen verringert. SiC punktet am besten bei der Wärmeleitfähigkeit. Sowohl SiC als auch GaN können theoretisch bei deutlich höheren Betriebstemperaturen als Si betrieben werden, praktische Einsatzbereiche sind jedoch oft durch das Gehäuse begrenzt. Der normierte Durchlasswiderstand (pro Fläche) ist bei SiC und GaN ebenfalls viel besser als bei vergleichbaren Si-Bauelementen.

Die praktische Wahl

Aus dem Vergleich der Materialparameter ragen sowohl SiC als auch GaN heraus. Infineon positioniert SiC als Ergänzung zu den Silizium-Bauelementen in den Spannungsklassen oberhalb von 600 V und GaN von 100 V bis 600 V. Die höhere Schaltgeschwindigkeit dieser Bauelemente erlaubt typischerweise eine Anhebung der Taktfrequenz bei gleichbleibendem oder besserem Wirkungsgrad und damit eine Verkleinerung und Kostensenkung der magnetischen Komponenten.

Der Wert von GaN lässt sich am besten in neuen Designs realisieren. Der einfache Austausch von Si-MOSFETs in vorhandenen Schaltkreisen durch GaN-Bausteine ohne weitere Systemanpassungen führt in aller Regel nur zu sehr begrenzten Vorteilen. Idealerweise werden die Topologie und das Regelungsverfahren an die Fähigkeiten der neuen Halbleiterbauelemente angepasst, um die vollen Systemvorteile auszuschöpfen. In einem herkömmlichen Motorantrieb ist z.B. die Motorwicklung die wesentliche magnetische Komponente, die separat für Leistung und Drehmoment ausgelegt ist. Ein grundlegendes Redesign könnte jedoch eine sinusstromgespeiste Wechselrichtertopologie mit GaN bei hoher Frequenz verwenden oder die Bidirektionalität von GaN-Schaltern nutzen, um IGBTs und parallele Dioden in einem Stromzwischenkreis-Wechselrichter zu ersetzen, was einen wesentlich höheren Wirkungsgrad, eine verbesserte Motorsteuerung und geringere EMI zur Folge hätte und somit ein neues Motorantriebskonzept ermöglicht. Bei Austausch von Si-IGBTs durch SiC-MOSFETs ist die Situation etwas anders, da auch bestehende Topologien von der Einführung von SiC profitieren. So lassen sich auch bei gleichbleibender Taktfrequenz und Schaltgeschwindigkeit bereits geringere Leitendverluste erzielen.

In einigen Anwendungen ist die bidirektionale Funktion oder der Betrieb des Bausteins in seinem dritten Quadranten ein wichtiger Faktor. Dies geschieht, wenn sowohl die Drain-Spannung (Kollektor für IGBTs) als auch der Strom in n-Kanal-Bausteinen beide negativ sind, was in Halbbrückenschaltungen in jeder Kommutierung des Laststroms auftritt. Beispiele für solche Schaltungen sind H4- oder B6-Motorantriebe, Totem-Pole-PFC-Stufen (Leistungsfaktorkorrektur) und LLC-, Phase-Shift-ZVS-Brücken oder Active-Clamp-Flyback-Wandler.

Si- und SiC-MOSFETs verfügen über integrierte Body-Dioden, die in Rückwärtsrichtung leiten und bei Beaufschlagung von Spannung jeweils charakteristische Sperrverzögerungsströme aufweisen. IGBTs enthalten keine Diode, das Freilaufelement ist daher frei wählbar. Mit SiC-Schottkydioden steht hier ein nahezu idealer Partner zur Verfügung. Andererseits weisen IGBTs aufgrund des Tail-Stroms gegenüber MOSFETs erhöhte Schaltverluste auf. Die Body-Diode von Silizium-MOSFETs, insbesondere von Superjunction-Bauelementen, weist dagegen eine vergleichsweise hohe Sperrverzögerungsladung mit abruptem Abriss der Rückstromspitze auf. SiC-MOSFETs zeigen eine vernachlässigbare Umkehr-Erholungsladung auf, aber der Durchlassspannungsabfall der Diode ist im leitenden Zustand hoch. Daher wird in der Regel im Betrieb des Bauelements in Rückwärtsrichtung der Kanal eingeschaltet (synchrone Gleichrichtung), um die Leitendverluste zu reduzieren. Dies gilt auch für GaN-HEMTs, die aufgrund ihrer fehlenden Body-Diode keinerlei Sperrverzögerungsladung aufweisen.

GaN und SiC sind daher ideale Lösungen, um in Halbbrücken-Topologien den besten Wirkungsgrad zu erzielen, sowohl unter harten als auch weichschaltenden Bedingungen. Bei weichem oder resonantem Schalten sind Superjunction-Si-MOSFETs bis etwa 250 kHz noch gut einsetzbar, bevor die Verzögerungszeiten beim Umladen des Spannungsmittelpunktes zu einer deutlichen Reduktion des Duty-Cycles führen. Aufgrund des lateralen Aufbaus ist GaN primär für kleine und mittlere Leistungsklassen bis zu sehr hohen Frequenzen prädestiniert, während IGBTs – und jetzt SiC – die dominierenden Technologien für höhere Ströme und Spannungen sind. – Bild 2 gibt einen Überblick über die Anwendungsschwerpunkte der verschiedenen Bauelemente.


  1. Technologien richtig einsetzen
  2. Auf die Leistungsdichte kommt es an

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Infineon Technologies AG

Weitere Artikel zu Leistungshalbleiter-ICs