Mit zweistelligen Zuwachsraten prescht Inova in die Top-Liga der weltweiten Halbleiterzulieferer für Autohersteller vor. Markt&Technik sprach Robert Isele und Roland Neumann, über die künftige Strategie.
Markt&Technik: Seit Januar haben Sie zu zweit die Geschäftsführung von Inova Semiconductors übernommen. Was wird sich ändern?
Robert Isele, CEO und Geschäftsführer: Was sich ändert: Wir wachsen weiter, was ja eine schöne und gewünschte Entwicklung darstellt. Weil wir in der Automotive-Industrie unterwegs sind, können wir das Wachstum über die kommenden Jahre recht gut abschätzen, bis 2026 ist das gut planbar. An der Strategie wird sich dagegen nichts ändern, unser Fokus wird weiter auf der Automobilbranche liegen, wir entwickeln unsere ICs ausschließlich im Hinblick darauf, wie die Anforderungen der Automotive-Kunden aussehen – wenn das andere Branchen, etwa die Industrie oder Consumer-Gerätehersteller, auch gut einsetzen können, umso besser. Uns kommt es vor allem darauf an, das Unternehmen nach dem plötzlichen Tod des Gründers und langjährigen CEO Robert Kraus in seinem Sinne stabil und mit der gewohnten Zuverlässigkeit fortzuführen. Es wird sich also fundamental nichts ändern, wir stehen hundertprozentig zu den ursprünglichen Plänen und der Strategie von Inova.
Roland Neumann, CTO und Geschäftsführer: Aus technischer Sicht liegt unser Fokus darauf, unsere Produktlinien weiterzuentwickeln. Wir hatten auf der electronica vor zwei Jahren »ADXpress« vorgestellt, die unsere »Apix«-Linie fortsetzt, aber doch auf eine grundlegend neue Basis gesetzt wurde, was in dem neuen Namen zum Ausdruck gebracht werden sollte. Zudem deutet er an, dass wir mit ADXpress nicht mehr nur den High-Speed-Infotainment-Markt anvisieren, sondern dass wir in weitere Bereiche vorstoßen, besonders in ADAS. High Speed ist dort unsere Kernstoßrichtung. Im Mid-Speed-Bereich werden wir unsere Iseled-Produktlinie für die Beleuchtung und unsere ILaS-Produkte für die Sensor-Aktor-Netzwerke ausbauen, also für das »Iseled Light and Sensor Network«, für welches die Abkürzung steht. Sowohl mit den High-Speed- als auch mit den Mid-Speed-Linien bilden wir eine solide Basis und unterstützen so den Trend zu einer zonalen Architektur in den künftigen Autos.
Wenn Inova kräftig weiterwächst, dann dürfte ein gewisser Wandel aber doch erforderlich sein, denn über die Startup-Phase ist das Unternehmen hinaus: Bei Umsatzzuwächsen im hohen zweistelligen Bereich wächst es zu einem ernstzunehmenden globalen Automobilzulieferer heran. Was wird sich aus diesem Grund ändern?
Isele: Wir wachsen tatsächlich geradezu sprunghaft: Unseren Umsatz haben wir 2023 um 56 Prozent gesteigert. In diesem Jahr dürften wir noch einmal einen Sprung um 40 Prozent nach oben machen. Dieses Wachstum basiert auf dem Ausbau unserer Apix-Linie mit Designs bei mehreren OEMs im europäischen und asiatischen Raum sowie auf den ersten Iseled-Applikationen. Auch 2025 und 2026 werden wir mit allen Produkten weiter zulegen. Es steht bereits fest, dass wir zwei globale OEMs mit unseren ILaS- und Iseled-Produkten beliefern werden. Gemessen in Stückzahlen erreichen wir allein damit einen weltweiten Marktanteil von 10 Prozent – die kleine Inova rückt zu einem wesentlichen Hersteller auf! Es kommt aber darauf an, intelligent zu wachsen. Die Zahl unserer Mitarbeiter wird von derzeit 50 bis Ende des Jahres auf 60 steigen. Wir werden vor allem unsere Einkaufsabteilung ausbauen und die Zusammenarbeit mit unseren Foundries intensivieren, um gemeinsam langfristig planen zu können. Mit GlobalFoundries und Samsung bieten wir unseren Kunden ein resilientes Sourcing – in der von geopolitischen Spannungen gekennzeichneten aktuellen Situation ein nicht zu vernachlässigender Vorteil!
Doch trotz des schnellen Wachstums: Wir werden ein bayerisches High-Tech-Unternehmen mit Sitz in München bleiben. Wir platzen zwar an unserem bisherigen Standort aus allen Nähten, und um weiter expandieren können zu können, werden wir in absehbarer Zeit in ein neues Gebäude umziehen – aber es wird auf jeden Fall innerhalb von München liegen.
Neumann: Es kommt uns zugute, dass wir mit der Iseled Alliance bereits über ein großes Ökosystem rund um die Iseled- und ILaS-Produktlinien verfügen. Das heißt, die Anwender können die jeweiligen Bauteile nicht nur von Inova kaufen, die Light-Controller etwa bieten sieben weitere Hersteller weltweit an, die Iseled-LEDs und ILaS-LEDs im Bereich von 3 lm bis 60 lm können ebenfalls von sieben Herstellern rund um die Welt bezogen werden. Außerdem können ILaS- und Iseled-Smart-LED-Driver für die Anbindung beliebiger externer LEDs verwendet werden, und es stehen ILaS-Transceiver und Bridges zur Verfügung. Alles ist zu 100 Prozent Plug-and-Play-kompatibel, was ja die zentrale Idee der »digitalen LED« war. Dieser Gedanke bildet den Kern unseres Ökosystems: Die Anwender haben die freie Auswahl, von welchen Controller- und welchen LED-Herstellern sie beziehen wollen.
