Interview mit Alex Lidow, CEO von EPC

»Ich hasse Gehäuse!«

23. Juni 2016, 9:43 Uhr | Ralf Higgelke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Kommen vertikale GaN-Schalter?

Im Labor gibt es bereits seit einiger Zeit vertikale GaN-Bausteine. Wann können wir mit kommerziell verfügbaren Produkten rechnen? Oder haben sie gegenüber lateralen Strukturen überhaupt einen Vorteil?

Eine laterale Struktur hat den inhärenten Nachteil, dass man einen Teil der Oberfläche des Chips für den Drain-Anschluss reservieren muss. Bei einer vertikalen Struktur liegt dieser Anschluss ja auf der Chipunterseite, sodass solche Bauteile tendenziell noch kleiner werden können und sich besser für höhere Spannungen eignen. Der Crossover-Punkt liegt bei etwa 900 Volt; bei dieser Spannung wäre ein vertikaler Baustein in etwa so groß wie ein lateraler. Für höhere Sperrspannungen wäre dann die vertikale Struktur zu bevorzugen.

Der wesentliche Nachteil eines vertikalen Bausteins ist das Substrat – wir haben es hier ja mit einem GaN-on-GaN-Prozess zu tun. Als Substrat ist Galliumnitrid extrem teuer, und die Wafer-Durchmesser sind noch ziemlich klein. Ein weiterer Nachteil ist, dass die parasitäre Induktivität steigt, da man einen Anschluss auf der anderen Seite des Chips hat und diesen irgendwie elektrisch anbinden muss. Daher gehe ich davon aus, dass wir bei GaN bis zu einer Sperrspannung gehen werden, die sich mit lateralen Strukturen noch wirtschaftlich darstellen lässt.

Dann aber wird man bei den vertikalen Bauteilen sehr genau hinschauen müssen, wie sie sich im Vergleich zu SiC schlagen. Denn der Grund, warum Galliumnitrid bei niedrigen Spannungen sehr viel besser ist als Siliziumkarbid, ist das zweidimensionale Elektronengas mit seiner hohen Elektronenmobilität. Diesen Vorteil büßt GaN aber ein, sobald die Strukturen vertikal werden; dort ist die Elektronenmobilität nur noch genauso gut wie bei SiC. In diesem Fall hat man also zwei Kristallstrukturen mit sehr ähnlichen Eigenschaften. Welche wird am Ende obsiegen? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall hat dann Siliziumkarbid einen großen Vorsprung, weil es diese Technologie schon viel länger gibt und sie daher wesentlich besser erforscht ist. Vertikale GaN-Bauteile machen für mich somit wenig Sinn – höchstens als Diode.

Ende 2015 wurde bekannt, dass Akhan Semiconductor noch im ersten Quartal 2016 die ersten kommerziell verfügbaren Diamant-Halbleiter ausliefern wolle. Haben Sie davon gehört, und welche Auswirkungen könnte dies haben?

Ja, davon habe ich gehört. Als Doktorand Ende der 1970er Jahre haben wir viel über Diamant gesprochen – das ultimative Halbleitermaterial. Die großen Probleme waren die gezielte n- und p-Dotierung, die aber wohl aktiv angegangen worden sind. Diese Bauteile könnten einige sehr interessante Charakteristika haben, doch sie werden extrem teuer kommen. Und je nach Charakteristik werden solche Bauteile für einige Nischenanwendungen überaus interessant sein. Das gleiche gilt ja auch für Galliumarsenid, das auch nur in einigen Nischen eingesetzt wird. Doch halte ich es für ausgeschlossen, Diamant könnte jemals kosteneffizienter werden als Silizium.

Setzt ein Entwickler GaN als 1:1-Ersatz für einen Silizium-MOSFET ein, kann er nicht das volle Potenzial des Materials nutzen. Was sollte er daher stattdessen tun?

Wir erleben diesen Fall häufig. Der Anwender ersetzt seinen MOSFET durch einen unserer GAN-Schalter und sagt dann: »Die Performance ist ja überhaupt nicht besser! Warum?« Die Antwort lautet: Weil er seine Schaltung bei niedrigen Frequenzen betreibt, und der Durchlasswiderstand von GaN-Schaltern ist keineswegs besser als der von Silizium-MOSFETs. Daher kann das Ergebnis auch nicht besser sein.

Soll sein Ergebnis besser werden, muss er entweder in Richtung höherer Schaltfrequenzen oder kleinerer Abmessungen gehen. Ein Beispiel für Letzteres ist ein extrem kleines Blitzlicht, das wir hier auf unserem Stand haben. Unsere GaN-Schalter sind ja sehr viel kleiner als MOSFETs, und nur so war es möglich, einen so kleinen DC/DC-Wandler zu bauen, der in das Blitzlicht passt und trotzdem aus nur einer Batteriezelle genug Strom für eine 300-Lumen-LED zur Verfügung stellen kann.

Es gibt also heute mehr Gründe denn je, GaN-Bauteile einzusetzen: Sie sind besser als Silizium-MOSFETs, sie sind zuverlässig und sie sind kosteneffizient.

Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Lidow.


  1. »Ich hasse Gehäuse!«
  2. GaN kosteneffizienter als Silizium
  3. Drei Ausfälle nach 17 Milliarden Betriebsstunden
  4. Kommen vertikale GaN-Schalter?

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