Sind die Anwender nicht doch gebunden?
Isele: Keinesfalls, es handelt sich nicht um eine proprietäre Technologie, wie bisweilen fälschlicherweise behauptet wird. Iseled und ILaS sind lizenzfrei für Anwender: Wer die Produkte verwendet, muss nichts bezahlen. Nur die Entwicklung neuer oder weiterer Halbleiterbausteine kostet eine IP-Lizenz, aber das ist bei CAN auch nicht anders. Das Ergebnis: Die Anwender sind extrem flexibel, sie können die ILaS-Netze mit beliebigen LEDs betreiben und können auch ihre existierenden Systeme ohne Probleme auf ILaS umstellen – ohne auf der optischen Seite irgendwelche Veränderungen durchführen zu müssen. Und weil die Bausteine der INTL220-Familie die Brücke zu Ethernet schlagen und Sensoren eingebunden werden können, sind die Investitionen in ILaS sehr zukunftssicher.
Der chinesische Markt ist für Inova wegen seiner Größe wichtig und auch, weil die chinesischen OEMs sehr erpicht darauf sind, neue Technologien möglichst schnell in ihre Autos zu bringen. Bläst Inova der Wind jetzt nicht doch ins Gesicht, weil einige neue Hersteller von E-Autos in China straucheln, der Markt insgesamt schwächelt und chinesische Firmen jetzt die Strategie verfolgen, vermehrt von inländischen Zulieferern zu beziehen?
Isele: Ich gehe davon aus, dass wir unsere Position bei den chinesischen Herstellern auch weiterhin ausbauen können. Das Interesse ist weiterhin groß. Dass nicht alle Neugründungen im Bereich der E-Autos überleben werden, war den meisten sowieso klar. Und dank unseres ausgedehnten Ökosystems können diejenigen, die das wollen, ihre Bauelemente auch von lokalen Anbietern beziehen, das sind ja gerade die Stärken der Iseled- und ILaS-Allianzen.
Dennoch – der Automobilmarkt ist weltweit in Bewegung, es ist nicht immer ganz klar, in welche Richtung er sich bewegen wird und wer schlussendlich zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern zählen wird. Außerdem wird der Markt, gemessen an der Anzahl der verkauften Autos, nur wenig wachsen. Ist es da nicht schwierig, den Überblick zu behalten?
Isele: Der Weltmarkt für Autos liegt nach den Prognosen ziemlich konstant bei 90 bis 100 Mio. Stück pro Jahr. Es ist richtig, in China sind die Neuzulassungen derzeit gering, die Goldgräberstimmung ist erst einmal vorbei. Ich gehe davon aus, dass ein OEM mindestens 1 Mio. Autos pro Jahr herstellen muss, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Das bedeutet: In China werden fünf bis sechs Hersteller überleben. Die Kunst besteht für uns darin, auf die richtigen zu setzen. Aber grundsätzlich ist die Nachfrage nach unseren Systemen weiterhin sehr stark, denn die Elektronik wächst im Auto überproportional, und es stimmt, gerade die chinesischen Autohersteller setzen neue Techniken sehr gerne ein und bringen sie sehr schnell in die Autos, was für uns günstig ist.
Wann wird es erste Produkte der ADXpress-Generation geben, die Inova auf der electronica 2022 vorgestellt hat?
Neuman: Die Entwicklung der ADXpress-Technologie wird in diesem Jahr abgeschlossen. Wir erstellen jetzt den Technologie- und Modulbaukasten, aus dem sich dann ADXpress-Produkte mit den unterschiedlichsten Schnittstellen ausleiten lassen. Der erste Prototyp soll im Januar 2025 vorgestellt werden; erste Produkte werden dann im Jahresverlauf 2026 folgen.
ADXpress soll der High-Speed-Backbone im Auto werden; Sie sagten bereits, dass High Speed die Kernstoßrichtung ist. Zielt Inova damit auch auf den bisherigen Ethernet-Markt ab?
Neumann: ADXpress ist die Abkürzung von Automotive Data Express, wir sprechen also von einem Daten-Massentransportsystem. Das ist auch erforderlich, um die gigantischen Datenströme im Auto insbesondere zwischen Steuergeräten und Bildschirmen oder die Daten von ADAS-Kameras gebündelt mit hoher Geschwindigkeit übertragen zu können. Apix – Automotive Pixel Link – war, wie der Name sagt, für die Übertragung von Videodaten konzipiert; ADXpress kann alle Arten von Daten übertragen, deshalb war das grundlegend neue Konzept erforderlich. Unser SerDes-PHY bietet 32 Gbit/s bei 28 dB Dämpfungsmarge! Damit eignet er sich speziell für den Einsatz in ADAS und Infotainment-Systemen. Damit kommen wir dem Trend zur zonalen Architektur entgegen.
Wie positioniert sich ADXpress relativ zu Ethernet?
Neumann: ADXpress definiert die Konnektivität im Auto völlig neu. Im Bereich des Infotainment wie aber auch bei ADAS mit der großen Anzahl von Kameras werden Datenraten benötigt, die selbst mit 10G-Ethernet nicht übertragen werden können.
Isele: Wir können mit ADXpress für einige Kunden sehr interessante Differenzierungen bieten. So waren wir stark darauf bedacht, die Rückwärtskompatibilität zu Apix3 zu bieten – eine Strategie, die wir auch in der Vergangenheit penibel verfolgt haben: Wir sind immer zur jeweiligen Vorläufergeneration rückwärtskompatibel. Denn kein OEM kann es sich leisten, alle vier Jahre ein Auto komplett neu aufzusetzen. Im Automobilumfeld ist Rückwärtskompatibilität alles!